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Kaltes Blut

E i n c \v a b r e Begebenheit / Von E b r i ch

^ls Napoleon im Jahre )S)2 sein
^eer zusammenzog, um es gegen den
russischen Baren zu walzen, verfolgte wobl
niemand das kriegerische Geschehen mit
brennenderem Interesse, als der Barbier-
lehrling Rarl Witt in Bromberg. Wurde
vom Rriege gesprochen, so glanzten die
großen bellgrauen Augen des Sechzehn-
jährigen in durstigem Feuer. Dann ver-
gaß er Arbeit und Umgebung, was zur
Folge batte, daß Meister Rnipp, der
Barbier, ihn scharf anfuhr und ihm zum
hundertsten Male den Rat gab, doch
Landsknecht zu werden und sich endlich
zum Teufel zu scheren.

Rarl Witt hatte dies gern getan. Doch
wachte über ihn ein Vater, der im Bar-
bierberuf mehr Segen erblickte, als im
vagabundierenden Soldatenleben.

Starker als Menschenwille zeigte stch
indes die Macht des Schicksals. Es stellte
Rarl Witt gleichsam vor eine Feuerprobe,
die er völlig unerwartet besteben mußte
und bestand.

Eines Tages erdröhnten die Straßen
Brombergs unter den Stiefeln von Sol-
daten, unter dem Rnarren und Rumpeln
schwerer Räder, unter dem Trappeln zahl-
loser Pferdehufe. Es waren Regimenter,
die nach Rußland zogen.

Sahen Meister Rnipp und seine Ge-
sellen diesem Treiben mit gemischten Ge-
fühlen zu, so leuchteten die Augen des
Lehrlings in brennender Sehnsucht, mit-
zuziehen in Abenteuer und Gefahren, in
Schlachtgetümmel und unbekanntes, locken-
des Erleben.

„Möchtest wohl mit, was?" brummte
der Meister. „Rannst ja kaum noch still-
stehen, Landsknecht!"

Rarl Witt preßte die Lippen zusammen
und flammte den Meister an mit einem
Blick, der diesem die Furcht ins Herz
jagte. In diesem Augenblick spürte Meister
Rnipp: der Junge ist aus anderem Holz
geschnitzt, der wurde nicht zum Barbier-
geboren !

Immer noch zogen die staubbedeckten
Soldaten in endloser Rolonne vorbei,
immer noch dröhnte die Straße, erzitterte
das alte Haus unter der Wucht des
ziehenden Heerbannes.

Iah sprang der in der halbgeöffneten
Tür stehende Meister zurück, als ein
nervös tänzelndes Pferd einen Schritt von
ihm entfernt angehalten wurde, und ein
Offizier sich aus dem Sattel schwang, der
mit raschen Schritten in den Laden trat.
Seinem Auftreten, den goldenen Achsel-
stücken und dem respektvollen warten
einer Ordonnanz nach zu urteilen, mußte
es ein höherer Offizier sein.

„Rasieren!" befahl er barsch, „Hab
wenig Zeit!"

Verschüchtert traten die beiden Gesellen
zurück, um so dem Meister diesen anschei-
nend unbequemen Runden zu überlasten.
Als Rnipp, sich auf seine Pflicht und
seinen guten Ruf besinnend, zögernd vor-
trat, hatte der Offizier bereits seinen

K• Baur

Der lachende Philosoph

Sei stets Optimist! Als Optimist bist du
weise, als Pessimist unwissend!

Ein frohes Herz ist die beste Medizin
und unerschöpfliche Kraft wohnet in einem
frohen Sinn!



Willst du glücklich sein? Sorge dich
nicht um Dinge, die du nicht zu ändern
vermagst und gräme dich nicht über
Dinge, die du ändern kannst, sondern
ändere sie!



Der erste Schritt, glücklich zu wer-
den, ist der Entschluß, glücklich zu
sein!



Die Wissenschaft der Ruhe besteht
darin, sich keine Sorgen zu machen.



Der Himmel wird aus dem Tag der
kleinen Dinge geboren.

k

Sei jeden Morgen Entdecker neuen
Lebens!



Die Welt möchtest du wandeln?
Wandle dich und du hast damit den
Anfang gemacht.

Reitersabel abgeschnallt. Rarl Witt sprang
hinzu und nahm ihm die schwere Waffe
ab, betrachtete sie mit glanzenden Augen
und schien sie nur ungern an einen Haken
zu hangen.

Der Offizier — es war ein Obrist —
langte nunmehr unter seinen Waffenrock
lind zog eine schwere Pistole, deren Hahn
er mit hörbarem Rnacken spannte, um sie
vor sich hinzulegen. Erschrocken beobach-
teten Meister und Gesellen dieses beäng-
stigende Gehabe, was hatte das zu
bedeuten?

„VJun, soll ich noch lange warten?" rief
der Obrist zornig aus, „Hab keine Zeit,
zum Teufel! Und daß Ihr wißt: meine
Rehle ist überaus empfindlich! Für gutes
Rasieren zahle ich ein Goldstück; für den
kleinsten Schnitt aber gibt's eine Rrigel
aus dieser Pistole!"

Zitternd stand Meister Rnipp da. was,
er sollte hier rasieren, um jede Sekunde
gewärtig zu sein, von diesem rabiaten
Rrieger erschossen zu werden. Und da er-
fühlte, wie seine Hände bebten, wußte er,
daß schon die ersten Striche mit dem
Rasiermesser ihm den Tod bringen könn-
ten. Denn der Runde scherzte nicht, das
sah man ihm an.

„Soll ich Euch erst Beine machen?"
fauchte der Obrist von seinem Stuhl her
und griff zur schußbereiten Waffe, „Hat
keiner von euch Memmen den Mut, das
Goldstück zu verdienen?"

„Ich rasiere Euch!" erklang da eine
Helle, kecke Stimme.

Alle blickten überrascht den Lehrling an,
der ruhig und selbstsicher an den Stuhl
herantrat, in den: der zornige Obrist saß
und ihn mit blitzenden Augen musterte.

Indes der Junge nach Pinsel, Seife
und Wassernapf langte, sahen sich der
Meister und die Gesellen kopfschüttelnd
an. Für sie stand es fest, daß Rarl Witt
den Verstand verloren hatte; nun, es war
sein eigenes Leben, nicht ihres!

Schweigend hatte Rarl Witt den
Obristen eingeseift. Sorgfältig zog er
nun sein blinkendes Messer ab, prüfte die
Scharfe auf dem Fingernagel, betrachtete
nochmals prüfend das eingeseifte Gesicht
des Offiziers, dessen Rechte am Griff der
Pistole lag — dann machte er sich emsig
und umsichtig an die Arbeit des Rasierens.
Leise arbeitete das Messer, Zug um Zug.

Fluchtbereit, nur darauf wartend, den
Offizier die Waffe erheben und den Lehr-
ling niederschießen zu sehen, standen
Meister und Gesellen in der Vkahe der Tür.

Nichts geschah. Lind als die Prozedur
des Rasierens beendet war, erhob sich der
Obrist lächelnd, gab Rarl Witt das Gold-
stück und schnallte sich den Sabel wieder
um.

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[nicht signierter Beitrag]: Der lachende Philosoph
Ehrich Körding: Kaltes Blut
 
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