Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tcn Gästen und gemütlichen Bürgern seinen Braten auf silberner
Platte serviert bekommt und sich mit Behagen einige Glas Bier zu
Gemüte führen kann!

Florian war stolz auf seine beiden Preußinnen, auf denen mancher
bewundernde und interessierte Blick ruhte. Sie trugen gleichartige
Kleider aus dunkelblauem Jerseu mit weißer, plissierter Weste und
Stehbündchen, die Gisela entworfen hatte und die ihre Eigenart
unterstrichen. Er konnte sich mit ihnen schon seben lassen. Behaglich
lehnte er sich in den Stuhl zurück. Sie hatten erst wenige Minuten
miteinander geplaudert, als ein großer, schlanker Herr in mittleren
Jahren erfreut auf Florian zuschoß:

„Grüß Gott, Florian! Siebt man dich endlich — ", er verbeugte
sich vor den Damen.

„Scher dich zum Teufel!", erwiderte Florian seinen Gruß mit
einer Stimme, die an das jüngste Gericht mahnte.

„Darf ich dich bitten, mich der Dame vorzustellen", flüsterte Burck-
hard in höflichem Ton.

„Herr Architekt Burckhard, meine Schwester", machte Barbara
bekannt.

„Mach, daß du wegkommst!", rief Florian verächtlich dazwischen.

„Ach, deine Entwürfe zur ,Union ", besann sich Burckhard und
atmete erleichtert auf.

„Ja, Florian, da bin ich völlig unschuldig. Ich hätte dir gern
einen Dienst erwiesen, aber deine Sachen wurden geradezu einstimmig
abgelehnt. — Sag' doch selbst, hätte ich da etwas für dich tun
können?"

„Js schon gut", nickte Florian.

Burckhard räusperte sich verlegen. Er war jeder Formlosigkeit
abhold.

Eine peinliche Stille trat ein.

„Noch eine Halbe, der Herr?", trat die Kellnerin hinzu.

Einlenkend legte Burckhard dem Freunde die Hand auf die Schul-
ter und bat nochmals, sich mit an den Tisch setzen zu dürfen. Seit
vielen Jahren war er mit Florian befreundet und kannte seine derbe
Art.

„Js mir wurscht", knurrte Florian.

Barbara blickte starr vor sich hin. So weit hatte Florian sich noch
nie gehen lassen. Heute abend schien er entschlossen, sich jede Freiheit
herauszunehmen. Bislang batte er ihr gegenüber wohl eine gewisse
Rücksicht walten lassen. Aber welche Formlosigkeit beute abend!
Gerade heute, wo ihre Schwester da war! Gewiß, glatte und höfliche
Phrasen hatte er ihr gegenüber nie gemacht. Das hätte schließlich
auch schlecht zu seiner herben Männlichkeit gepaßt. Aber er war doch
meist bemüht, nicht zu weit zu geben, nicht gegen die selbstverständ-
lichen Regeln des Anstandes zu verstoßen. Ein paarmal kam er aller-
dings bei jedem Zusammensein stets dicht an die Grenze des Erträg-
lichen heran; und es mußte schon so sein, daß auch Barbara ihm
gewiße Sonderrechte einräumte; denn auf jeden Streit folgte bald
wieder Versöhnung.

„Herr Kommerzienrat Westbagen, Herr Dr. Weber, Herr Rechts-
anwalt Geyer", stellte Burckhard vor.

„Na, laß gut sein", nahm Florian das Gespräch mit Burckhard
wieder auf, während sich die andern Herren mit Gisela und Barbara
angeregt unterhielten, „bald brauche ich deine Protektion nicht mehr."
Westhagen und Dr. Weber befanden sich bereits auf der schattigen
Seite des Lebens; umso mehr wußten sie den Sonnschein der Jugend
zu schätzen und jede frohe Stunde zu genießen. „Eine neue Zeit
bricht an", schloß Florian seinen Satz so laut, daß die andern auf-
horchten. Webers Gesicht bekam einen verärgerten Ausdruck. Er war
überaus schlecht zu sprechen auf die Bewegung und vor allem auf die
S.A., vielleicht weil er in ihr, die durch ihre Tapferkeit bei den
Massen bereits sehr an Volkstümlichkeit gewonnen hatte, eine große
Gefahr sah. Die andern beiden Herren standen der Bewegung durch-
aus positiv gegenüber, gingen aber aus ihrer vornehmen Reserve
nicht heraus.

Der Bildhauer ließ sich nicht beirren. Nun war er einmal im
Zug: „Bald misten wir den ganzen Schweinestall aus!", fuhr er
aufgeregt fort. „Das wird eine Zeit nach meinem Herzen! Ich hasse

dieses weibische Pazifistentum! Wir werden uns unfern Platz an der
Sonne schon wieder erobern! Es wuß doch eine Existenzmöglichkeil
geben! Wir sind jung! Wir können doch etwas! Aber es gibt nur
einen Weg: rücksichtsloses Vorgehen gegen den Feind im eigenen
Land!"

Der Kommerzienrat zeigte ein unbewegliches Gesicht.

Geyer wollte dem Gespräch eine andere Wendung geben und wandte
sich an Seidl: „Meine Frau sagte mir neulich, daß bei Ihrer Frau
Schwester ein neuer Erdenbürger eingetroffen sein müßte: kann man
schon auf den Stammhalter trinken?"

„Drei Wochen lang warten f schon jeden Tag drauf", schimpfte
Florian.

„Kinder, wollen wir nicht ins ,Regina rüber?", schlug Westhagen
vor, dem Barbara und Gisela außerordentlich gefielen. „Sie sind
alle meine Gäste!"

„Das gibt 'ne Mordsviecherei!", rief Florian vergnügt. Um
Barbaras Verwirrung schien er sich heute abend gar nicht zu küm-
mern. Er war in Kampfstimmung, und Barbara gehörte ja auch
jenen Gesellschaftskreisen an, die er bekämpfte und gering achtete.
Er befand sich im Gegenteil in einer Laune, in der er ihr Erschrecken
über seine knorrigen Bemerkungen mit stillem Vergnügen beobachtete.
Sie liebte ihn. Er war überzeugt, sie würde seine Derbheit ver-
wenden. Allmählich mußte sie sich an seine Eigenart gewöhnen.

In aufgeräumter Stimmung vergingen die Stunden im „Regina".
Eine Flasche Sekt folgte der andern. In der allgemeinen Heiterkeit
fiel es nicht einmal Florian auf, daß Barbara immer stiller und
nachdenklicher wurde.

Warum bekamen die Gesichter der Menschen jenen starren, seltsamen
Ausdruck, den sie nun schon kannte, wenn Florian sich ungezwungen
bewegte und urwüchsig drauflosredete? Bestenfalls fand man ihn
interessant; aber sie hatte stets das Empfinden, die andern zogen es
vor, weniger originell zu sein.

„Werde ich tapfer genug sein, die Welt aufzugeben, in der ich
heimisch bin? Werde ich alle Vorurteile fallen lassen?" Gedanken
dieser Art bewegten sie, während sorglose Paare lachend an ihr vorbei-
tanzten.

In vorgerückter Stunde fuhr Westhagen die beiden Damen nach
Hause.

„Bärbel, im ,Franziskaner' war ich ein paarmal nahe daran, auf-
und davonzulaufen", flüsterte Gisela, als sie die Treppe hinauf-
schlichen. „Nun, nachher hatten wir ja wirklich noch einen sehr schönen
Abend durch deinen Bekannten. Die andern haben mir großartig
gefallen.

Wie kommst du nur an Herrn Seidl?"

Ja, wie kam sie an Florian!

Barbara gab keine Antwort.

Ein Schatten legte sich auf ihre Liebe.

*

Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die alma mater hatte ihre
Pforten geschlossen. Barbara war in die Semesterferien gefahren.

Morgens half sie der Mutter im Haushalt. Nach dem Essen saß
sie gewöhnlich mehrere Stunden über ihrer Seminararbeit, während
Gisela Bühnenbilder entwarf und gar nicht an Schulaufgaben dachte.

In den wissenschaftlichen Fächern waren Giselas Leistungen alles
andere als glänzend. Das lag nicht etwa an mangelnder Begabung;
sie brachte den Dingen der Schulweisheit einfach kein Interesse ent-
gegen. Dennoch war sie stets auf Grund hervorragender Leistungen
in den künstlerischen Fächern in die nächste Klasse geschoben worden.

Wieder einmal las sie bis spät in die Nacht hinein mit brennenden
Wangen und klopfendem Herzen im A'i'da-Textbuch und fand lange
keinen Schlaf. (Fortsetzung folgt.)

jeden Tag 1 || Birkenwasser

Qualität ^PCClllß R a s i e r c r e m e

77
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen