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Keller- Kühne

'Rutscher unter die mächtigen Säulenfüße,
den sie so lange aus dem Boden rollte, bis
der Mann tot war. welche Aufregung
dabei im Elefantenstall herrschte, kann man
sich leicht vorstellen. Auf das Schreien des
Mannes waren eine Anzahl Zirkusleute
zusammengelaufen. Niemand wagte jedoch,
gegen den Elefanten vorzugehen, weil man
befürchtete, daß „Rosa" dann erst recht
den Mann zertreten würde. So hoffte man
durch gütliches Zureden, das Tier von
seinem Opfer abzulenken. Doch vergebens!
„Rosa" rollte den Unglücklichen seelen-
ruhig weiter, dem schon beim Mund und
bei den Obren das Blut austrat-. Da kam
man auf die Idee, die „große Jenny" zu
Hilfe zu holen. Leider kam sie, die man
erst von der Fußkette losmachen mußte, zu
spät. Der Mann war bereits tot. Die ge-
hörige Portion Prügel, die „Rosa" von
„Jenny" bekam, konnte ihm nichts mehr
nützen. „Rosa" hat auch im Zirkus Busch
ein wertvolles Menschenleben vernichtet,
und zwar den 72 Jahren alten, berühmten
Dompteur Wilhelm Philadelphia. Phila-
delphia, ein Mitarbeiter des alten Hagen-
beck, war einer der ersten Elefantendomp-
teure. Er brachte als erster eine Dressur-
nummer heraus, bei der Elefanten auf
einem Dreirad fuhren und über eine
Rutschbahn kollerten. Ihn hat nun „Rosa"
eines Tages an die wand gedrückt und
so getötet.

Beim Zirkus Sarrasani wird von einer
Schlacht erzählt, die zwischen Elefanten
und amerikanischen Studenten geliefert
wurde. Es war zur Zeit, als der Zirkus
Sarrasani seine Südamerika-Tournee ab-
solvierte. Dank eines guten Reklamemanö-
vers war der Zirkus in Rio de Janeiro
bereits für einige Wochen im voraus aus-
verkauft. Die Studenten in dieser süd-
amerikanischen Stadt standen unter Aus-
nahmegesetzen und waren sehr selbst-
bewußt und anmaßend. Besonders sahen
sie darauf, daß ihren wünschen Rechnung
getragen wurde. Sie verlangten gleich zum
Anfang des Gastspiels eine Gratisvor-
stellung, die natürlich wegen der ausver-
kauften Vorstellungen nur für einen spä-
teren Zeitpunkt zugesagt werden konnte.
Das war ihnen jedoch nicht recht und sie
gaben der Zirkusdirektion bekannt, daß sie
an einem der folgenden Tage den Zirkus
besuchen würden. Tatsächlich rückten auch
einige tausend Studenten im geschlossenen
Zug an. Sie mußten wegen des Publikums,
das die Plätze bereits bezahlt hatte, ab-
gewiesen werden. Nun kam es zu großen
Tumulten und die Studenten gingen
daran, den Zirkus zu stürmen. Da der
Haupteingang stark bewacht war, versuch-
ten sie ihr Glück von der rückwärtigen
Seite des Zeltes und gerieten unglücklicher-
weise in den Elefantenstall. Die Dickhäu-
ter, ausgescheucht, rissen sich von den Ret-
ten los und stürzten sich auf die schreiende
Menge. Ein Elefant bekam dabei einen
Studenten zu fassen und warf ihn in wei-
tem Bogen in die herandrängenden Leute,
wo er tot liegen blieb.

wenn das Jahr dem Esel glich,
Störrisch immerzu:

Walfisch in Sicht

Schwere Stürme hatten die See bis in
die Tiefe aufgewühlt. Aber seit Tagen
flaute der Sturm schon ab.

Die Männer auf den Fischdampfern
atmeten auf. Nun gings dem heimatlichen
Hafen zu.

Ahnte keiner etwas Böses, als der
Schiffsjunge plötzlich „Achtung", rief,
„Achtung, steuerbord ein Walfisch in
Sicht!" '

was nützten ihnen schon Walfische. Sie
fingen Heringe und anderes Fischzeug,
das war ihr Beruf. Aber mit diesem
Walfisch schien was Besonderes los zu
sein. Er blies keine Atemstrahlen in die
Luft, tauchte auch nicht unter, ab und zu
nur hob sich sein mächtiger grauer Leib
aus der Dünung.

Der Räpten reckte sich fast den Schädel
aus dem Hals. Vielleicht war das Un-
geheuer tot und trieb nur noch auf den
Wellen.

Der Maat baute in aller Eile eine
mächtige Harpune, an die Harpune ban-
den sie einen Strick, sicher ist sicher, von
beachtlicher Länge, dann steuerte der
Steuermann den Eimer langsam längsseit.

plötzlich war es soweit, der Maat warf
das Harpunending mit einem Schwung
auf den grauen, toten Rörper, mit einem
Schwung, sage ich Ihnen, daß die anderen
glaubten, er gebe gleich mit über Bord.

„wer war schuld", so frage ich;
Der „Esel" oder Du;

Und er schien tatsächlich tot gewesen zu
sein.

Ha, dachte der Rapitän und rieb sich die
Hände, allein das Walfischambra hat
einen wert, na sagen wir, von einem
Haus und zwei Milchkühen.

Ha, dachte der Maat, auf meinen An-
teil kommt mindestens das Rlavier, das
sich Frau Maat schon lange wünschte.

Ha, dachte auch der Steuermann, das
gibt bestimmt von meinen Walfischpro-
zenten eine Rrokodilledertasche für meine
Minna.

Und auch der Schiffsjunge nahm an,
daß ihm zehntausend Zigaretten auf seinen
Anteil gewiß wären.

Als sie dann im Hafen waren, als sie
dann den toten Rörper unter riesiger
Beteiligung aller, die tagsüber am Hafen
standen, emporzogen, stellte es sich heraus,
ja, stellte es sich tatsächlich heraus, daß sie
einen auf den Wellen treibenden Luft-
ballon torpedierten, einen Luftballon, der
sich von einer meteorologischen Station
losgerissen hatte.

Am Luftballon aber hing noch immer
eine Rarte, eine wasserdichte Rarte mit
der Bitte, sie gegen Erstattung von einem
Dollar an die angegebene Adresse zu
senden.

Sie haben dann den Dollar redlich ge-
teilt, der Räpten, der Steuermann, der
Maat, die Matrosen und der Schiffs-
junge dieses vom Glück so verfolgten
Fischdampfers. E. T. T h r i st 0 p h 6

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Register
Josef Woldemar Keller-Kühne: Zeichnung ohne Titel
Eduard Curt Christophé: Walfisch in Sicht
 
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