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Vorhang der Schatten eines Flötenspie-
lers lag.
„Merkwürdig", sagte Bertling betrof-
fen. „Ich zerbreche mir wochenlang den
Ropf, wie ich das Bild taufen soll, und
Sie finden im Handumdrehen den richti-
gen Namen dafür, übrigens ist es wirk-
lich mein bestes Bild, wenn Sie auch so
gut spielen können, wie Sie urteilen,
dann müssen Sie wirklich was los haben!"
„Man tut, was man kann", sagte der
Gast und wandte sich mit zuckenden Mund-
winkeln ab.
Hertling goß den Tee auf, und dann
setzten sie sich an den Tisch. Würste, Rase
und cblsardinen lagen auf dem Teller. In
einem Rörbchen standen Backwerk, Äpfel
und Nüsse bereit. „Greifen Sie zu und
lassen Sie sich nicht nötigen", sagte Bert-
ling, schnitt einige Scheiben Brot vor
und hieb ein.
„Gesegnete Mahlzeit", sagte der Gast
und langte zu.
„Spater", sagte Hertling mit vollem
Munde, „trinken wir noch eine Flasche
wein!"
So aßen sie, bis sie satt waren, und
redeten dabei von diesem und jenem.
Dann holte Hertling das Lhristbaum-
chen aus der Ecke, stellte es auf den Tisch,
brannte die roten Rerzen an und drehte
\iöq Csiu
n
den
Der Kachttau streichelt mir die heißen
Wangen,
Am dunklen Firmament strahlt hell ein
Stern,
Die Seele ist weit offen zu empfangen,
Die Ewigkeit ist mir so nah — so fern!
Die Seele ist weit offen zu erleben
Und mitzuteilen andern Seelen all.
Der Geist bereit — ans Ganze sich zu
geben
Und auf zu gehn im ewigen Überall.
Der Geist bereit sich frei emporzuschwingen.
Um zu vermählen sich mit Raum und Zeit!
Ich fühl es ganz — ich bin in allen
Dingen,
Ich bin im Jetzt und in der Ewig-
keit!
J. Zercher
die Lampe aus. Die Flammchen flackerten
leise, und an der Decke hüpften dre Schat-
ten wie Frösche umher. Ein Nadclastchen
fing Feuer, knisterte und rauchte, und
verbreitete einen herzhaften Geruch.
Hertling klemmte die Flasche zwischen
die Rnie, bohrte den Rork an und zog ihn
mit einem kleinen Blaff heraus. Der
wein gluckste in die Glaser, und sie
stießen an.
„Aus die Runst, lieber Hertling", sagte
der Gast, „und auf daß es Ihnen gedeiht!"
„Danke", sagte Hertling, „und auf
frohe Weihnacht!"
Ietzt hielt der Gast die Zeit für gekom-
men. Er griff nach seinem Rasten, zog die
Hülle herunter, hob den Deckel und nahm
die Geige zur Hand. Sie sah aus wie jede
andere Geige, Hertling trat naher. „Hat
ihr der Sturz geschadet;", fragte er.
„Es fehlt nichts", sagte der Gast und
stimmte die Saiten. Dann schraubte er-
den Bogen zurecht, setzte die Geige an
und begann zu spielen.
„Stille Nacht, heilige Nacht", schwang
es überaus rein und zart durch das Ate-
lier. Hertling steckte sich eine Zigarre an,
legte sich auf den Divan und sang mit.
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Vorhang der Schatten eines Flötenspie-
lers lag.
„Merkwürdig", sagte Bertling betrof-
fen. „Ich zerbreche mir wochenlang den
Ropf, wie ich das Bild taufen soll, und
Sie finden im Handumdrehen den richti-
gen Namen dafür, übrigens ist es wirk-
lich mein bestes Bild, wenn Sie auch so
gut spielen können, wie Sie urteilen,
dann müssen Sie wirklich was los haben!"
„Man tut, was man kann", sagte der
Gast und wandte sich mit zuckenden Mund-
winkeln ab.
Hertling goß den Tee auf, und dann
setzten sie sich an den Tisch. Würste, Rase
und cblsardinen lagen auf dem Teller. In
einem Rörbchen standen Backwerk, Äpfel
und Nüsse bereit. „Greifen Sie zu und
lassen Sie sich nicht nötigen", sagte Bert-
ling, schnitt einige Scheiben Brot vor
und hieb ein.
„Gesegnete Mahlzeit", sagte der Gast
und langte zu.
„Spater", sagte Hertling mit vollem
Munde, „trinken wir noch eine Flasche
wein!"
So aßen sie, bis sie satt waren, und
redeten dabei von diesem und jenem.
Dann holte Hertling das Lhristbaum-
chen aus der Ecke, stellte es auf den Tisch,
brannte die roten Rerzen an und drehte
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Der Kachttau streichelt mir die heißen
Wangen,
Am dunklen Firmament strahlt hell ein
Stern,
Die Seele ist weit offen zu empfangen,
Die Ewigkeit ist mir so nah — so fern!
Die Seele ist weit offen zu erleben
Und mitzuteilen andern Seelen all.
Der Geist bereit — ans Ganze sich zu
geben
Und auf zu gehn im ewigen Überall.
Der Geist bereit sich frei emporzuschwingen.
Um zu vermählen sich mit Raum und Zeit!
Ich fühl es ganz — ich bin in allen
Dingen,
Ich bin im Jetzt und in der Ewig-
keit!
J. Zercher
die Lampe aus. Die Flammchen flackerten
leise, und an der Decke hüpften dre Schat-
ten wie Frösche umher. Ein Nadclastchen
fing Feuer, knisterte und rauchte, und
verbreitete einen herzhaften Geruch.
Hertling klemmte die Flasche zwischen
die Rnie, bohrte den Rork an und zog ihn
mit einem kleinen Blaff heraus. Der
wein gluckste in die Glaser, und sie
stießen an.
„Aus die Runst, lieber Hertling", sagte
der Gast, „und auf daß es Ihnen gedeiht!"
„Danke", sagte Hertling, „und auf
frohe Weihnacht!"
Ietzt hielt der Gast die Zeit für gekom-
men. Er griff nach seinem Rasten, zog die
Hülle herunter, hob den Deckel und nahm
die Geige zur Hand. Sie sah aus wie jede
andere Geige, Hertling trat naher. „Hat
ihr der Sturz geschadet;", fragte er.
„Es fehlt nichts", sagte der Gast und
stimmte die Saiten. Dann schraubte er-
den Bogen zurecht, setzte die Geige an
und begann zu spielen.
„Stille Nacht, heilige Nacht", schwang
es überaus rein und zart durch das Ate-
lier. Hertling steckte sich eine Zigarre an,
legte sich auf den Divan und sang mit.
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