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M a c o n

H ast du ui e i n e bess e r c Hälfte 2’ese li e n ?“

Ein guter Rat

on F ritzi Ertle r

ans Raumann, der Buchhalter des
Geschäftes für moderne Damenhüte, ist
denkbar schlechter Laune. Gerade er muss
sich in einem Betrieb sein Brot verdienen,
in dem eine Frau das große Regiment
führt, wie sie heute wieder genörgelt hat,
das spindeldürre Fraulein Thef. Lichts
konnte ihr Raumann recht machen, selbst
die Briefe, die er der kleinen Rontoristin
diktiert hat, waren von ihr als „schlecht"
und als „Stilübungen für Mittelschüler"
kritisiert worden. Lange hat Raumann
die Launen der Gnädigen ausgehalten, bis
er endlich wütend von seinem erhöhten
Sitz heruntergesprungen und durch die
Reihen der Modistinnen, die mit gesenkten
Ropfen und verdrossenen Gesichtern über
ihrer Arbeit saßen, davon gestürmt ist.

„Nie wieder unter der Direktion eines
Weibes arbeiten!" Raumann hat eine
Wut in sich, wenn er nur irgend etwas
zur Hand gehabt hatte um es an die
Mauer zu werfen, oder noch bester, dem
Fraulein Chef an den Ropf. was soll er
jetzt eigentlich tun; Zurückgehen in die
Weiberwirtschaft und der Gewaltigen ein-
mal gehörig seine Meinung sagen. Aber
das war gar nicht so einfach! wenn er
das wirklich wagt, dann ist seine Tätigkeit
in der Firma beendet und es ist schwer für
einen Mann der einige hundert Mark
Gehalt beansprucht und die Fünfzig schon
überschritten hat, wieder eine passende
Stellung zu finden. Aber etwas muß ge-

schehen! Lange sitzt Raumann grübelnd in
einem Weinrestaurant und versucht, aber
ohne Erfolg, seinen Groll hinunterzuspü-
len. Schließlich verlaßt er etwas schwan-
kend die Gaststätte und überquert die
Straße.

Grelle Hupenzeichen lasten Raumann
aufsehen. „Mensch, können Sie denn nicht
vorsichtig sein", schimpft ein Rraftwagen-
führer wütend aus dem wagen, „läuft
mir hier direkt in das Auto! wenn ich Sie
überfahre kann ich mich einsperren lasten,
weil Sie die Augen nicht aufmachen!"

Raumann sieht auf! Direkt vor ihm
steht das Auto. Da reißt er plötzlich die
Türe des Mietautos auf und springt in
den leeren wagen.

Erstaunt schaut der Fahrer zurück,
„wohin wollen Sie benn;", fragte er dann.

„Fahren Sie nur zu!"

Der Wagenlenker schüttelt den Ropf. Er
ist dazu da, die Leute zu befördern, aber
er muß doch schließlich wissen, wohin diese
fahren wollen, „wohin wollen Sie denn
fahren;", fragt er nochmals.

„Fahr' doch nur endlich einmal zu, wo-
hin du fährst ist mir ganz gleich, meinet-
wegen zum Teufel und seiner Groß-
mutter", tönt er unwirsch aus dem wagen.

Der Fahrer schmunzelt. Er ist ein guter
Menschenkenner und er hat seinem Fahr-
gast auf den ersten Blick angesehen, daß
dieser eine Riesenwut in sich hat, die nach
einem Ventil sucht, „wahrscheinlich wie-

der ein Frauenzimmer das ihn so geärgert
hat", knurrt der Fahrer vor sich hin. „Mir
hat ja meine Alte heut' auch schon die
Hölle heiß gemacht!" Dann fährt er los.
Durch die schönsten Anlagen der Stadt
fährt er seinen Gast vorbei an den herr-
lichsten Denkmälern, aber der Mann im
Wagen rührt sich nicht. Endlich wird es
dem Fahrer doch zu bunt und als die Zahl-
uhr bereits die Glückszahl „Sieben" zeigt,
da hält er mit einem Ruck den Wagen an.
„Jetzt müssen Sie mir schon sagen, wohin
Sie eigentlich wollen", ruft er zurück in
den wagen, „der Spaß kostet schon sieben
Mark, haben Sie denn überhaupt so viel
Geld bei sich;"

Raumann sieht auf. Düster ruht sein
Blick auf dem Gesicht des Fahrers. „Ich
sage dir Freund, wenn ich ein Vogel wäre,
hup, ich flöge nach dem Süden und käme
nie wieder zurück!", philosophierte er.

Der Fahrer nickt tiefsinnig. „Sie sind
aber ein Mann und kein Vogel", meint er
dann bedächtig. „Hat Ihna denn Ihre
Alte so verkrüppelt!"

„Gott bewahre, das würde mir auch
noch fehlen, daß ich so einen Drachen ganz
inein Eigen nennen müßte", höhnt Rau-
mann. Aber es ist auch so schlimm genug.
Ich arbeite unter der Direktion einer
Frau — und was für einer Frau. Alt,
spindeldürr und boshaft, Hup, Freund,
weißt du Freund, was ich für ein armer
geschlagener Mann bin;

Stelle dir einmal vor, wenn ich mir von
der Alten nicht alles gefallen laß, dann bin
ich brotlos, dann wirft sie mich hinaus,
hup, kannst du jetzt mein Elend begreifen,
Freund;"

//Ja", sagt der Fahrer im Brustton der
Überzeugung. „Armer Mann!" Dann
schmunzelt er plötzlich, „wie alt ist sie
denn, die Beißzange, bei der Sie arbei-
ten;", forschte er.

„Siebzig Jahre, weniger achtundzwan-
zig", entgegnet Raumann.

„Und Sie Herr, wie alt sind Sie;"

„Zweiundfünfzig Jahre!"

„Also im besten Mannesalter", stellt der
Fahrer zufrieden fest, „Da geb' ich Ihnen
einen Rat: wenn Sie jetzt wieder richtig
kneift, die Alte, dann laufen Sie nicht da-
von, sondern bleiben ganz ruhig und wenn
sie abends die Post unterschreibt, dann
küssen sie ihr einmal verstohlen den
Scheitel, oder die Hand, na, Sie wissen
doch was ich meine, einem alten Hasen
brauch' ich doch das Laufen nicht mehr zu
lernen!"

Eine weile sieht Raumann den Fahrer
ratlos an. Dann schüttelt er sich. „Ich
verstehe dich, Freund, aber das übersteigt
meine Rraft!"

„Ja, der Existenzkampf ist hart", seufzt
jetzt auch der Fahrer. „Aber später kön-
nen Sie ihr dann den Herrn zeigen, wenn
— na das geht mich alles nichts mehr an,
ich Hab' Ihnen nur einen guten Rat geben
wollen. Bin schon seit dreißig Jahr ver-
heiratet, da kennt man sich aus mit den

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Register
Fritzi Ertler: Ein guter Rat
Julius Macon: Zeichnung ohne Titel
 
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