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„Gewiß", log sie, wobei sie dennoch die
Wahrheit sagte, „ich habe die Raffeln als
Pfand erhalten."

Am anderen Tage wurde das Baja-
derenkostüm mitsamt den echten, goldenen
Raffeln im Maskenverleib wieder abge-
liefert.

*

Nicht lange, und das Kostüm wurde
wieder gewählt. Diesmal war es eine
junge Friseuse, die es sich auslieh. Sie
besorgte es während der Mittagszeit und
brachte es nach Hause, wo ihre kleine
Schwester beim Auspacken half und runde
Augen machte.

Nachmittags, als Paula im Geschäft
war und die Mutter auf dem Speicher-
Wäsche aufhängte, schlich die neunjährige
Elli in die gute Stube, wo das Masken-
kostüm bereitgelegt war. Sie setzte den
blauen Turban auf, hängte die goldenen
Raffeln an ihre eigenen kleinen Ohrringe
und lief damit auf die Straße hinaus.

Bald wurde sie hier von einer Schul-
freundin entdeckt und ausgiebig bewun-
dert.

„Komm doch mit zu uns hinauf", bat
die Freundin. Und Elli ging mit.

Sie wurde von den beiden Brüdern der
Freundin mit Gebrüll empfangen. Die
Knaben bettelten so lange um den blitzen-
den Schmuck, bis Elli nachgab und die
Raffeln herunternahm.

Die Jungen jauchzten. Sie schmierten
sich Ruß ins Gesicht, schraubten die
Raffeln in die Plasen, bewaffneten sich mit
Besen und Feuerhaken und spielen Neger-
häuptlinge.

Später, als Elli aufbrach, mußte sie die
Raffeln mit dem Taschentuch erst wieder
säubern. Sie waren voll Ruß und
Schmutz.

Zu Hause legte sie alles genau so hin,
wie sie es weggenommen hatte. Und als
Paula vom Geschäft heimkam, merkte sie
nicht das geringste. Sie aß schnell, zog sich
um, machte sich schon, und eilte mit den
goldenen Raffeln davon, die unruhig um
ihr Gesicht schwangen.

„Ah, Fräulein Paula, Sie auch hier?",
wurde sie von dem jungen Reiser begrüßt,
der seit kurzem das große Damenfriseur-
geschäft seines Vaters übernommen batte
„Sie sehen wirklich raffig aus mit Ibren
langen Ohrgehängen!", fuhr er fort.
„Gut, daß ich Sie treffe. Ich wollte
Ihnen nämlich schon länger mal sagen,
daß Sie ein nettes Mädchen sind! Nächsten
Sonntag geht's wieder ins Gebirge zum
Schiläufen, es fehlt bloß noch jemand —"

Hier setzte die Musik ein, und die wei-
teren Worte gingen unter im großen
Rauschen. —

„Denke dir, Mutter", sagte Paula am
anderen Morgen, ehe sie ins Geschäft
ging, ich habe gestern mit den langen
Ohrgehängen eine Eroberung gemacht!

Der junge Reiser hat mich zum Schi-
fahren ins Gebirge eingeladen. In allen ~~
Ehren, hat er gesagt. Ich erzähle dir

alles, wenn ich mittags heimkomme. Und
sorg dafür, daß die Elli das Masken-
kostüm zurückbringt. Bezahlt ist es schon!"

*

Am gleichen Tage holte Frau Marten
ihre jüngere Schwester, die ihren Besuch
angemeldet hatte, vom Bahnhof ab.

„Um ganz offen zu sein", sagte Inge,
als die ersten Neuigkeiten ausgetauscht
waren, „muß ich gestehen, daß mein
'Rommen noch einen anderen Zweck hat. —
Ich will heute mit dem Kunstmaler
Geyer, den ich voriges Jahr bei euch ken-
nenlernte, das Gauklerfest besuchen.
Geyer ist ein feiner Kerl. Er holt mich
halb acht bei euch ab. Ich hoffe, du hast
nichts dagegen. — Und dann, liebe Hed-
wig, mochte ich dich bitten, mir deine
spanische Tracht zu leihen. Ich habe
nämlich nichts zum Anziehen."

Frau Marten, die ihre jüngere Schwe-
ster besonders ins Herz geschloffen batte,
sagte zu allem ja und amen.

Cordier

J u h u !

„Mein Spanisches ist fadenscheinig ge-
worden", sagte sie, „aber ich werde dir
ein hübsches orientalisches Kostüm besor-
gen, das ich unlängst selbst getragen habe.
Und weil du es bist, will ich dir aus-
nabmsweise meine goldenen Ohrgehänge
leihen!" Und sie trat in die nächste Tele-
phonzelle und ries den Maskenverleih an.

„Jawohl, gnädige Frau", sagte der Be-
sitzer, „das orientalische Seidenkostüm ist
frei. Es wird eben gereinigt und kann bis
sieben Uhr zugestellt werden."

Zu gleicher Zeit mit dem Boten, der
das Kostüm ablieferte, fand sich ein
Freund von Dr. Marten mit Frau und
Tochter ein.

„Ich bin auf der Durchreise", erklärte
er, „und da wollte ich nicht versäumen,
meinem alten Kameraden die Hand zu
drücken."

Frau Marten versicherte, daß ibr Mann
bald nach Hause käme.

Und sie und Inge leisteten den Gästen
Gesellschaft, während Minna Erfrischun-
gen herumreichte.

Dann zog Frau Marten das Haus-
mädchen beiseite.

„Minna", sagte sie, „packen Sie inzwi-
schen das Maskenkostüm für meine
Schwester aus und legen Sie alles bereit,
auch meine Ohrgehänge. Sie befinden sich
in: Schmuckkästchen in der rechten oberen
Schreibtischlade, Hier ist der Schlüffel."

Minna tat, wie ihr geheißen. Sie rich-
tete alles her, und legte die unechten
Raffeln, die im Schmuckkästchen der
gnädigen Frau waren, neben die echten,
die der Maskenverleiher mitgeschickt
hatte.

Gleich darauf erschien Inge und klei-
dete sich um. Und zuletzt schraubte sie,
strablend vor Freude, die herrlichen gol-
denen Gehänge ins Ohr.

„Schon siehst du aus:", sagte Frau
Marten, die für einige Augenblicke ins
Zimmer kam. „Nur gib gut acht auf den
Schmuck! Daß ja nichts verlorengeht! Ich
wäre untröstlich.

Damit endete der Ausflug der goldenen
Raffeln, ohne daß jemand davon erfuhr.
Am anderen Tage gelangten beide Teile
wieder in Besitz ihres Eigentums: Frau
Marten verschloß die echten Raffeln, und
der Maskenverleiber die unechten.

Liebe fugend!

„... aber, liebe Frau, lassen Sie mich
doch endlich mit Ihren ewigen Klagen,
daß Sie zuviel Knochen beim Fleisch be-
kommen, in Ruhe:... Sie haben Knochen,
ich habe Knochen, überhaupt — jedes
Rindvieh hat Knochen." F. S.

Irisches Bier

„wissen Sie, Herr Gastwirt, vorigen
Sonntag hat mir aber das Bier bei
Ihnen viel bester geschmeckt."

„Das verstehe ich nicht... das ist doch
vom selben Faß:" F. S.

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Register
Eugène Max Cordier: Juhu!
F. S.: Frisches Bier
F. S.: Liebe Jugend!
 
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