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Weißt du noch?

Von H. w. B ü r k nt a y e r

äglicher Stammgast ist der ältliche
Herr mit dem stark ergrauten Haar in
dem kleinen Cafe an der Ecke. Er ist
verliebt in die Rellnerin, wirbt um ihre
Zuneigung durch Blicke, Worte, kleine
Aufmerksamkeiten.

Die Rellnerin ist jung, macht stch nichts
aus dem Alten. Aber sie ist höflich zu
ihm, bringt ihm die Zeitungen und fragt
liebenswürdig: „wünschen Sie Rüchen;"
Ihre Gedanken weilen dabei bei ihrem
Schatz. Der ist zwar nur ein Schlosser,
aber jung wie sie.

Im Frühjahr glaubt der Alte seinem
Ziel näherzukommen. Die Mutter der
Rellnerin ist schwer krank geworden, soll
in ein Sanatorium. Der Alte hört davon,
wagt eine Frage: „Ich helfe Ihnen,
Fräulein Frieda. Rommen Sie mit mir
auf meinen Landbesitz. Für eine Woche,
für vierzehn Tage. Ich stelle Ihnen einen
Scheck aus. Damit können Sie Ihre
Mutter retten."

Frieda überlegt. Ah .— Geld! Ihre
Mutter würde gesund werden. Man
könnte sich auch etwas Feines kaufen.

Ein Rleid in der Auslage eines vor-
nehmen Modehauses taucht vor ihren
Augen auf. Geld, Geld! Dann fallt ihr
Blick nieder auf den Mann am Tisch, auf
den grauen Scheitel. In den Allgen des
Alten glaubt sie Triumph zu lesen.
Nein — — sie versucht ein Lächeln und
frägt: „wünschen Sie Rüchen;" — —

Frieda hat den Schlosser geheiratet.
Zehn, fünfzehn Iabre dauert die Ehe,
dann stirbt er. Das Leben an seiner Seite
war nicht das erträumte gewesen, die
Sorge war oft zu Gast, bei seinem Tode
blieb ihr nichts.

Sie erinnert sich des Alten im Lafo.
Ob er noch lebte; Sie war so allein, ob
er noch in das Tafe kommt;

Gegen abend lenkt sie ihre Schritte
nach dem Lokal, späht durch die Scheiben.
Ia — da saß er. Noch älter, weiß das
Haar, ein Greis, wie alt mochte er sein
jetzt; Siebzig, fünfundsiebzig;

Er liest in einer Zeitung, bemerkt gar
nicht, daß sie sich an seinen Tisch gesetzt
hatte.

Dann spricht sie ihn an. „Ich bin
Frieda. Rennen Sie mich nicht mehr;"

Der Alte zwickt die Augen zusammen.
„Frieda; warten Sie mal; — — Oh,
oh, ich weiß, ja, ja. Erinnerst du dich noch
an die schöne Woche auf meinem Gut.
Die Abende in der Laube. Lieb warst du,
sehr lieb."

„Aber nein, nein!" Frieda schreit es
fast. „Das war ich doch nicht. Ich bin
doch die Frieda von hier, vom Taför"

Der Alte blickt sie verständnislos an.
Frieda merkt es, hier war ein Zuviel an
Erleben zurückgeblieben. Ohne Gruß gebt
sie .hinaus. Der Alte blickt ihr nach,
murmelt vor sich hin: „Merkwürdiges
Frauenzimmer."

Die Ursache

A. : „Ist dir nicht ausgefallen, daß der
Dichter Leberecht sich in letzter Zeit sehr
verändert hat;"

B. : „£Tein! was ist denn mit ihm
los;"

A. : „weiß auch nicht! Mir fiel neulich
nur sein ins Leere gerichteter Blick
auf."

B. : „Ach so! Geschieht ihm recht!
weshalb blickt er täglich stundenlang in
seinen Geldbeutel;"

S t (' i r i s c h e s L a n d

I (I a Witte hen

1938 / JUGEND Nr. 38 / 20. September 1938 Einzelpreis 40 Pfennig

Verantwortlich für die Schriftleitung: Dr. A. Hösel, München; für Anzeigen: Karl Schilling, München / Verlag: Karl Schilling- Verlag,
München, Herrnstr. 10, Tel. 27682 / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München 22, Herrnstraße 8—10, Tel. 20763 / Alle Rechte Vorbehalten Nachdruck
strengstens verboten / Copyright by Karl Schilling- Verlag, München / DA. 2. Vj. 38: 4100. Prl. Nr. 3/ Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der
„JUGEND", Karl Schilling- Verlag, München, Herrnstraße 10, zu richten / Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte kann keine Gewähr übernommen

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Die Ursache
Hans Willi Bürkmayer: Weißt du noch?
Ida Wittchen: Steirisches Land
 
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