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Zeichnungen von Macon

den Pascha zu einer turmhohen Zypresse,
an ihrer Spitze hing die Gans; unter der
Zypresse aber brannte ein Kerzenlicht.

„Da hangt sie nun seit dem frühen Mor-
gen", sagte der Leka bekümmert, „und
will nicht braten."

„Mensch — Leka — Narr — wie soll
sie braten... so in höchster Höhe und die
Flamme so weit von ihr! Bis zum Jüng-
sten Tage wird sie nicht gar geworden
sein", rief der Pascha. — „Herr, da der
Schein der Sonne unendlich fern über dem
Tsukal stand, und die Sonne selbst noch
über den Talern des Dukagjin, wärmte ich
mich an ihr, wie Ihr sagt, — weshalb ist
dann die Gans so anders geartet;"

Da lachte der Pascha und gab dem
Schelm die 50 Türkenpfunde in Gold.

Er denkt immer an

Vont Rirchturm fallt ein Dachziegel.
Hinzelmann, tief in Gedanken, geht gerade
vorüber. „Aber Anne", spricht er vor-
wurfsvoll, „ich war doch nur auf der
Runstausstellung."

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Gesammelt von Erich Runter

IE N

vom Eseltreiber zum Minister

Der Hirtenjunge Dillen, der es bis zum
Minister brachte, verdankt diese phanta-
stische Laufbahn einer witzigen Antwort,
die er einst dem Rönig von Württemberg
gab. Der Bursche war von einer Molkerei
in der Ptahe Stuttgarts mit einem Esel-
gespann unterwegs, um Milch zu beför-
dern. Auf dem schmalen Pfade begegnete
ihm das Gefährt des Rönigs, der eine
Spazierfahrt machte. Der Junge drückte
sich mit seinen beiden Eseln ganz in den
Wegrain, damit der herrschaftliche wagen
passieren konnte. Es gab aber doch eine
kleine Hemmung, und der Rönig musste
einen Augenblick neben dem Eselsgespann
verweilen. Gut gelaunt fragte er den Hir-
ten: „wohin ihr drei;"

„Am vierten vorbei", erwiderte der
Bursche schlagfertig.

Dem Rönig gefiel diese Antwort so, dass
er den Hirten in seine Dienste nahm, in
denen der außerordentlich begabte Mann
sein Glück machte.

Der weise Richter

In den unruhigen Zeitläuften des Sieben-
jährigen Rrieges fand ein heimkehrender
Invalide auf einer abseitigen Markung
einen Esel, der wahrscheinlich von einem
Gut entlaufen war, das die in die Mark
Brandenburg eingedrungenen Russen ge-
brandschatzt hatten.

Der ausgediente Soldat nahm den
Grauen mit in den nächsten Ort und mel-
dete den Fund im Rathaus. Zufällig war
dort der Ortsvorsteher vom Nachbardorf
anwesend. „Ei, wo hat Er den Esel denn
gefahndet;" fragte der nicht ortsansässige
Bürgermeister den Invaliden, der bereit-
willig nähere Auskunft erteilte. „Dann",
stellte der benachbarte Ortsgewaltige fest,
„gehört das herrenlose Gut uns!"

So leicht ließen jedoch die anderen die
Beute nicht aus den Händen. „Der Esel
bleibt hier", erklärte der Bürgermeister
von Groß-Wolzheide mit kampfbereiter
Entschlossenheit dem von Rlein-Wolzheide.
„Und wenn Ihr Nachbarn ihn haben
wollt, müsst Ihr schon starkes Geschütz auf-
fabren lassen."

Dazu waren die Einwohner von Rlein-
Wolzheide nun freilich gewillt, wie sich
bald zeigte. Eine endlose Fehde brach aus
mit all den häßlichen Begleiterscheinungen,
die die Feindschaft zweier Nachbarn mit
sich bringt. Ulan schädigte einander wo
man konnte; und da man nicht mehr m i t-
einander sondern gegen einander arbei-
tete, wirkte sich das ungünstig gegen beide
Parteien aus. Zum bösen Ende stritt man
sich wegen des Esels vor Gericht herum.
Die Sache kam mehrere Male zur Ver-

handlung; ein Vergleich wollte nicht ge-
lingen. So kostete der Esel allmählich mehr
als drei fette Rühe. Und dabei waren die
Bauern dortzulande kaum vermögend
genug, sich magere Rühe zu halten!
Immerhin gings schliesslich nicht mehr
allein um den Esel, sondern darum, wer
den Prozeß verlieren und die Rosten zahlen
würde.

Da hatte der Richter es nicht leicht, das
Urteil zu fällen. Er beraumte endlich einen
„Lokaltermin" an. Der Invalide sollte an
Ort und Stelle zeigen, wo er den Esel mit-
genommen habe. Die Herren versammel-
ten sich also auf der Markung; und der
Invalide beschrieb nun den Standort des
Esels in dem Augenblick, wo er seiner an-
sichtig wurde. Und siehe, es erwies sich, dass
der Esel damals sich in beschaulicher Ruhe
beim Distelfressen genau zur Hälfte auf
der Markung Rlein-Wolzheide und zur
anderen Rörperhälfte auf der Markung
Groß-Wolzheide befunden hatte.

Auf diese Feststellung hin fällte der Rich-
ter sein salomonisches Urteil: „Dann

spreche ich jeder Partei die Hälfte des Esels
— und die Hälfte der Gerichtskosten zu."

Das kam also doch auf einen Vergleich
hinaus. Die Nachbarn waren zufrieden, so
glimpflich weggekommen zu sein, wenn-
gleich die Eselei ein gut Stück Geld ge-
kostet hatte.

was aus dem Esel geworden; Das ver-
meldet der Chronist nicht. Aber man hat
sich sicher geeinigt, die letzte Schlussfol-
gerung aus dem Urteil zu verhüten und
den armen Esel leben zu lassen, als Zeichen
des Friedenswillens und Mahnung zur
Eintracht.

Der Schmeichle/ iTo Denn
„Schönen guten Tag, liebes Fräulein!
Ist Ihre Frau Mutter zu sprechen?“

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Er denkt immer an "Sie"
Erich Kunter: Eseleien
To Denn: Der Schmeichler
Julius Macon: Illustration zum Text "Leka, der Pascha und die Gans"
 
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