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JUGEND

43. JAHRGANG 1 938 / NR. 26

Leo von Weiden

MÜNCHENER MALER:

eigentlich besucht uns ein Rünstler
von malerischem Aussehen, mit freund-
lichem roten Gesicht, vorgeschobenem
Unterkiefer, kühner Nase und lässigen
Bewegungen. Man sieht ihm sofort an,
daß er in seiner eigenen Welt lebt, ein
Lebenskünstler wie Diogenes, mit sich und
den Menschen in Frieden.

Seine Runst aber verrat eine höchst
eigenwillige Persönlichkeit von Saft und
Rraft. Seine liebste Technik ist die im-
provisierte Federzeichnung. Er zeichnet in
visionärer Eingebung, in barockem, phanta-
stischem Liniengewirr. Alle Blatter sind
voll Bewegtheit und Leben, eigenartig
und bizarr. Man soll Melden nicht gerade
auffordern, ein Bildnis zu zeichnen, so
groß ist die Versuchung für ihn, den
kräftigen Schwung seines Striches ins

Fratzenhafte gleiten zu lasten. Aber wenn's
einmal glückt, steht plötzlich ein Kunst-
werk vor uns, bei dem wir den Atem
anhalten.

Am besten ist er, wo er seiner Phantasie
keine Zügel anzulegen braucht, wo sein
seltsames Genie sich in krausem Linien-
gewirr mit der Derbheit niederländischer
Genremaler ausleben kann. Bacchantische
Szenen mit wein, Weib und Gesang,
voll grotesker Romik, gehören zu seinen
besten Maldichtungen; Frauenraub, wein-
laubgekränzte Satyrn und springende
Pferde finden sich häufig in seiner lebens-
bejahenden, überschaumenden Welt. Und
wo er seine wuchtigen Striche hinschmet-
tert, da entspringt pulsierendes Leben der
toten weißen Fläche, da gerät alles in
Bewegung und Aufruhr und launige Aus-

gelassenheit. Aber wir kennen von ihm
auch farbentrunkene Aquarelle, naß in naß,
die den in Erstaunen setzen, der diese
Seite an ihm nicht kennt.

wenn er auch die klare Form des
Gegenständlichen beherrscht — seine künst-
lerische Entfaltung beginnt erst, wo er sich
davon loslösen und der Phantastik seiner
Visionen freien Lauf lasten kann. In Leo
von welden finden wir ein Talent von
eigenartigem Charakter, durchaus un-
akademisch, nichtsdestoweniger eine Per-
sönlichkeit von einmaliger Begabung, wir
müssen schon auf alte deutsche Meister
zurückgehen, um etwas dergleichen zu
finden, und wo wir nach einer Ähnlich-
keit suchen, tritt sie uns vielleicht am
stärksten in den Zeichnungen Wolf Zubers
entgegen.

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Leo v. Welden: Zeichnung ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Leo von Welden
 
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