Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Allerlei von Zwölf bis Dreizehn!

Bismarck und der Komiker
cy

rOm Jahre i§dz hatte sich ein preußischer
Abgeordneter sehr ereifert, weil Bismarck
anläßlich seiner Rede nicht im Sitzungssaal
anwesend war. Bismarck dem dies mit-
geteilt wurde, meldete sich nach seiner
Rückkehr zu Wort und sagte: „Es ist nicht
nötig mich zu rufen. Ich höre auch im
Nebenzimmer eine so laute Stimme wie
diese!"

Im wallnertheater fand nun einige
Tage nachher die Uraufführung einer
poffe statt, der auch der Reichskanzler bei-
wohnte. Die Hauptrolle wurde von dem
berühmten Komiker Helmerding darge-
stellt, der einen stürmischen Beifall fand.
Trotz heftigsten Klatschens und Hervor-
rufens erschien dieser jedoch nicht vor der
Rampe. Als der Applaus jedoch kein Ende
nehmen wollte, trat er vor die Rampe
und sagte: „Es ist nicht nötig, mich zu
rufen. Ich höre auch hinter der Tür alles,
was vorgeht!"

Bismarck beteiligte sich lebhaft an dem
darauffolgenden Beifall und zeichnete
Helmerding durch seine persönliche Gra-
tulation aus. R. w.-w.

Unpraktisch

^err Reischle aus Eßlingen war mit
seiner siebzehnjährigen Tochter in den
bayerischen Bergen. Auf der Rückreise
wird in München Station gemacht. Auf
einem Gang durch die Geschäftsstraßen
bewundert Herr Reischle in der Auslage
eines Möbelgeschäftes ein weißes Tochter-
zimmer. Besonders das Bett findet er
prachtvoll. Es ist in hochmodernem Stil
gehalten, die beiden Seitenbretter liegen
ganz auf dem Boden auf.

„Gell, Urschl", meint der Vater zur
Tochter, das tat biv au g'falle."

Der Urschl gefällt es aber nicht. Sie
sagt: „Noi, in dem Bett hätt' i ja allweil
Angscht."

Das begreift der Vater nicht. „Angscht?
wia ka ma in am sella nobla Bett
Angscht Haber"

,/Ha no", klärt ihn Urschl auf, „da
kennt L ja net nunterluaga ob oiner drunt-
l'egt." w. B.

Geistesgegenwärtig

tranatzki, der Lieblingskomiker der
wiener des beginnenden )9. Jahrhunderts
trat )7rö letztmalig auf und beschloß aus
diesem Anlaß seinem Publikum anläßlich
seiner Abschiedsfeier seinen Nachfolger vor-

zustellen. Er trat vor die Bühne und
sprach als Schlußsatz seiner Dankesrede
folgendes: „Erlauben Sie mir, daß ich
Ihnen hiermit meinen Nachfolger vor-
stelle. Ich weiß keinen Tauglicheren und
erbitte ihre Gnade für diesen." Die An-
hänger Stranitzkis wollten jedoch ihren
Liebling nicht scheiden lasten und keine
Hand rührte sich zum Empfang des Neu-
lings. Dieser wäre nun vom Anfang an
unmöglich gewesen, wenn er nicht geistes-
gegenwärtig niedergekniet wäre und mit
urkomischer weinerlichen Stimme ausge-
rufen hätte: „Ich bitt' ihnen um alles in
der Welt, gnädige Herren, lachen's doch
über mich." Dies wirkte derart erheiternd,
daß der ganze Saal Ln einen ohrenbetäu-
benden Applaus ausbrach. Damit hatte
sich der Neuling auf das Beste beim
Publikum eingeführt, das sich noch viele
Jahre an der Komik Gottfried Prehausers,
denn dieser war der Bittsteller, erfreuen
sollte. —

Kampf dem Verderb

Eine Brahms-Anekdote

ohannes Brahms war ein starker
Raucher, aber sehr sparsam. So rauchte
er denn meist eine billige Marke, Nur,
wenn er besonders festlich gestimmt war,
griff er zu einer Packung echter Ägypter.

Einst besuchte ihn ein junger Komponist
und bat ihn, eine seiner Kompositionen
anzuhören und zu beurteilen. Die Arbeit
war über Erwarten gut und, da der junge
Mann auch sonst den besten Eindruck auf
den Meister machte, bot ihm Brahms eine
seiner guten Ägypter an.

Erfreut bedankte sich dieser und steckte
die Zigarette in die Tasche.

Brahms schaute verblüfft zu.

„wollen Sie die Zigarette denn nicht
rauchen", fragte er und seine Großzügig-
keit begann ihn zu reuen. „Sind Sie etwa
Nichtrauchern"

„Das nicht", gestand der junge Mann,
„die möchte ich mir aber zum Andenken
aufbewahren, denn man bekommt nicht
alle Tage eine Zigarette von Johannes
Brahms."

Da holte dieser seine Zigarettendose
wieder hervor und grollte:

„Dann geben Sie nur die gute Ägypterin
wieder her, dafür tut's auch eine Sport."

Th. M.

Rauen Sie schon?

Von ^eino ©eitle t*

guten Zeiten sind vorbei, ich habe
geheiratet, wenn man verheiratet ist,
gibt es auf einmal eine Menge Dinge,
von deren Existenz man als Junggeselle
keine Ahnung hat. So gibt es zum Bei-
spiel weiße Vorhänge und seidene Lam-
penschirme, auf die ich sonst im Leben
niemals geachtet habe. Das komische an
diesen Gegenständen ist aber, daß sie keinen
Rauch vertragen. Und da ich die Ge-
wohnheit habe zu rauchen, durfte ich es
auf einmal wegen dieser Dinge nicht.
Schließlich sind verschwiegene Orte, an
welchen die Hausfrau das „Dampfen"
gestattet, keine Räumlichkeiten, die man
als starker Raucher gewillt ist, immer-
während auszusuchen.

Mein Gemütszustand war also ein
miserabler. Da siel mir eines Tages wie
eine richtige Offenbarung ein Plakat in
die Augen, das die warme Frage an die
ahnungslosen Paffanten richtete: „Kauen
Sie schon? Kaugummi, der Erlöser vom
Tabakübel!"

Sinnend schritt ich weiter und erstand
in der nächsten Drogerie eine Packung
jener Masse, die, wenn alle Männer meine
Frau haben würden und wenn nicht ein
Umstand eingetreten wäre, der mich wie-
der vom Kauen befreite, eine ungeheure
Zukunft haben müßte. Bis zum Abend
kaute ich mich heldenhaft durch.

Der Kaugummi hatte durch seine
Zähigkeit gesiegt. Niemand rauchte mehr,
alles kaute, welch eine schauderhafte
Verwirrung unter der Menschheit. Einer
konnte den anderen wie beim Turmbau
von Babel nicht mehr verstehen. Beim
Telefon natürlich schon gar nicht. Es
kam dadurch zu den fürchterlichsten Irr-
tümern. Die Zahntechniker verhungerten.
Kein Mensch ließ sich ein Gebiß machen,
da es beim Kauen immer an der Zunge
picken blieb und herausfiel. Die Statistik
der Beinbrüche wies eine noch nie dage-
wesene hohe Zahl auf, denn die ausgekau-
ten Gummitabletten lagen wie zertretene
Kaulquappen auf der Straße herum,
was hatten doch die Zigarrenstummel
und Zigarettentschicks dagegen für einen
ästhetischen Anblick geboten!

Die wirtschaftspolizei beschäftigte sich
fieberhaft mit einigen Kaugummischwind-
lern. Diese sprachen die Leute auf der
Straße an: „Darf ich um ihren ausge-
kauten Gummi bitten? Ich bin schon
25 Jahre arbeitslos!" Sie erzeugten dann
aus der erbettelten Maffe wieder Tablet-
ten, die sie billig in den Handel brachten. —

Da erfaßte mich ein maßloser Ekel und
ich spuckte! Erwachte jedoch gleich durch
eine Ohrfeige.

Ich war mit einem Stück Kaugummi
im Mund eingeschlafen und hatte beim
Spucken meine Frau getroffen ...

Hurrah! Ich darf wieder rauchen!

104
Register
[nicht signierter Beitrag]: Allerlei von Zwölf bis Dreizehn!
Ros.: Vignette
 
Annotationen