Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GUTE RATSCHLÄGE

Von H e i n o Seit l e r

E

s gibt teilte, die gute Ratschläge
sabriksmäßig in großen Ulengen erzeugen.
Das Schreckliche dabei ist, daß sie dann
auch das Bestreben haben, ihre guten Rat-
schlage abzusetzen. Sie geben ihre Ware
mit Freuden ohne irgendeine Gegen-
leistung ab, ja, sie drangen sie den anderen
Menschen direkt auf. wehe demjenigen,
in dessen Bekannten- oder Verwandten-
kreis sich eine Tante, ein Onkel, eine
Schwiegermutter oder ein guter Freund
der Familie befindet, eine jener weiöheits-
maschinen, die nur dazu auf der Welt
sind, um ihren lieben Mitmenschen durch
gute Ratschlage das Leben sauer zu
machen. Vernunft wird Unsinn, Wohltat
Plage.

wie stellen Sie zum Beispiel einen
Schirm nach Gebrauch in den Schirm-
ständer- Doch wohl wie jeder Mensch, mit
der Spitze nach unten, Nun sehen Sie,
das ist falsch! Meine Tante hat es mir
anläßlich meines letzten Besuches erklärt.
Nach einem Regen stellt man den Schirm
mit dem Griff nach unten auf! Na, was
sagen Sie; weshalb; Sehr einfach: damit
erstens das Wasser abrinnen kann und
zweitens, damit das Schirmgerippe an
der Stelle, wo es zusammenläuft, nicht
rosten kann! Sprechen Sie mir nicht da-
gegen, ich durfte dies auch nicht. In Tante
Fannys Wohnung steht von dieser Zeit
an mein Schirm eben immer Ropf.

Da kam eines Tages mein Schuster
gerade in dem Moment liefern, als ich
daran war, mir ein Glas Milch einzu-
schenken. Dieser Schuster ist ein Philo-
soph und eine Leuchte der Weisheit.

„Aber, Herr", schrie er, „trinken S' do
ka röche Milch!"

„warum;", fragte ich naiv.

„Na, hören S’, wissen Sie denn das
nicht. In den Milch, wenn sie ist roh,
sinds doch lauter Würmer. Tausende und
tausende Würmer."

„Aber gehn S’ weg, Herr Meister",
sagte ich, „was soll man denn da machen;"

„Na kochen S’ den Milch halt ab",
antwortete er.

„Ja, was geschieht denn dann mit den
Würmern", fragte ich, „wenn die Milch
abgekocht wird;"

„Na dann", sagte der Apostel der Weis-
heit überzeugt, „dann ziehn stch die Wür-
mer in der Milch zurück!"

Bitte, keine Widerrede, mein Schuster
weiß das besser.

wenn Sie stch einmal in den Finger-
geschnitten haben, befolgen Sie die Rat-
schläge Ihrer Umgebung und Sie werden
sehen, daß eine Blutvergiftung das Ge-
ringste ist, was Sie stch in aller Eile ein-
wirtschaften können. Gibt es doch Leute,
die einem allen Ernstes raten, Spinn-

gewebe auf die Wunde zu legen. Ein altes
Hausmittel!

Jeder Mensche besucht den besten Zahn-
arzt, den es auf der Welt gibt.

„Ach, gehen Sie doch zu meinem", ruft
jeder, „meiner ist wirklich sehr zuvor-
kommend, er behandelt großartig; Sie
werden sehen!" woran dies liegen mag,
ist schwer psychologisch zu ergründen.

Einen Onkel habe ich auch, das ist so
ein alter Praktikus, der alles versteht und
alles kann. Und wenn man nicht alles so
macht, wie er stch einbildet, bekommt er
einen roten Ropf und brüllt, daß stch die
Fensterscheiben nur so biegen.

„Mensch!", rief er einmal, „Mensch,
wie zündest du nur ein Zündholz an;!"

Er riß mir die Schachtel aus der Hand
und zeigte mir die richtige Art des Zünd-
holzanzündens. „Niemals", sagte er,
„streicht man über die ganze Reibfläche,
weil diese dann zu sehr abgenützt wird und
die letzten Hölzchen nicht mehr recht Feuer
fangen wollen. Ulan nimmt vielmehr das
Hölzchen recht knapp, da es sonst leicht
abbricht, und reibt es dann kurz der Breite
der Reibfläche nach an."

wenn ich alle seine guten Ratschläge
befolgt hätte, wäre ich heute ein ver-
drossener Murmelgreis, denn nach ihm
müßte man jeden Handgriff eine Stunde
lang überdenken, ob er auch zweckmäßig
und praktisch ist. Seine Hilfsbereitschaft
ist wirklich beispiellos. Bloß was das
Geld anbelangt, ist er unzugänglich,
wenn er aber bemerkte, daß meine Uhr
um fünf Minuten mit seiner differierte,
nahm er sie unaufgefordert ganz ausein-
ander, putzte jeden Bestandteil und wenn
er sie dann nicht mehr zusammensetzen
konnte, warf er mir einfach das Zeug hin
mit dem Rat, den alten „Zwiefel" weg-
zuwerfen und einen neuen zu kaufen.

An guten Ratschlägen fehlt es in der
Welt wahrlich nicht. Auch die Zeitungen
geben solche an ihre lieben Leser gerne ab.
Da kann man zum Beispiel lernen, wie
man aus altem Zeitungspapier Teppiche
zusammennäht oder wie man aus einem
Ei drei schmackhafte und sättigende Spei-
sen bereiten kann.

Bloß einen Rat hat mir noch niemand
gegeben, obwohl ich eine Menge Leute um
mich habe, die den ganzen Tag an mir
herumnörgeln, nämlich den, wie ich aus
einem alten Semmelkörbel und einem zer-
brochenen Federhalter meiner Frau einen
aparten Winterhut machen kann!

Da ist wohl guter Rat teuer ...

Oie prominenten

..Um 5 Uhr gestartet, um 3 Uhr 21 schon unten, das ist ja
Weltrekord. Fabelhaft!“

..Das ist noch gar nichts! Du solltest das sofort nach Amerika
kabeln. Wenn du um 3 Uhr abgefahren bist, kann es drüben
schon um 2 Uhr in den Zeitungen stehen.“

59
Register
Heino Seitler: Gute Ratschläge
Jörg Wisbeck: Die Prominenten
 
Annotationen