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J U

43. JAHRGANG

G E N D

1 938 / NR. 23

/'

injerern

Fußgänger zwischen Himmel und Lrde

QC'inet unserer Freunde, der soeben von
einer Amerikareise zurückkommt, berich-
tete uns von ungeheuren Schwierigkeiten
des Fußgängerverkehrs zwischen Fimmel
und Erde. X>ov einigen Wochen betrat er
die metall- und marmorglanzende Vorhalle
des yostöckigen Rockefeller-Gebäudes an
der 5. Avenue, in der Absicht, einen Mr.
Brown aufzusuchen. Er hatte sich mit
dem wertvollen Mann schon fernmündlich
in Verbindung gesetzt lind stieg um
5 Minuten vor z Uhr in den geräumigen
Aufzug, um sich hinauffahren zu lasten.
Sechzehnter Stock, rief der Besucher dem
Neger zu. Tut mir leid, sagte dieser, der
wagen halt erst ab 6o. Stock. Unser Ge-
währsmann wand sich also aus dem in-
zwischen überfüllten „wagen" hinaus und
ging auf den Mann in Admiralsuniform
zu, der den Verkehr mit dem Fimmel
leitete, wie komme ich hier zum
16. Stock, fragte er. Nehmen Sie den
Eillift, der alle 4 Stockwerke halt, ant-
wortete der Fahrdienstleiter. Im
16. Stock angekommen, sah unser Freund
auf dem geräumigen Flur einen breiten,
dunkel gebeizten Schreibtisch stehen. Auf
ihm ein Messingschild: Miß Thompson.
Und hinter dem Schreibtisch ein engel-
haftes, blondes Wesen, das ihn unpersön-
lich anlächelte. Hallo, Miß Thompson,
sagte er. Rann ich Mr. Brown sprechend
Er erwartet mich. — Einen Augenblick.
Ich melde Sie. Sie drückte auf einen
Rnopf und sprach in einen schwarzen
Rasten, aus dem sofort die bejahende Ant-
wort tönte. Bitte schön, ein Stock tiefer,
Zimmer 62, sagte Miß Thompson.

Unser Freund wollte wegen dieses einen
Stockwerkes nicht den Auszug benützen,
der womöglich erst alle paar Stockwerke
hielt, und rief einem dienstbaren Geist zu:
wo ist hier die Treppe? weiß nicht,
sagte dieser.

Unser Freund wurde neugierig. In
einem Hause, selbst wenn es über 10000
Einwohner hat, muß doch eine Treppe
sein. Nach längerem Suchen fand er eine
eiserne Tür mit dem Schild: Notausgang.
Er öffnete sie und sah in ein schwindel-
erregendes Treppenhaus aus Eisen und
Beton. Als er vor der eisernen Türkin:
15. Stock ankam, fand er sie verschlossen.
Also wieder hinauf zum Sechzehnten. Dort
war die Tür inzwischen eingeschnappt und
ebenfalls verschlossen. Unser Freund ging
wieder hinunter und klopfte. Rein Laut.

Er ging zum 14. Stock. Die Tür war zu.
Ebenso im Dreizehnten. Er erinnerte sich
an den Eilaufzug, der alle 4 Stockwerke
hält, und wollte es im 12. versuchen.
Niemand öffnete. Er sah hinab, war er
überhaupt im ir. Stock? Unter ihm wan-
delten sich 20 Eisentreppen. Natürlich, so
ein Riesengebäude beginnt ja schon min-
destens 6 Stock unter dem Erdboden,
wenn er jetzt hinunterging, könnte er
vielleicht das Erdgeschoß oder wie es
drüben ebenso richtig heißt, j. Stockwerk
verpassen und sich ganz verlieren. Also
wieder hinauf zum )5. Stock. Er klopfte.
Er tobte. Er schrie. Niemand öffnete.
Dann hinauf zum 16. Er klopfte. Er
tobte. Er schrie. Es nützte nichts. Ver-
zweifelnd setzte sich unser Freund auf den
Treppenabsatz und überlegte. Dieser
Rraftaufwand ist zwecklos, warten wir,
bis jemand vorbeikommt. Und lauschte.
Eine halbe Stunde lang. Dann hörte er
Schritte und trommelte mit beiden
Fäusten an die Tür. Man öffnete, ver-
wundert über den Mann, der die Treppe
benutzt hatte. Erschöpft landete unser
Freund vor Miß Thompson. O, sind Sie
noch hier? fragte sie erstaunt. Ich dachte,
Sie wären mit Mr. Brown um half fünf
fortgegangen. — Ach du liebe Zeit, ich
habe ihn ja noch gar nicht gesehen. —
Nein? fragte der Engel ehrlich entsetzt.
— Nein, erwiderte unser Freund und er-
zählte seine Geschichte. Miß Thompson
lachte aus vollem Halse. Rönnen Sie
morgen nicht wiederkommen. — Nein,
dann bin ich in Boston.

Und mit einem Turnfieber in Boston,
nach der ungewohnten Rletterei, endete
dieser Ausflug eines Fußgängers zwischen
Fimmel und Erde.

Oie höflichen Briten

ls der britische Regierungschef Neville
Thamberlain Ulanchester besuchte, er-
wähnte seine Gattin gesprächsweise zum
Bürgermeister dieser Stadt, daß sie einen
sehr leichten Schlummer habe, und das;
schon der Schlag der Turmuhr imstande
sei, sie zu wecken. Sie vergaß jedoch später
ihre Erwähnung, und als sie sich nach dem
abendlichen Bankett zurückzog, erwartete
sie etwas unruhig den Schlag der Rat-
hausuhr, die sich gerade gegenüber, fast
unmittelbar über ihrem Zimmer befand.
Aber es wurde Mitternacht, und die Uhr
schlug nicht. Die Uhr schlug auch nicht
um kalb eins, eins, halb zwei. Schließlich
wurde Mrs. Thamberlain doch müde und
erfreute sich eines friedlichen Schlummers.

Am nächsten Morgen erst erfuhr die
Gattin des Premierministers, daß sie ver-
geblich gewacht hatte. Der rücksichtsvolle
Bürgermeister hatte das Schlagwerk der
Uhr während der ganzen flacht außer Be-
trieb setzen lassen.

zunger Ritter

och vor einer Generation entwarf
man ein Zerrbild des Müncheners, der
seine Squaw hinter sich herzieht, ihr
gnädig den Rest aus seinem Maßkrug ab-
gibt und sich von ihr die Schube aus-
ziehen läßt mit den Worten: Da geb her
Alte!

Daß hier eine revolutionäre Wand-
lung eingetreten ist, zeigte sich dieser Tage
in München anläßlich einer Sammlung
für HI.-Heime und Jugendherbergen.
Ein paar Buben näherten sich mit der
Sammelbüchse, und wir griffen gerade in
die Westentasche, als einige Mädel, eben-
falls mit einer Dose bewaffnet, um die
Ecke bogen. Da sagte einer der Buben:
„Ach bitt schön, wenn's ein Abzeichen
kaufen möchten, geben's doch lieber den
Madln da herüben. Mir Ham unsere eh
bald losbracht." winkte die Mädel heran
und schon war er mit seinem Rameraden,
verschwunden. Das ist der Geist unserer
heutigen Jugend!

Run sei bedankt. . .

aß die klassische Bildung noch nicht
ganz ausgestorben ist, geht aus der Treff-
sicherheit hervor, mit der eine Schülerin
die Frage beantwortete, wer wohl gesagt
habe: „Nun sei bedankt, mein lieber
Schwan". Nach kurzer Überlegung ant-
wortete sie bündig: „Leda".

Die Jugend

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[nicht signierter Beitrag]: Die höflichen
Redaktioneller Beitrag: Aus unserem Skizzenbuch
Julius Macon: Zeichnung ohne Titel
 
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