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Kleine Geschichten von großen Technikern

Von h e r m a n n Ulbrich - ha n n i b a l

ie Schiffahrtsinteressenten in Bristol
hatten jahrelang die Hasenbehörde be-
stürmt, die Docktore erweitern zu lasten.
Aber immer vergebens.

Da fasste Isambart Ringdom Brunei,
der Vorkämpfer für gigantische und phan-
tastische Ausmaße in der Technik und der
Sohn des kühnen Erbauers des Themse-
tunnels, den Entschluß, Abhilfe zu schaffen.
Er war mit seinem Ruhm, in der „Great
Western" die grösste Eisenbahn geschaffen
zu haben, nicht zufrieden und wollte auch
noch das grösste Schiff der Welt erbauen.
Er ließ daher in einem Dock in Bristol
den Dampfer „Great Western" entstehen.

Eines Tages schickte er einige Ingenieure
zur Rontrollierung verschiedener Ausmaße
des Schiffes in das Dock. Die Ingenieure
entdeckten dabei zu ihrem grossen Schreck,
dass das fast fertige Schiff für das heraus-
schwimmen durch die Docktore viel zu
breit war. Sie wagten zuerst kaum, den
großen Techniker davon zu unterrichten,
mussten sich aber doch schliesslich aufraffen
und Mitteilung davon machen.

Brunel hörte sich die Nachricht mit
einem sardonischen Lächeln an, trat dann
vor seine Ingenieure und sagte: „Und Ihr
kleinen Narren, glaubt wirklich, mir da
eine Neuigkeit zu erzählen- So wisst denn
und schweigt darüber, dass seit Jahren die
ganze Schiffahrt von Bristol den Perücken
der Hasenbehörden wegen Erweiterung
der Docktore in den (Ihren liegt. Ich gebe
euch mein Wort, dass man sie jetzt breiter
machen wird, denn man wird mein Schiff
nicht dahinter verfaulen lasten!"

Die Ingenieure waren über dieses Ge-
waltmittel zur Besiegung der behördlichen
schwerfälligen Widerstande gegen die tech-
nischen Notwendigkeiten verblüfft. Sie
konnten sich aber bald davon überzeugen,
dass die Docks zur Herauslassung des gröss-
ten Dampfers der Welt sehr schnell breitere
Tore erhielten.

*

Als der grosse Ingenieur Robert
Stephenson die Britanniabrücke über den
Menaikanal erbaute, war man überall
gespannt, wie er die zwanzigtausend Zent-
ner schweren Eisenröhren zu heben und
von dem Ufer, wo sie zusammengenietet
worden waren, an ihre Stellen zwischen
die Brückenpfeiler zu transportieren ge-
denke. Denn es waren vorher in der Technik
noch nie solche Aufgaben zu lösen gewesen.

Schliesslich fragte ihn jemand danach.
Stephenson steckte eine Hand in die Tasche,
lächelte geheimnisvoll lind sagte: „Ich
denke mir dazu den Mond als handlanger

zu engagieren." Damit wurde die Ange-
legenheit noch rätselhafter.

Als die Riesenröhren dann benötigt wur-
den, ließ Stephenson wahrend der Ebbe
Pontons unter sie bringen, ließ die Pon-
tons mit den Röhren von der Flut heben
und sie mit der Strömung der Flut zwi-
schen die Bückenpfeiler bringen.

Er hatte sich in der Tat den Mond als
Helfer geholt — da die Anziehungskraft
des Mondes ja Ebbe und Flut bewirkt —
und seitdem hat der Mond bei vielen
grossen Brückenbauten handlanger spielen
müssen.

*

Als Samuel Tlegg zur Einführung der
Gasbeleuchtung einen Gasometer batte
erbauen lasten und mit dem „Lichtverkauf"
beginnen wollte, machten einige Gelehrte
den Magistrat von London darauf auf-
merksam, dass der Gasometer voll Gas
gefährlicher sei als wenn er Schießpulver
enthielte und dass das Gas durch das
kleinste Loch in der Blechwand Feuer fan-
gen und eine grosse Explosion verursachen
könne.

Daraufhin wurde Tlegg verboten, auch
nur eine einzige Flamme anzuzünden.

Er wollte aber nicht sein Schaffen auf
diese weise beendet sehen. Er lud die Ge-
lehrten und die Magistratspersonen zu
einem Frühstück ein und führte sie anschlie-
ßend durch sein Werk. Als seine Gaste
alle im Gasometerhause versammelt
waren, ließ er die Türen schließen, ergriff
eine Spitzaxt und schlug ein fußlanges

Loch in die Gasometerwand. Dann zündete
er den ausströmenden starken Gasstrahl
an. Die Flammen schlugen bis gegen das
Dach. Die Zuschauer schrieen und wollten
flüchten. Aber Tlegg ließ nicht eher die
Türen öffnen, als bis der Gasometer leer
gebrannt und zusammengesunken war.

Er hatte die Herren auf Rosten ihrer
Nerven davon überzeugt, daß nicht „der
kleinste Funke" durch das kleinste Loch
einen Gasometer in die Luft zu sprengen
vermag.

Ein Jahr spater brannten die ersten
Gaslampen in den Straßen Londons.

*

Als George pullman den ihm vor-
schwebenden Schlafwagen erbauen wollte,
kümmerte er sich nicht um die Eisenbahn-
verhaltniffe, sondern gestaltete den wagen
gerade so, wie er es dachte.

Er erbaute seinen Schlafwagen länger,
breiter und höher als die Eisenbahnwagen
bisher waren und kümmerte sich auch nicht
darum, dass dieser wagen, den er den
„Pionier" nannte, fünfmal soviel kostete,
als der beste Eisenbahnwagen jemals ge-
kostet hatte.

Die Eisenbahnfachleute betrachteten sich
interessiert seinen Schlafwagen, sagten
pullman dann aber lächelnd und herab-
lassend, daß sein wagen zu breit für die
Bahnsteige und zu hoch für die Brücken
sei.

Darauf hatte der kleine Mechaniker
gerade gewartet. Er sagte ihnen ganz
dreist: „Dann ändert die Bahnsteige und
die Brücken."

Einige Monate später waren die Bahn-
steige und Brücken aus einer Strecke so
abgeändert, dass der „Pionier" seine erste
Fahrt ausführen konnte.

Haubcr

„Schau mal, Eugenie, hier betrügt das Urtierchen seine Frau
mit einem Staphylokokkus.“

1^38^ JUGEND Nr. 6/8. Februar 1938 Einzelpreis 40 Pfennig

Verantwortlich für die Schriftleitung: Fritz Maier-Hartmann, München; für Anzeigen: Karl Schilling, München / Verlag: Karl Schilling- Verlag,
München, Kanalstraße 8, Tel. 27682 / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München 22, Herrnstr. 8—10, Tel. 20763 / Für Herausgabe und Schriftleitung in
Österreich verantwortlich: Dr. Emmerich Morawa i. Fa. Morawa & Co., Wien 1, Wollzeile 11 / Alle Rechte Vorbehalten / Nachdruck strengstens ver-
boten / Copyright by Karl Schilling- Verlag, München / DA. 4. Vj. 37: 4000. Prl. Nr. 3 / Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der ,,TUGEND",
Karl Schilling- Verlag, München, Kanalstraße 8, zu richten / Rücksendung erfolgt nur bei beigefügtem Porto / Postort München
Register
Franz F. Hauber: Zeichnung ohne Titel
Hermann Ulbrich-Hannibal: Kleine Geschichten von großen Technikern
 
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