eine Schicht zähen lichtechten Papieres
zwischen Holz und Malgrund liegt, haben
sich als besonders haltbar erwiesen, und
Edmund Steppes hat seine Maltechnik
auf Grund dieser Erfahrungen aufgebaut.
Mit unermüdlichem Fleiß bat er sich die
Mittel erarbeitet, die ihm den unbeschwer-
ten Ausdruck seiner Persönlichkeit ermög-
lichen. Denn Kunst ist ihm die innere
Klärung und Reinigung der Rünstler-
persönlichkeit, die durch alle Schicksale
hindurch sich treu bleibt. In der Rein-
beit der eigenen Seele gibt der Künstler
durch sein Werk eine unbewußte Ver-
herrlichung des Volkscharakters. So darf
Edmund Steppes sich in der Reinheit und
zeitlosen Tiefe seiner Runst mit Stolz
einen deutschen Künstler nennen.
Vergnügungsreise
„Nun Herr Rollege, wie haben Sie sich
in den bayerischen Alpen amüsiert-"
„Ausgezeichnet! — Ich habe an den
sogenannten Marterln genau zweihundert-
dreiundfünfzig orthographische Fehler
korrigiert!"
Teueres vergnügen
„Sie haben zugestandenerweise Herrn
Goldental einen Erzschwindler geheißen.
Haben Sie sonst noch etwas hinzuzufügen,
Angeklagter y"
„Zuzufügen hatte ich noch allerhand,
Herr Richter, aber es kommt mir zu
teuer!"
Großmutter von Heute
Von R a r l Gideon G ö s s e l e
Schauplatz: Die Elektrische.
Zeit: Sonntag zwischen S und o Uhr früh.
in altes Mütterchen steigt ein und
setzt sich auf den einzigen noch freien Platz
mir gegenüber. Ihr Gesicht ist durchfurcht
von Sorgenfalten, die Haare sind schloh-
weiß, die Hände abgearbeitet und' ver-
trocknet. Aber die Augen sind klar und
auf der Höhe. Sie luchsen überall herum
und sehen alles, was vor sich geht.
An: Arm des Mütterchens hangt eine
riesengroße Handtasche, echt Rindleder
versteht sich, aber Modell 1600, ich glaube,
damals kam gerade der Jugendstil auf.
Aus dieser Zeit mußte auch der Rübel von
Hut stammen, der des Mütterchens Ropf
bedeckte. Der grünliche Mantel vom
vielen waschen eingelaufen, konnte eben-
falls nicht viel jünger sein.
Das Mütterchen holte eine große
Brille aus der dunklen Öffnung der Hand-
tasche und setzte sie sich umständlich auf
die Nase. Dann holte sie ein Buch heraus.
Sie hielt es sich dicht vor die Augen und
anscheinend mit Eifer begann sie die
geistige Nahrung zu sich zu nehmen, denn
ihre Lippen bewegten sich, während sie
las. Ich schloß aus dem ganzen Gehaben
des Mütterchens auf ein Gebetbuch. Ich
wollte meinen Augen nicht trauen, als ich
auf dem Buchdeckel, der mir zugekehrt
war, den Titel las: „Kleine italienische
Sprachlehre zum Selbstunterricht." Ich
kann wohl sagen, ich war erstaunt.
Noch größer aber wurde mein Erstau-
nen, als das Mütterchen nach einiger Zeit
die „Kleine italienische Sprachlehre zum
Selbstunterricht" wieder wegsteckte und
statt dessen ein umfangreiches Notizbuch
aus ihrer Handtasche hervorkramte, das
mit zittriger Schrift fast ganz vollge-
kritzelt war und dem man die starke Be-
nutzung auf den ersten Blick ansah. Ich
stellte fest, daß auf der einen Hälfte jeder
Seite italienische Vokabeln standen und
auf der andern Seite jeweils ihre Bedeu-
tung in Deutsch. Das Mütterchen legte
sich dann auch ihr selbstgeschriebenes Vo-
kabelheftchen auf die Knie, lernte Voka-
beln wie ein kleines Schulmädchen, hielt
die eine Hälfte der Seite mit der Hand
zu und hörte stch selbst ab. Ich war be-
geistert wie selten.
Nun einmal neugierig geworden, wollte
ich auch den Grund wissen, weshalb eine
Greisin, die ich hoch in den Sechzigern
schätzte, sich noch der Mühe unterzog,
eine fremde Sprache zu lernen und woher
sie die Schwungkraft nahm, dieses schwie-
rige Unternehmen durchzuführen. Daher
fragte ich das Mütterchen, als es einmal
von^ Lernen gerade aufsah:
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zwischen Holz und Malgrund liegt, haben
sich als besonders haltbar erwiesen, und
Edmund Steppes hat seine Maltechnik
auf Grund dieser Erfahrungen aufgebaut.
Mit unermüdlichem Fleiß bat er sich die
Mittel erarbeitet, die ihm den unbeschwer-
ten Ausdruck seiner Persönlichkeit ermög-
lichen. Denn Kunst ist ihm die innere
Klärung und Reinigung der Rünstler-
persönlichkeit, die durch alle Schicksale
hindurch sich treu bleibt. In der Rein-
beit der eigenen Seele gibt der Künstler
durch sein Werk eine unbewußte Ver-
herrlichung des Volkscharakters. So darf
Edmund Steppes sich in der Reinheit und
zeitlosen Tiefe seiner Runst mit Stolz
einen deutschen Künstler nennen.
Vergnügungsreise
„Nun Herr Rollege, wie haben Sie sich
in den bayerischen Alpen amüsiert-"
„Ausgezeichnet! — Ich habe an den
sogenannten Marterln genau zweihundert-
dreiundfünfzig orthographische Fehler
korrigiert!"
Teueres vergnügen
„Sie haben zugestandenerweise Herrn
Goldental einen Erzschwindler geheißen.
Haben Sie sonst noch etwas hinzuzufügen,
Angeklagter y"
„Zuzufügen hatte ich noch allerhand,
Herr Richter, aber es kommt mir zu
teuer!"
Großmutter von Heute
Von R a r l Gideon G ö s s e l e
Schauplatz: Die Elektrische.
Zeit: Sonntag zwischen S und o Uhr früh.
in altes Mütterchen steigt ein und
setzt sich auf den einzigen noch freien Platz
mir gegenüber. Ihr Gesicht ist durchfurcht
von Sorgenfalten, die Haare sind schloh-
weiß, die Hände abgearbeitet und' ver-
trocknet. Aber die Augen sind klar und
auf der Höhe. Sie luchsen überall herum
und sehen alles, was vor sich geht.
An: Arm des Mütterchens hangt eine
riesengroße Handtasche, echt Rindleder
versteht sich, aber Modell 1600, ich glaube,
damals kam gerade der Jugendstil auf.
Aus dieser Zeit mußte auch der Rübel von
Hut stammen, der des Mütterchens Ropf
bedeckte. Der grünliche Mantel vom
vielen waschen eingelaufen, konnte eben-
falls nicht viel jünger sein.
Das Mütterchen holte eine große
Brille aus der dunklen Öffnung der Hand-
tasche und setzte sie sich umständlich auf
die Nase. Dann holte sie ein Buch heraus.
Sie hielt es sich dicht vor die Augen und
anscheinend mit Eifer begann sie die
geistige Nahrung zu sich zu nehmen, denn
ihre Lippen bewegten sich, während sie
las. Ich schloß aus dem ganzen Gehaben
des Mütterchens auf ein Gebetbuch. Ich
wollte meinen Augen nicht trauen, als ich
auf dem Buchdeckel, der mir zugekehrt
war, den Titel las: „Kleine italienische
Sprachlehre zum Selbstunterricht." Ich
kann wohl sagen, ich war erstaunt.
Noch größer aber wurde mein Erstau-
nen, als das Mütterchen nach einiger Zeit
die „Kleine italienische Sprachlehre zum
Selbstunterricht" wieder wegsteckte und
statt dessen ein umfangreiches Notizbuch
aus ihrer Handtasche hervorkramte, das
mit zittriger Schrift fast ganz vollge-
kritzelt war und dem man die starke Be-
nutzung auf den ersten Blick ansah. Ich
stellte fest, daß auf der einen Hälfte jeder
Seite italienische Vokabeln standen und
auf der andern Seite jeweils ihre Bedeu-
tung in Deutsch. Das Mütterchen legte
sich dann auch ihr selbstgeschriebenes Vo-
kabelheftchen auf die Knie, lernte Voka-
beln wie ein kleines Schulmädchen, hielt
die eine Hälfte der Seite mit der Hand
zu und hörte stch selbst ab. Ich war be-
geistert wie selten.
Nun einmal neugierig geworden, wollte
ich auch den Grund wissen, weshalb eine
Greisin, die ich hoch in den Sechzigern
schätzte, sich noch der Mühe unterzog,
eine fremde Sprache zu lernen und woher
sie die Schwungkraft nahm, dieses schwie-
rige Unternehmen durchzuführen. Daher
fragte ich das Mütterchen, als es einmal
von^ Lernen gerade aufsah:
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