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Von Albert wisheu-Marte ns

er Schauspieler Lajos Feleky mußte
seiner prominenten Rollegin, der berühm-
ten Toth, dankbar sein, daß sie sich bei dem
Direktor des Budapester Romödienhauses
für ihn verwandt hatte. Viel hatte sie
allerdings nicht für ihn erreicht, lediglich
eine äußerst bescheidene Stellung für kleine
und kleinste Rollen. Vor einigen Jahren
noch war er der beliebte Bonvivant des
Debrecziner Stadttheaters, an dem die
Toth kaum beachtet ihre Laufbahn begann,
und heute meldete er ihr, dem erklärten
Liebling Budapests, daß der Xtt serviert
sei und ähnliche welterschütternde Bege-
benheiten. Trotzdem mußte er zufrieden
sein, wenn man zufrieden sein muß ist
man es keineswegs. Am allerwenigsten
dann, wenn man weiß, daß man etwas
kann. Feleky wußte das, aber er sah auch
ein, daß er aus dem toten Geleis lag. Sein
Ehrgeiz suchte einen Ausweg und er fand
ihn in einer hübschen Lustspielidee: 14
Tage spater hatte er seine „heimliche
Serenade" vollendet. Stücke schreiben ist
Runst, sie anbringen die größere. Feleky
war sich darüber einig, daß er das Lust-
spiel nicht unter seinem Namen einreichen
durfte; denn eine Romödie des unbedeu-

Doppelter Grund

„Steig nur wieder obi, Xaverl! Von Enk
Mannsbildern mag i iiberhaubts nix mehr
wissen, und Zweitens is scho da Seppl
herob’n.“

tenden Episodenspielers wäre totsicher in
der Schublade eines Dramaturgen ver-
gilbt. Daher erhielt der Dramaturg des
Romodienhauses das Manuskript der
„heimlichen Serenade" von einem gewissen
Alexander Horvath eingereicht. Erhielt
es und legte es zu den übrigen. Herr
Horvath aber schrieb nicht nur Romodien,
er schrieb auch Briefe. So kam es, daß in
den nächsten Tagen sämtliche Schauspiele-
rinnen des Romodienhauses den Direktor
bestürmten und jede darauf drang ihr die
Rolle der Ilonka in der „heimlichen
Serenade" zu geben. Lola Feher, die von
der Toth zurückgedrängt worden war,
tobte und schrie nach der Rolle und als die
Toth davon erfuhr tobte auch sie; denn
wenn die Feher sich wegen einer Rolle so
aufführte, dann war die Rolle gut, und
gute Rollen spielte hier niemand als sie,
Toth Amalia, der Liebling Budapests.
Das sagte sie dem Direktor mit aller Deut-
lichkeit. Das Interesse an der „heimlichen
Serenade" war geweckt und 4 Wochen
später war bereits die Stellprobe. Feleky
schlich sich in den dunklen Zuschauerraum
und hörte fiebernd vor Aufregung zu. Als
sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt
hatten, gewahrte er hinter sich die Feher.
„was sagen Sie zu unserem famosen
Talentpächter;", zischte sie ihm zu, „mir
schreibt der Autor die Rolle auf den Leib,
und er gibt sie der Toth, dieser unbegabten
Person!" Feleky flüsterte zurück: „wenn
ein Direktor einen Star hat, ist er für die
Vorzüge seiner anderen Mitglieder blind."
„Sehr gut!", lachte die Feher spitz auf,
erhob sich geräuschvoll und verließ den
Zuschauerraum. „Rücksichtslosigkeit!",
brüllte der Direktor oben auf der Bühne,
„wer ist denn da unten-" Feleky meldete
sich. „Rommen Sie herauf, Sie haben im
r. Akt als Diener einen stummen Auf-
tritt." — — —

Am Abend der Uraufführung stand
Feleky vor Aufregung fiebernd hinter der
Szene. Lachsalven brausten durch den
Raum. Acht Vorhänge nach dem 1. Akt.
Die Toth war hinreißend. Im r. Akt —
Feleky hatte seinen stummen Auftritt hin-
ter sich und stand in seiner Dienerlivree
neben dem Vorhangzieher — gab es Bei-
fall auf offener Bühne, und als sich der
Vorhang über der Schlußszene des letzten
Aktes senkte, war die Schlacht auf der
ganzen Linie gewonnen. In das prasseln
des Beifalls mischten sich immer drängen-
dere Rufe nach dem Autor. Eben wollte
der Direktor für den abwesenden Verfasser
danken, da stürzte Feleky aus die Bühne,
drängte den verblüfften Direktor zurück
und verbeugte sich. Dann schleppte er die

Toth vor die Rampe, küßte die schreckens-
starre Diva stürmisch ab und lächelte
glückstrahlend ins Publikum. „Vorhang!",
brüllte der Direktor. „Er ist wahnsinnig
geworden!!", kreischte die Toth. Feleky
verneigte sich dankend weiter, obgleich
kein Mensch mehr klatschte. Jäh rissen
ihn die sehnigen Arme der Bühnenarbeiter
zurück und zerrten ihn von der Bühne.
Bestürzt strömte das Publikum zu den
Garderoben, Arzte und Journalisten bahn-
ten sich einen weg durch die erregte Menge,
hinter der Bühne hörten sie Feleky toben:
„Laßt mich doch los ihr Idioten! Ich muß
doch vor den Vorhang! Zertrampelt mir
doch nicht meinen Bombenerfolg!" Der
Theaterarzt trat an den Tobenden heran:
„Aber was ist denn Feleky;" „Ich bin nicht
Feleky", schrie der Schauspieler, „Feleky
ist ein armseliger Statist! Id) bin Horvath,
der erfolgreick)e Horvath!" Der 2lrzt
zuckte die 2tck)seln und flüsterte dem Direk-
tor zu: „Zweifellos Größenwahn! Der
arme Rerl muß sofort in die psyd)iatrische
Rlinik." „Ihr wollt mir meinen Erfolg
stehlen!", heulte Feleky auf, dann sackte er
zusammen.

2lls er wieder zu siä) kam, lag er in
einem freundlick)en Zimmer zu Bett. Ge-
dämpfter Lichtsck)ein erhellte den Raum.
Feleky wollte sick) rasck) erheben, aber eine
kräftige Hand zwang ihn nieder. „Sd)ön
liegen bleiben!" Der Sd)auspieler sah einen
Mann im Rrankenwärterkittel vor sid)
stehen. Feleky machte abermals einen Ver-
such sid) zu erheben, aber der nun ver-
stärkte Druck der wärterlid)en Red)ten
überzeugte ihn, daß er sich vorerst fügen
müsse, was tat 's auch; er hatte ja seinen
Bombenerfolg! wohlig wälzte er sid) in
den Rissen und sd)lief beseligt lächelnd ein.

Der Direktor hatte weniger gut ge-
sd)lafen. Der peinlid)e Vorfall hatte ihm
arg zugesetzt und selbst die glänzenden
Rritiken der Morgenpresse konnten seine
gedrückte Stimmung nicht heben. Miß-
mutig betrat er sein Theater und er-
schrocken wid) er vor dem auf ihn zustür-
zenden Sekretär zurück: „was haben Sie
denn;" „Die Lösung!", sd)rie der Sekretär.
„Feleky ist wirklich der Autor!" Er sei
eben in Felekys Wohnung gewesen um
dessen Rollen, die dod) umbesetzt hätten
werden müssen, abzuholen, da lagen auf
dem Sd)reibtisch der Aufführungsvertrag
und Briefe, die das Romödienhaus an die
postlagernde Ansd)rift Horvaths gerid)tet
hatte, „wir müssen den Ärmsten sofort
befreien. Id) rufe gleich an." Der Direk-
tor winkte ab: „Das mache ich persönlich."
Feleky war mit einem Satz aus dem Bett,
als er den eintretenden Direktor gewahrte,

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Register
Richard Rost: Doppelter Grund
Albert Wisheu-Martens: Gastspiel im Bett
 
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