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JUGEND

43. JAHRGANG 1 93 8 /NR. 40

Franz von Lenbach, wie ihn die Anekdote sieht

Das Münchener Rünstlerhaus hat
ein eigenes Lenbachzimmer, in dem
viele Gemälde des Meisters hangen.
Die Witwe Lenbachs hat sie in groß-
zügiger weise der künstlerischen
Leitung des Dauses zur Verfügung
gestellt. In Erinnerung an den
großen Maler, der seinerzeit mit
Gedon u. a. den Gedanken zum Bau
einer eigenen Heimstätte der Mün-
chener Künstler ins Leben rief und
selbst an erster Stelle an dem Projekt
mitarbeitete, bringen wir einige
Lenbach-Anekdoten.

Ldel sei der Mensch . . .

Lenbach hatte eine sehr hilfreiche
Hand. Eines Tages wurde er von einem
Menschen, der sonst überall gemieden
wurde, angepumpt. Lenbach machte ihm
ein ansehnliches Geldgeschenk. Als er
dann einmal von einigen Freunden
schüchtern darauf hingewiesen wurde, er
hätte sein Geld doch besser verwenden
können, gab er zur Antwort: „wieso
denn? wer außer mir hatte dem armen
Teufel Helsen sollen?"

*

Ebenso wird erzählt, daß Lenbach seine
Modelle, die ihm besonders viel Freude
machten, im Hochgefühl der vollbrachten
Arbeit mit reichen Geschenken entlassen
hat. Auch das „Auge des Gesetzes" scheint
ihm mehr als sympathisch gewesen zu
sein. So konnte es Vorkommen, daß er
auf seinem nächtlichen Nachhauseweg
einem patrouillierenden Schutzmann, dem
er in wind und Wetter begegnete, mit
stillschweigender Geste einen silbernen
Taler in die Tasche rollen ließ.

Das Dienstmädchen und der
„Malermeister"

Lenbach hatte einmal ein Dienst-
mädchen und treuherzig fragte es
ihn bei irgendeiner Gelegenheit: „Es

wundert mich sehr, Herr Malermeister,
daß Sie alles allein machen und keine
Streichergehilfen halten."

Daraus konnte der „Malermeister"
natürlich nur herzhaft lachen.

Dev lachende Philosoph

Kunst kommt zwar von „Können”. Ent-
scheidend jedoch ist das Können nicht! —
Diese drei: Können, Wollen und Glauben
an den endlichen Sieg erst schaffen den
Künstler.

*

Jedes Kunstwerk, sei es klein oder
groß, erwecke im Beschauer den Schein,
als sei das Ganze, Große in ihm enthalten.

*

Gewiß sind jeder Kunst Grenzen ge-
setzt. — Die lebendige Sprache eines
Werkes jedoch schafft über diese Grenze
hinaus durch den weltumspannenden Ge-
danken des Schönen das, was wir am
echten Kunstwerk bewundern,

*

Der Pfad in die Welt des Schönen,
Reinen, Sittlichen heißt: wahre Kunst!
— Erst das Erfassen des Schönen führte
zu dem Begriff des sittlichen Ideals. —
Dies aber führt wieder zur Kunst!

*

Wahres Kunstverständnis adelt den
Menschen, ist Maßstab für die sittliche
Höhe eines Volkes. — Alle Kunst jedoch
vergesse nie, daß „des Menschen größtes
Kunstwerk der Mensch selber" sei!

Das Rhinozeros

Lenbach begegnete auf der Straße ein-
mal einem Rollegen, der sich aber durch
keine besondere Berühmtheit auszeichnete.
Er stellte den Meister zur Rede und fragte
ihn etwas gekrankt, wieso es komme, daß
er ihn ein Rhinozeros genannt habe^

Lenbach erfaßte die Situation und
beruhigte den Runstgenossen mit folgen-
den Worten: „Aber gehn S'! Rein Grund
Zur Aufregung, Sie wissen doch, was ich
für eine Meinung von Ihnen habe."

Der Angeredete war hocherfreut über
diese Genugtuung und er schüttelte dem
Meister kräftig die Hand.

Der musikliebende Lenbach

Richard Wagners „parsifal" zu Horen
ist ein seltener Genuß. Das hat auch
Lenbach erfahren. Seiner Anerkennung gab
er einmal auf drastische weise Ausdruck:
„Es kommt mir vor, wenn ich den
.parsifal' höre, als ob ich mit einem
Bummelzug durch Paris fahren wurde."

Der Auftrag

wahrend seines Aufenthaltes'in Rom
erschien in Lenbachs Atelier ein Herr in
Begleitung einer ungewöhnlich schönen
und jungen Frau. Lenbach war entzückt
über diesen Besuch und man unterhielt
sich so ausgezeichnet, daß ein zweites
Treffen in Venedig geplant wurde.

Nach einigen Wochen machte sich der
Künstler tatsächlich auf die Reise, natür-
lich mit dem festen Vorsatz, die Dame,
deren berückende Erscheinung ihn gefesselt
hatte, zu malen. Nachdem alle Vorberei-
tungen bereits getroffen waren, wurde
er von dem Begleiter der Dame nach dem
vermutlichen Preis des Bildes gefragt.
Lenbach lehnte ab und sagte, es wäre ihm
eine Freude, einen Kopf von solch klas-
sischer Schönheit.im Bilde festzuhalten.

Darauf wollte aber der Auftraggeber
nicht eingehen und meinte, ein so kost-
bares Geschenk könne er nie und nimmer
annehmen. Lenbach seinerseits wollte
ebenfalls nicht nachgeben und so kam es,
daß die „streitenden" Partner sich trenn-
ten, ohne daß das Bild zur Ausführung
kam.

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