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Der Ba u in

„Erzähle mir etwas von dir, Blonde!"
Aber Blonde wich aus, ihre Augen sahen
starr in die Nacht: „Ich darf dir von mir
nichts sagen" und nach einer weile ganz
leise: wir werden uns nie wieder sehen."

Begehrend zog Hansen die blonde Frau
an sich, Heiß und verlangend erwiderte
sie seine Rüste. Dann aber löste sie sich
aus seinen Armen und legte ihm ihre
weiche Hand auf die Stirn und sah ihn an
— Mit einem hastigen „Gute Nacht!",
lies sie aus einmal davon.

Bevor Hansen sie einholen konnte, hatte
sie die Tür hinter sich geschlossen. Ein
Schlüssel drehte sich. „Blonde — Blonde!"
Gardinen rauschten leise. Tiefe Stille
dann — Hansen wartete.

Am anderen Morgen wanderten Hansen
und Blonde die Apenstraße hinauf. Tief
unter ihnen lag der See im Morgenglanze.
Langsam und sinnend schritten beide
dahin, „werde ich heute erfahren, wer du
bist, Blondem"

Blonde aber blickte still vor stch hin.

Bei der Tellkapelle bestiegen sie das
Schiff und fuhren dem offenen See zu.

H.

In Vitznau machten ste Mittagsrast. Bei
Tische fiel Blondes Blick auf den Flügel
im Salon. Nach dem Essen ging sie hin-
über. Und Melodien rauschten auf, so
herrlich und hingebend, daß Hansen in
Bewunderung versank.

Die Zeit mahnte zum Aufbruch. Hansen
trat zu Blonde. Da stand sie auf und sah
ihn leuchtenden Blickes an. „Blonde, wie
soll ich dir das danken-!" Aber Blonde
schüttelte den Ropf: „Ietzt nicht von
Dank sprechen."

Luzern kam mit kurzem Aufenthalt. In
Zürich stiegen sie auf einem Vorortbahn-
hof aus und gingen den entlang und durch
die Stadt zum Hauptbahnhof — zwei
Glückliche. Und dann fuhren sie wieder
dem Bodensee entgegen, und je tiefer der
Tag sank und sie dem Ziele naher kamen,
desto schweigsamer wurde Blonde. Mit
ihren blauen Augen blickte sie oft Hansen
an. Hansen sprach von einem Wieder-
sehen am nächsten Tage; aber Blonde
sagte, daß sie schon am Morgen wegfahren
müsse.

„Und ich soll dich nie wieder sehen,

S c h ö 11 1 e b e r f

Blonde- Und schreiben darf ich dir auch
nichts" Hansen bat; immer wieder sagte
Blonde: „Es darf nicht sein!"

Romanshorn! Blonde verließ den Zug,
um nach Friedrichshafen hinüberzufahren.
Es war ein weher Abschied. Mit feuchten
Augen sah sie dem Zuge nach. — Da wußte
Hansen, daß er etwas Unwiederbringliches
zurücklassen mußte, einen Menschen für
sein Leben. Zu spat — dahin —

In dunkler Nacht kam Hansen in
Lindau an. Da stand er am Hafen und
wußte nicht, was beginnen. Das Erleben
der beiden Tage war so groß in ihm, daß
er den weg ins Zurück nicht wiederfand.
Über dem See glanzte der Mond — wie
gestern, als er Blonde küßte.

Am nächsten Abend verließ auch Hansen
den Bodensee. Mit ihm ging das Bild
der schönen Frau, die er Blonde geheißen,
weil sie so goldblonden war — wie ein
rechtes Sonnenkind. Arbeit nahm ihn auf,
aber er konnte Blonde nicht vergessen. Da
kam nach Wochen ein Brief:

„— — — und bin an jenem Abend
noch von Friedrichshafen nach Lindau

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Hans Otto Schönleber: Der Baum
 
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