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Vom alten Fritz

ls Friedrich den Großen einmal im
Winter einige Rirschen von seinem Gärt-
ner gebracht wurden, schickte er sie durch
einen seiner Pagen der Rönigin. Unter-
wegs wollte der Page gerne wissen, wie
sie schmeckten. Er versuchte eine und fand
sie so köstlich, daß er sich nicht enthalten
konnte, auch alle übrigen zu essen. Als
der Rönig einige Zeit nachher die Rönigin

besuchte, fragte er sie unter anderen, wie
ihr die Rirschen geschmeckt hatten.
„Welche Rirschen 7", fragte die Rönigin.
„Die ich Ihnen neulich geschickt j-abe."
„Ich habe nichts davon gesehen", ant-
wortete die Rönigin. Der Rönig war sehr
aufgebracht über seinen Pagen und, zu
^ause angekommen, schrieb er an den
wachhabenden Offizier einen Zettel folgen-

den Inhalts: „Lassen Sie den Überbringer
dieses Zettels derb verprügeln", und über-
gab ihn versiegelt dem Pagen zur Besor-
gung. Währenddessen erinnerte sich dieser
an seine Nascherei und fürchtete, der Zettel
möge die Belohnung dafür enthalten,
denn, sagte er sich, der Rönig war heute
früh bei der Rönigin und möglicherweise
ist von den Rirschen gesprochen worden.
Wahrend er noch überlegte, traf er zu-
fällig einen ihm bekannten Juden. „Mein
Lieber", sagte er zu ihm, „tu mir den
Gefallen und bringe den Zettel sofort zur
Hauptwache, ich habe noch mehrere Gange
zu machen und bin sehr in Eile." „Aber
gern", sprach der Jude, „Sie wissen, daß
mir nichts zu viel ist, um Ihnen einen
Gefallen zu tun." Als der wachhabende
Offizier den Zettel gelesen hatte, befahl er,
die Trommel zu bringen. Ganz erschrocken
über diese Vorbereitungen fragte der
Jude, was das heißen solle. „Du wirst es
gleich merken", sagte der Offizier. „Wieso,
ich-" „Jawohl, Bursche, auf Befehl des
Rönigs." „Mein Gott, was habe ich denn
dem Rönig getan, ich habe..." „Rorporal,
tun Sie Ihre Pflicht und geben Sie ihm
20 Stockschlage, dann werden wir sehen,
was sich weiter tun laßt." Worauf der
arme Jude derart geprügelt wurde, daß
er beinahe den Geist ausgab. Anderntags
fragte der Rönig den genannten Offizier
auf der Parade, ob er den Überbringer
des Zettels habe gut durchprügeln lassen.
„Jawohl Sire, dem Befehl gemäß." „Das
kann ich kaum glauben", sagte der Rönig,
der seinen Pagen bemerkte, „sehen Sie
doch wie gut er sich halt." „Majestät wer-
den verzeihen, aber es kann unmöglich
sein, daß er hier ist." „'Zier bitte", sagte
der Rönig und zeigte auf seinen Pagen.
„Ich kann mir nicht helfen, ich sehe ihn
nicht." „Sehen Sie denn nicht meinen
Pagen hier;" „Verzeihung, Sire, dieser
bat die Prügel nicht bekommen." „Wer
denn sonst;" „Ein Jude, Majestät." Der
Rönig konnte sich eines Lächelns nicht ent-
halten, und als er von der Sache unter-
richtet war, erließ er dem Pagen seine
Strafe in Anbetracht seiner Findigkeit
und gewährte dem Juden eine Gnade um
die er ihn einige Zeit vorher angegangen
batte, um seine Schmerzen vergessen zu
lassen.

wahres Geschlchtchen

Ein junger Mann erwacht nach glücklich
durchgeführter Operation aus der Narkose,
steht verstört um sich, richtet sich im Bett
auf und fragt die ihn pflegende, etwas
weichherzig veranlagte Schwester Rlara:
„Wo bin ich:" Beruhigend drückt Schwe-
ster Rlara ihn sanft auf das Rissen zurück:
„Hier im Bett, bei Schwester Rlara."

1938 / JUGEND Nr. 4 / 25. Januar 1938 Einzelpreis 40 Pfennig

Verantwortlich für die Schriftleitung: Fritz Maier-Hartmann, München; für Anzeigen: Karl Schilling, München / Verlag: Karl Schilling- Verlag,
München, Kanalstraße 8, Tel. 27682 / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München 22, Herrnstr. 8—10, Tel. 20763 / Für Herausgabe und Schriftleitung in
Österreich verantwortlich: Dr. Emmerich Morawa i. Fa. Morawa & Co., Wien 1, Wollzeile 11 / Alle Rechte Vorbehalten / Nachdruck strengstens ver-
boten / Copyright by Karl Schilling- Verlag, München / DA. 4. Vj. 37: 4000. Prl. Nr. 3 / Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der „TUGEND”,
Karl Schilling- Verlag, München, Kanalstraße 8, zu richten / Rücksendung erfolgt nur bei beigefügtem Porto / Postort München
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C. Vogt: Die wichtigste Stunde
[nicht signierter Beitrag]: Vom alten Fritz
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
 
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