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CHEMIE UND KUNST

er der Ansicht ist, daß für den kunst-
beflissenen Chemiker höchstens die Roch-
kunst in Frage komme, den wird Dr.
Albert Roh de eines besseren belehren.
Ein Menschenalter hindurch hat er in den
Laboratorien von Beyer in Leverkusen
gearbeitet, in dem Riesenwerk der I. ®-
Farben-Industrie. Vieles, womit wir uns
farbig und gesund machen, ist zuerst in
seinen Retorten und Reagenzgläsern ent-
standen. Aber nicht genug damit; Dr.
Rohde ist ein Universalgenie. Er spielt jedes
Instrument und leitete viele Jahre hindurch
das Werkorchester in Leverkusen. Außer-
dem ist er Zauberkünstler und Bastler, und
sammelt die ausgefallensten Dinge.

Endlich hat er sich auch mit der Malerei
beschäftigt. Zunächst machte es ihm Spaß,
nach kleinen Wiedergaben alte Meister in
(dl zu kopieren. Lediglich um zu sehen, wie
das wohl ginge. Als er darin keine weite-
ren Schwierigkeiten erblickte, ging er zu
einer eigenen Temperatechnik über, indem

er gewöhnliche Wasserfarben mit Blei-
weißpulver mischte. Ein besonderer Anlaß
dazu bot sich während des Weltkrieges,
als er sich durch giftige Dämpfe seine
Lunge verdorben hatte und zur gründ-
lichen Erholung in die Berge geschickt
werden mußte. Dabei wurde er zum lei-
denschaftlichen Alpinisten. £Ttnt ging er
jedes Jahr von seiner Chemiestadt, mit
ihrem ungeheuren Rohrnetz, ihren
Destillieranlagen und Schornsteinen, in die
reine Luft der Berge. Vor den gewag-
testen Ausstiegen scheute er nicht zurück.

Dr. Rohde kennt die höchsten Punkte
Europas; die Montblanc-Gruppe, die
Bündnerberge, die Dolomiten, das Rar-
wendel und endlich die bayerischen Berge
sind ihm vertraut. Tage- und wochenlang
stieg er durch das Gestein, mit den offenen
Augen des Naturforschers. Dabei entstand
eine Aquarell- und Temperaskizze nach der
andern. Farbkasten und Fotoapparat be-
gleiteten ikn, und wenn eine Naturstudie

nicht an Ort und Stelle zu beenden war,
was jedoch meistens gelang, wurde eine
Ausnahme gemacht, und das Bild an
Hand dieses Protokolls beendet.

Oft begleitete ihn bei diesen Aufstiegen
sein Sohn Lothar, heute ein erfolgreicher
Physiker, der in wenigen Jahren zu Mün-
chen ein weltbekanntes Labor aus dem
Boden stampfte. Aber es ist nicht so ein-
fach, dem Vater Rohde bei diesen Aufstie-
gen zu folgen. Manchem ist dabei schon die
puste ausgegangen. 2luch heute noch kann
man ihn öfter an der Spitze einer 2tnzahl
junger Leute beobachten, die noch schnau-
fend zum Gipfel streben, während der
64jährige bereits friedlich oben sitzt und
malt. Gegenwärtig hat er die Chemie an
den Nagel gehängt und wohnt in Mün-
chen, um seine geliebten Berge in größerer
Nähe zu haben. Und in seinen Schränken
häufen sich die farbigen Blätter, aus
denen mit seltener Klarheit und Frische
die Natur der Berge spricht.

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Albert Rohde: Hochtal
[nicht signierter Beitrag]: Chemie und Kunst
 
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