Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SCHICKSALE BERÜHMTER GEMÄLDE:

0 Nacherzählt von Adolf Hösel

M () N A L I S A

Die Erregung wächst von Stunde zu
Stunde. In riesigen Schlagzeilen ver-
künden Extrablätter der Millionenstadt
den Raub der Mona Lisa und bald weiß
die ganze Welt davon. Schwerwiegende
sonstige Ereignisse, und wars selbst die
Marokkokrise, werden nicht mehr bespro-
chen. Ukur die Mona Lisa ist in aller
Munde. Die Polizeiorgane werden alar-
miert, die Grenzkontrollen verschärft, aus-
ländische Dampfer auf den Meeren werden
angehalten und durchsucht. Aber keine
Spur einer Entdeckung. Der Dieb scheint
wie die Mona Lisa vom Erdboden ver-
schwunden zu sein. Ja, ein furchtbarer
Gedanke verbreitet sich in Windeseile: ein
Geisteskranker konnte die wahnwitzige Cat
begangen haben und man ergeht sich in den
schlimmsten Vorstellungen. Auf der Stelle
laßt der Polizeipräsident von Paris Nach-
forschungen nach allen Personen anstellen,
die in den letzten Jahren aus Irrenanstal-
ten entlasten wurden oder- geflohen sind.
Aber alle Mühen sind vergebens. Auch die
heftigen, nun einsetzenden prestefehden
und Debatten in der französischen Kam-
mer hatten nur den einen Erfolg, daß es
der leitenden Behörde des Louvre an den
Kragen ging. Die Mona Lisa war und
blieb verschwunden.

So vergehen zwei Jahre, man hatte sich
mit dem schmerzlichen Verlust notgedrun-
gen abgefunden, da kommt aus Florenz die
sensationelle Nachricht, die Mona Lisa
wäre wieder aufgetaucht, in eben der
Stadt, in der sie vor vierhundert Jahren
ihren Meister gefunden hat. Je seltsamer
und undurchdringlicher das Geheimnis
ihrer Entführung war, um so einfacher
und alltäglicher sollte sich das Drama ihrer
Wiederauffindung abspielen. Gegen Ende
p)1Z war es also, da kam zu einem Anti-
quitätenhändler in Florenz ein harmlos
aussehender Mann und bot ihm, da er
angeblich in ptot geraten war, für ein
paar Lire eine Kopie der Mona Lisa an.
Eine Kopie der Mona Lisa; wie ein
Blitz schoß es dem Antiquitätenhändler
durch den Kopf, er ruft den Direktor der
Uffizien und dieser bestätigt ihm seinen
Verdacht, daß die sog. Kopie nur das vor
zwei Jahren aus dem Louvre verschwun-

Schluß von Nr. 49

dene Gemälde sein könne. Damit war also
auf unerwartete weise das Rätsel um
Mona Lisa gelöst und wie vor zwei Jah-
ren die erschütternde Botschaft, so durch-
dringt jetzt die froheste Kunde die kunst-
begeisterte Welt.

Der Täter, ein gewister Vincenzo Peru-
gia, als er nach einiger Zeit wiedergekom-
men war, um den Kauf abzuschließen,
wurde in Haft genommen und als gebore-
ner Italiener vor ein heimisches Gericht
gestellt. Als tollstes Resultat bei der Ver-
nehmung des Täters aber ergab sich, daß
ihn kurz nach dem Diebstahl die pariser
Polizei bereits in Gewahrsam hatte. Der
Polizeipräsident hatte seinerzeit nämlich

Der lachende Philosoph

Adel der Arbeit

Für den Wirkenden gilt nur das
Jetzt!

*

Tue alle Dinge, auch die unangeneh-
men, freudig; dies ist das beste Rezept,
glücklich zu sein!

*

Lege dir selbst den Zwang auf, zu
h a n d ein, denn nur die Tat erlöst dich
von deinen Schwächen!



Etwas Gewohnheitsmäßiges zu lassen
ist oft schwerer, als etwas Außergewöhn-
liches zu tun!

*

Wer vor den Aufgaben des Lebens
flieht, flieht vor der Wirklichkeit und lebt
am Leben vorbei.

an geordnet, neben der Suche nach den
etwa verdächtigen Geisteskranken sämtliche
irgendwie erreichbaren Personen, die in
den letzten Jahren vor dem Raub im
Louvre gearbeitet hatten, zu vernehmen,
und unter diesen befand sich auch der
Italiener Perugia, der einmal als Glaser
im Louvre tätig war. Er hatte damals
die Gioconda unter Glas gesetzt, kannte
also alle Schliche und die Handgriffe sehr
genau, die er anwenden mußte, um in
kürzester Zeit den raffinierten Diebstahl
ausführen zu können. Die Polizei aber
betrachtete gerade diesen Mann sehr ober-
flächlich und hielt ihn seiner Beschränkt-
heit wegen für gänzlich unfähig, ein der-
art geheimnisvolles Verbrechen zu be-
gehen. So simpel aber, wie die Polizei
glaubte, muß der Italiener nicht gewesen
sein. Er wartete zunächst einmal ab, bis
sich der Sturm um Mona Lisa gelegt
hatte, dann ließ er sich nach England ein-
schiffen und kehrte von dort in seine Hei-
mat zurück.

Er war dann schlau genug, um bei dem
gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Ver-
fahren sich als national gesinnten Italiener
hinzu stellen und seine Tat damit zu ent-
schuldigen, daß er mit dem Raub im
Vlamen des italienischen Volkes nur eine
späte Vergeltung üben wollte für die viel
schlimmeren Räubereien, deren sich einst
Vlapoleon an den italienischen Kunst-
schatzen schuldig gemacht hat. Dieser klu-
gen Verteidigung hatte er es wohl zu
verdanken, daß er mit der gesetzlichen
Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis
davonkam. Doch auch diese Strafe stand
nur auf dem Papier, da ihm ein großer
Teil auf dem Gnadenwege geschenkt und
der Rest als in der Untersuchungshaft ver-
büßt angerechnet wurde. Und was die
Mona Lisa betrifft, so hat sie selbstver-
ständlich, vielleicht zum Leidwesen manches
kunstbegeisterten Italieners, ihre zweite
Reise nach dem Louvre in Paris ange-
treten. Dort hat sie einen neuen, nicht
minder ausgesuchten Platz bekommen, für
alle Zukunft wohl bewacht und behütet
und des nie schwindenden Interesses sicher,
das der unsterblichen Schöpfung des
großen Italieners gebührt.
Index
[nicht signierter Beitrag]: Der lachende Philosoph
Adolf Hösel: Mona Lisa
[nicht signierter Beitrag]: Vignette
 
Annotationen