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„Seit wann trägt cler Weihnachtsmann einen ondulierten
„Seit er in die Modeschule gegangen ist, Bester

BartT

Schrei über zitternde Lippen. „Stecke auch
du die Füße ins Becken!"

Wohl tat Christel erschrocken wie ihr
geheißen, aber sie frug sich im Stillen, ob
ihre würdigen Nachbarn nicht etwa plötz-
lich in ihrem Verstände getrübt seien.
Raum saß sie zwischen dem Hausherrn
und seiner Hanum, fiel von rechts und von
links ein erregtes Erklären über sie her.

„Vor zwei Stunden hat es begonnen",
sagte der Pascha, „wir saßen beisammen,
ich nähte, der Pascha las", fuhr Aische dem
Gatten entgeistert ins Wort. Dann wieder
der Pascha: „Mit einemmale überfiel uns
ein Heerwurm von Flöhen und Wanzen —
so blicke doch aus den Boden — ein Heer-
wurm, sage ich dir, schwarz, krabbelnd und
ekel. Sicherlich hat ein Hausgenosse Allah
beleidigt, — dies ist die Strafe — nie
noch hat man solches erfahren — durch
alle Ritzen und Türen, über Fensterbänke
und Schwellen quollen und quellen sie
herein. So sieh doch, — Erbarmen!"

Er wies mit bebendem Finger den Bo-
den — und wirklich —, nicht im verloren-
sten Schlafe hätte das Mädchen ähnlichen
Schrecken für möglich geglaubt: zu Tausen-
den wurlten die Flöhe, humpelten schwer-
fällige Wanzen — und wie sie diese Feinde
der Menschen näher besah, schienen sie ihr
taumelnd und trunken, die Flöhe hatten zu
springen verlernt — wie grauengepeinigt
waren auch sie zu Rreuchern geworden.

„Unsere Flöhe und Wanzen von drüben"
dachte erleuchtet und schuldbeladen das
Mädchen „unser sämtliches Geziefer auf
der Flucht vor meinem Lysol!"

Sie erstickte ihr Lachen, sie verschwieg
ihr Begreifen, voll Teilnahme horchte sie
auf die Selbstanklagen ihrer lieben türki-
schen Freunde: „Ich habe neulich Abdurrah-
man, den Bootsknecht, geschlagen; dies hat
vielleicht Allah erzürnt." „Ich verweigerte
einem Bettler den Piaster" — „ich wünschte
Raire Hanum ein Übel" — „ich forderte
von Selim, dem Bauern, die Pacht, wenn-
gleich sein Wasserbüffel krepierte" — „ich
zeigte Rüschti, den Steuereinnehmer,
seiner Unterschleife wegen nicht an" —
„ich ließ mir ein Lakschisch der Engländer
gefallen, die durch mich zum Ralifen ge-
langen wollten" — „ich aber ließ Reya,
die kleine Magd, auf Erbsen knien, weil
sie mich beim Rämmen gerupft hat. Ach
wir Sünder, wir Sünder! Allah — Er-
barmen!"

Das Mädchen hörte dies alles, sie
meinte tröstend, so lange wir auf Erden
wallen, sei uns Vollkommenheit trotz
besten Willens versagt; sicherlich würden
Flöhe und Wanzen verschwinden. Sie
nannte schüchtern als Heil- und Rettungs-
mittel Lysol: „wir wollen Allahs Strafe
geduldig ertragen", sagte dagegen die
Hausfrau. „Bedenke", wehrte ihr ener-
gisch der Pascha, „daß uns dies Ungeziefer
vernichtet, wenn wir es nicht austilgen,
ehe es nistet..."

Christel wartete das Ende des from-

men Streites nicht ab. Sie empfahl sich,
sobald die Höflichkeit dies gestattete, sie
nahm auch die Stöckelschuhe an, die die
Hausfrau ihr bringen ließ, um den weg
bis zur Türe zu wagen.

Sie bezog in der nächsten Woche mit
ihren Eltern das neue Haus; alles Ge-
ziefer hatte den Ronak verlassen.

Bei ihrem nächsten Besuch vertraute
ihr Frau Aische, daß Allah in Gnaden sie
von seiner Geißel befreite. Der Pascha
habe freilich mit Lysol ein wenig der gött-
lichen Erbarmung nachzuhelfen gesucht.

wohin darauf Flöhe und Wanzen ver-
zogen, konnte Christel niemals erfahren.

Liebe fugend!

Schriftleiter: „Lehnen Sie die Beiträge
da mit Dank ab!"

Tippfräulein (schreibt): „wir danken
Ihnen, daß Ihre Beiträge für uns nicht
verwendbar sind."

Anzeigen* Glossen

„Hausmädchen, ordentlich, bis zum ).
gesucht..."

Für eine solch kurze Zeit wird man sich
wohl an Ordnung gewöhnen können und
nach dem j.--

*

/,Iüngeres Mädchen, 35 Iahre in einem
frauenlosen Haushalt tätig, sucht Stel-
lung."

So sehr jung scheint das Mädchen
gerade nicht mehr zu sein!

*

//Iunger Mann sucht Mädchen mit
10000 Mark zwecks Neigungsehe."

Hier scheint der Grad der Neigung
schon festgelegt zu sein.

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[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
[nicht signierter Beitrag]: Anzeigen-Glossen
Haux: Zeichnung ohne Titel
 
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