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..Dös mnaß a R i n d v i e e h sein, daß der ruhig zuasdiaiig’ii ko!“

M. C o r d i e r

Oberkellner Lindgren

Eine Geschichte mit Ehrgeiz / Von H. w. Bürkmayer


ie Saison ließ sich gut an. Ober-
kellner Lindgren vom Hotel Bergström
hatte zufrieden sein können. Er war es
aber ganz und gar nicht. Lindgren war
verliebt. Das war es. In das reizende
Fraulein Wilma, Kaltmamsell und Bon-
kontrolleuse.

Eigentlich ist das Verliebtsein ein glück-
licher Zustand, wenn man aber von dem
Gegenstand der Anbetung einen Korb be-
kommt, dann ist das Unglück fertig.

Und Lindgren bekam eine Abfuhr. „Ein
Oberkellner — pah! Melden Sie sich wie-
der, wenn Sie Hotelbesitzer geworden
sind", bekam er zur Antwort.

Oberkellner Lindgren würdigte dieses
Verlangen. Er selbst hatte gar nicht die
Absicht immer und ewig Kellner zu blei-
ben. Sein Ehrgeiz hing aber auch nicht
daran Hotelier zu spielen. Nein — Lind-
gren wollte viel höher steigen. Er wollte
berühmt werden. Wilmas Korb gab ihm
noch größeren Ansporn dieses Ziel zu
erreichen. So begann er denn einen Ro-
man zu schreiben. In seinen freien Stun-
den natürlich.

Jawohl, einen richtigen Roman mit
allerlei Verwicklungen und aufrührenden
Liebesszenen. Als Titel wählte er: „Der
Duell des Lebens heißt Liebe!"

An dem Tag, an dem Lindgren fein
dichterisches Erzeugnis an einen Verleger
in der Hauptstadt abgesandt hatte,
erlaubte er sich einen zweiten Annähe-
rungsversuch an Fräulein Wilma. „Ich
habe soeben einen Roman fertiggestellt",
sagte er zu ihr in einem Ton, als wäre
Romanschreiben für ihn nicht schwieriger
als Suppe servieren. „Das Werk ist heute
abgegangen."

„Einen Romain Sie haben einen Roman
geschriebene" Fraulein Wilma legte Ehr-
furcht in die Frage. „Da bekommen Sie
doch klotzig viel Geld dafür;"

„Ich hoffe es." Lindgren sagte es mit
Zuversicht im Ton, worauf Fräulein
Wilma nicht umhin konnte das freund-
lichste Gesicht aufzusetzen und des Ober-
kellners Hand „aus Versehen" zu streifen.

Nun, der Roman kam zurück. Lindgren
war aufs tiefste verletzt über die Ableh-

nung, aber doch nicht so sehr, daß er ver-
gaß ihn sofort an einen zweiten Verleger
abzusenden. Der Erfolg war der gleiche,
auch ein dritter und vierter Versuch endete
nicht bester.

Von diesem regen postversand erzählte
Lindgren natürlich nichts seiner Angebe-
teten. Da mittlerweile immerhin sechs
Wochen vergangen waren, wunderte sich
Fräulein Wilma stark, daß sie von der
Romanangelegenheit nichts mehr zu hören
bekam und so sagte sie zu Lindgren eines
Tages geradeheraus: „Das Geld für den
Roman — kommt es bald; Oder haben sie
es am Ende schon;"

„Noch nicht. Aber ich erwarte es täg-
lich." So log Lindgren. In Wirklichkeit
hatte er nichts mehr zu hoffen. Die Ver-
zweiflung erfaßte ihn mit aller Macht,
ließ ihn sogar seine dienstlichen Pflichten
vernachlässigen. Daraufhin Anschnauzer
vom Chef und — da er die öfter von
Fräulein Wilma gestellte Frage nach dem
Geldeingang stets mit Nein beantworten
mußte — auch von dieser Seite respektlose
und wegwerfendste Behandlung.

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Eugène Max Cordier: Zeichnung ohne Titel
Hans Willi Bürkmayer: Oberkellner Lindgren
 
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