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43. JAHRGANG

1 938 / N R. 30

ALTE ZEITEN

Vom Greiffenberge, die Greiffen
kommen mit Singen und pfeiffen,
reiten den Berg herab in Roller und
Harnisch, ihre Rosse tragen schwer an den
'oünen. Der wind streicht, vom Moor-
Her, über den See und laßt das Schilf
wetzen.

Eine Mühle träumt am Wege, ihre
Räder drückt der Alp!

Still liegt das Rirchlein von Eching am
Hügel, behäbig daneben die Pfründe des
pfarrherrn und der Hof des nun auch den
Greiffen hörigen Edlen.

wo ist die Zeit, wo die Wasser der
windach noch Gold gaben und die
„wafferer" noch reich und unabhängig
von der Umgebung- Aber jetzt, rund um
Moor und Holz, das wild haben die
Rriege vertrieben, die Fische sind fort
mit dem Wasser, starben mit der Pest,
Hausen nur noch Ln der Tiefe des Sees,
bewacht von Unholden, die allein von
den alten guten Göttern geblieben.

Anders oben am Berge. Da lacht das
Schloß Ln der Sonne, stehen die Höfe der
Freibauern fest aus Stein! Da hat auch
der wind die Krankheiten weg, ins Tal,
geweht-

Der Trupp reitet weiter, vorbei am
Zollhaus, natürlich ohne zu zollen, auf
den Stegen über die Senke, die nicht
mehr See, auch nicht Moor und nicht
Land, wo bei Nacht im Nebel die Lichter
noch laufen und alle aus der ganzen
Gegend sich treffen, die keine Ruhe im
Grabe, keinen Fimmel und keinen Saal
der Götter noch finden!

Und überallhin schauen die verglasten
Fenster des Schlosses der Greiffen, über-
allhin lodern die Feuer von den Lagern
der Knechte im Schloßhof!

Von Eching sieht man nichts mehr als
den schiefen Turm seiner Kapelle, ver-
wittert und müde und krank. Die Hütten
der Bauern ziehen ihre Dächer wie
Mützen in den Zacken, schauen aus ein
paar Löchern in den Mittag, um dann
gleich wieder die Klotzen vorzulegen. Der
wind aus dem Moor .... der Weber sah
erst neulich ein Moosweiblein darauf
reiten, und eines, er sah es bestimmt, hatte
einen klobigen Plattfuß.

Hu! u! u! und wie das Schilf wetzt, sich
teilt und sich schließt.

Rathard, der Sohn des Raffo, dem
Schloßwart in Schmiechen, nimmt seinen
Falben fester in die Hand, zwischen die

Schenkel. Klemmt wirklich dessen Huf Ln
den Riegeln des Steges, oder zieht eine
Wasserfrau von unten?

Vier Jahre schon ist der Rathard bei
den Greiffen und hat viel gesehen und
manches gehört!

Er steigt aus dem Sattel. Seine Kum-
pane lachen ihm im weiterreiten zu: „Mit

die Füß kommst du weiter-" Nicht

achtet der Sohn des Schmiechener Schloß-
wartes des Gespöttes, aber wirklich, die
Bohlen sind lose, es klemmt bloß der Huf.
Mühselig macht er ihn frei-

Die Andern sind schon voran. Er spornt
seinen Gaul ihnen nach, unter ihm gluckst
es zwischen den schwankenden Balken. Er
haut die stählernen Spitzen in das Fleisch
seine Tieres, daß es sich bäumt. Der Gaul
zittert, schwer ist der Mann, scharf liegt
ihm die Kandare im Maule, aus dem
blutig der Geifer auf die glänzenden
Stiefel des Reiters tropft... und immer
wieder hauen die Sporen in die Weichen
und färben sich rot.

Rathard will schnell über die Stege.
So allein zwischen dem Schilfe, das immer
auf und zu geht, das wetzt und schreit und
Durst hat nach Leben.

Da schaut ein Moosvogel durch das
Gewirr, steht hoch auf einem Bein, schaut
neugierig dem Reiter zu, wie er sein Roß
über die Bohlen quält....

Am Klosterhof nach den Stegen trifft
Rathard wieder auf seine Gesellen. Die
Dirne des Meiers gibt ihnen Scheps und
geselchte Fische aufs Pferd. „Ha, Rat-
hard, haben dich die Unteren nich nab ge-
zogen?"

Rathard steigt vom Rosse. Trocknet sich
den Schädel und trocknet seine eiserne
Haube, nimmt einen kräftigen Schluck aus

der Bitsche, tätschelt den noch unruhigen
Falben, wischt ihm das Blut aus den
lüstern, greift der Dirne an den Busen
.... lieber ein Häuflein Landsberger als
so allein über die Stege:

Und die Dirne des Meiers steht da und
horcht und schaut! Sie ist vom Fischer
aus See. was doch die Soldaten alles
fürchten. Schon als Kind ging sie, oft
mitten im Schneesturm, über das Moos,
über die Stege. Das Eis des Sees trug
oft noch nicht, aber auch der Baum war
nicht mehr zu fahren, konnte die noch
nicht tragfähige Eisfläche nimmer durch-
schneiden. So ging sie, die Hörige des
Klosters, für ihren Vater den Zehnten ihm
bringen.

Noch nie hat ihr dabei jemand etwas
getan. Vlo&) nie hat einer von unten ge-
zogen. Und wie sang der wind oft schön
im Geröhr und die Büscheln, oben auf
dem Schilfe, neigten sich auch vor ihr,
nicht nur vor den Herren und Frauen!

Der Rathard, wie war er doch sonst
ganz anders und da, da hat er Angst.
Darum kam er auch nie, wie sie ihm ge-
raten, um die Nachtzeit, wenn Meier und
Mönche schliefen und nur sie sich im
heißen Bette noch wälzte. Der Rathard,
wie oft kam er, als sie noch beim Vater
daheim und kein Moos und keine Stege

sie trennten-Der Rathard, den ganzen

Körper voller Narben und traut sich nicht
allein durch das Schilf!

Soldaten sollen doch wirklich nicht den
wind fürchten!

Und der Herr Erzabt hat ihr doch aus-
drücklich erlaubt, die Hütte und das Fisch-
zeug des Vaters zu übernehmen, wenn der
Mann, der sie freie, ein Fischer sei!

Aber der Rathard, man kann ihm doch

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