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SCHICKSALE, BERÜHMTER GEMÄLDE:

Nacherzählt von Adolf Hösel

M

s war zu Beginn des )6. Jahrhun-
derts. Leonardo da Vinci, der universellste
Geist der italienischen Renaissance, weilte
zum zweitenmal in Florenz und als Er-
gebnis dieses Aufenthalts wird das
Meisterwerk bezeichnet, das unter dem
Namen Mona Lisa in der ganzen Welt
bekannt geworden ist. Der italienische
Rünstlerbiograph aus jener Zeit, Vasari,
berichtet, dass Leonardo vier volle Jahre
an dem Bildnis gearbeitet habe. Ja, um
das Wunder der unvergänglichen Schöp-
fung zu vollbringen, habe der Meister alle
nur möglichen Mittel der Durchführung
ersonnen. So sorgte er u. a. dafür, dass
sein Modell, eine bezaubernde Florenti-
nerin, die dritte Gemahlin des Francesco
del Giocondo,'bei den anstrengenden Sitzun-
gen niemals ganz sich selbst überlassen war.
Bald musste ein Sänger, ein Musikant,
bald irgendein Spaßmacher zugegen sein,
um die Gioconda zu unterhalten und ihr
auch nicht den geringsten Anlass zu einer
etwa aufkommenden Müdigkeit zu geben.
Auf diese weise gelang es Leonardo, in
das Antlitz der Florentinerin das uner-
gründliche Lächeln hineinzuzaubern, das
von Vasari „mehr göttlich als menschlich"
genannt wird und das durch die Jahrhun-
derte die unbeschreiblich bezwingende Wir-
kung auf den Betrachter ausgeübt hat
und heute noch ausübt, trotz der unzulang-
lichen Restaurierung, der das Gemälde
unterworfen wurde.

wie die Sixtinische Madonna Raffaels
und viele andere Gemälde der alten italie-
nischen Meister ist auch die Mona Lisa
Leonardos in ihrer frühesten Geschichte in
Dunkel gehüllt. Nachdem sie aus der
Hand des Meisters in den Besitz des Auf-
traggebers übergegangen war, ist sie spater
in fremde Hände gekommen. Leonardo hat
das Bildnis für 4000 Goldstücke (ungefähr
3b 000 Mark) wieder erworben, und zwar
ist er von seinem mächtigen Gönner, Rönig
Franz I. von Frankreich, dazu veranlasst
worden, im Interesse des Ronigs selbst,
der alle erreichbaren Werke Leonardos für
sich zu gewinnen trachtete. Aus dem Besitz
des französischen Rönigs, der K47 starb,
hat denn auch die Mona Lisa die denk-
würdige Reise nach Paris in den Louvre
angetreten, wo sie im Salon carre ihre
bleibende Statte gefunden hat. Doch nie-
mals wird ganz die Erinnerung an jenes
sensationelle Ereignis verblassen, das sich
an das Schicksal der Mona Lisa knüpft

O N A L 1 S

Der lachende Philosoph

Kümmere dich nicht um das Unbekannte.
Wer dir das Unbekannte, die Wahrheit
oder Gott erklären will, den fliehe. Die
Wahrheit und Gott, sie sind in dir selbst.
Das Unbekannte aber kümmere dich nicht.

*

Den meisten Menschen bedeutet die
Flucht zu einem Gott: Flucht vor sich
selbst!

*

Wahrheit kannst du nur in dir selbst
erleben. Gott kannst du nur in dir selbst
verwirklichen! Fliehe nicht die Wahrheit
in dir, fliehe nicht Gott in dir, sondern
fliehe die Menschen, die dir die Wahr-
heit, die dir Gott zu bringen vorgeben.

*

„Erleuchtung“ ist nichts anderes als die
Erkenntnis des wahren Wertes der Dinge
um dich.

Erleuchtung kennt keine „Auserwähl-
ten“. Sie kennt nur den einzelnen, der
sein Leben um der Wahrheit willen lebt.

*

Wahres Leben kann nicht von dem
Gesichtspunkt irgendeiner Philosophie,
irgendeiner Religion betrachtet werden;
es ist ein taten reiches Auf gehen in der
Gemeinschaft.

A

und das vor 27 Jahren die gesamte kunst-
liebende Welt in höchste Aufregung ver-
setzte. Der alteren Generation ist der
Vorfall wie irgendein politisches Ereignis
aus jener Zeit lebhaft im Gedächtnis ge-
blieben und so mögen nachfolgende Zeilen
ftir die Jugend geschrieben sein, die ein
Interesse daran hat, von den Umstanden
der abenteuerlichen Entführung zu er-
fahren.

Der schwärzeste Tag in der Geschichte
des Louvre: es ist ein Augusttag des
Jahres 1011. Es geht alles seinen ge-
wohnten Gang und im Louvre selbst ist
Arbeitstag. Einige Dlltzend Menschen,
Glaser, Tischler, Dekorationsmaler usw.
sind beschäftigt, die laufenden Ausbesse-
rungen vorzunehmen. Doch alle diese
Menschen kennen sich untereinander und
als der Maurermeister picquet mit seinen
Leuten den berühmten Saal durchschreitet,
verneigt er sich vor der göttlichen Mona
Lisa, die sich als das teuerste Gemälde der
Welt seiner besonderen Wertschätzung er-
freut. Nach Beendigung der Arbeiten in
einem anderen Saal macht er denselben
weg zurück, will in gewohnter weise
einen Blick nach der Gioconda werfen, da
glotzt ihn eine gähnende Leere an. Mona
Lisa ist verschwunden. Diebstahl? VTein,
der Gedanke kommt dem biederen Arbeits-
mann gar nicht, wird schon ein Restau-
rator oder Ropist wieder damit zu tun
haben. Ganz anders der Aufseher, der
etwas spater wie sonst seinen Rundgang
macht und ebenfalls die Lücke entdeckt. Er-
ahnt nichts Gutes, denn er weiß nichts
von einem Auftrag, ebensowenig der
Gberaufseher. Der Direktor wird ver-
ständigt und dieser ordnet sofort eine gründ-
liche Durchsuchung des Louvre an, aber
an einen Diebstahl kann gerade er am
allerwenigsten glauben, wer sollte sich an
der Mona Lisa vergreifen? wie ein über-
irdisches Wesen hat sie durch die Jahr-
hunderte unangefochten ihren Platz be-
hauptet. Ein Diebstahl scheint also ganz
unmöglich. Und doch!. Dem Direktor des
Louvre bleibt die grösste Enttäuschung
seines Lebens nicht erspart. Die Durch-
suchung verlauft ergebnislos und es stellt
sich nur heraus, dass die Bewachung sehr-
mangelhaft war. Der Dieb konnte unge-
sehen das Gebäude betreten und wieder
verlassen. Trotz allem: dieser Dieb konnte
kein gewöhnlicher Dieb sein.

«Schluß in der nächsten Kummer)

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Karl Baur: Vignette
Adolf Hösel: Mona Lisa
[nicht signierter Beitrag]: Der lachende Philosoph
 
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