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Der Rameradschaftsabend der A r ch i t e k t e n
ü)tn Sie", sagte mein freundlicher
Nachbar, „dort sitzt eben die Brücke von
N., Sie wissen schon, mit der berühmten
Spannweite, beim neuen Rathaus von £.
Und die Siedlung bestellt eben Rotwein .."
Da waren Burgen da, Herbergen der
Jugend, Reichsstraßen, Garten, Theater,
Museen, griechische Säulen und Einspän-
nervillen, Bahnhöfe, Raufhäuser. Die
Architekten hatten ihren Rameradschafts-
abend im Rünstlerhaus, und man konnte
sich die schwarzen Fräcke und weißen We-
sten so gut mit roten Dächern und weißen
Mauern illustriert denken. Vielleicht wohnt
in dem Herrn, der eben vor seiner Dame
zum Tanz sich verbeugt, eine siebenköpfige
Familie, die nun das Radio zum Schlum-
merlied dämpft? Hier aber klangen die
Geigen.
Es waren viel schöne Frauen da, die
Gewänder flössen. Sollen die Schneider,
die bekanntlich Leute machen, nicht den
Bauherrn helfen die Epochen kleiden?
Rein Platz war im großen Hause mehr
frei — da fühlte man am besten, wie jene
Kunst, die Platz und Raum für Menschen
schafft, im Reiche wieder blüht. Und der
Freund und Schirmherr der Künste im
Gau, Staatsminister, Gauleiter Adolf
Wagner, weilte mit seinem Stab von
Künstlern bei den Fröhlichen. Goldschmiede,
Verleger, Dichter, Maler, Sänger, alles,
was unterm Dach der Baukunst blüht,
fügte sich auch hier in ihre Reihen.
Ein kabarettistischer Cocktail pulverte
die Mitternacht auf, man spürte noch im
Morgengrauen seine Wirkung. Sid und
Chester vom Deutschen Theater wirbelten
ihre Parkettakrobatik in atemraubender
Fixigkeit, sie bauten Brücken und ließen
sie einprasseln, sie spielten Bumerang mit
einer schlanken Dame, den Statikern
sträubte sich das letzte Haus am Kopfe.
Es sangen die drei Rulands vom Lentral-
palast, in zehn Minuten führten sie durch
einen ganzen Sendetag — eine Spargel-
büchse war das Mikrophon: — von Lincke
bis Lincke, man hätte ihnen einen wirk-
„Ich habe Ihnen für heute abend eine
Mehlspeise serviert, Herr Baron!'
„Solange Sie bei meiner Anwesenheit
den Ventilator nicht abstellen, ist das trotz-
dem kein anständiges Lokal!'
liehen Sendetag lang zuhören mögen. Und
wie sie das Lied vom wind summten,
vom „Schwind..!" Die Geschwister Döpf-
ner vom Deutschen Opernhaus zu Berlin
tanzten in roten Schühlein dalmatinisch,
sie steppten schillernd, wild wie eine Broad-
wayschlucht, die unter Lichtreklamen bro-
delt, sie schwebten im „Kaiserwalzer" in
Schleiern, schmetterlingsleicht und hold
wie ein Maienfrühling in den prater-
auen. wie ihre Locken flogen und die
Rücken sich bogen — wär ich ein Architekt,
ich baute ein gläsernes Haus für die Nix-
lein! Akrobatisch tanzten Silvia und Chri-
stians vom Odeon-Casino. Dann kam zum
Schluß Werner Kroll von der Bonbon-
niere. Er sah aus, wie ein unter die Räder
gekommener 2lltphilologe, zerbeult, mit
stahlgefaßten Brillen die höchst entrüstet
funkelten, wenn der lachende Saal ihn
unterbrach. Und wie wir brüllten! wenn
er mit den weichen Vorhangfalten kämpfte,
wenn er im strengen Sächsisch den Pegel-
stand und polizeibericht am Mikrophon
verknäulte, und wenn er Lieder „sendete":
die Leander, den Kiepura, den Gigli („auf
meiner Platte steht Kickli"). wie träufelte
da das parodistische Schmalz so scheinbar
harmlos in winzigen portiönchen in die
Triller, wie kniff sich der Mund ein zu den
süßesten 2lrien und die Hand wuchs dürr
aus den Röllchenmanschetten. Zum Schluffe,
als der Beifall immer wieder den Paro-
disten rief, ging 2ldolf Wagner zur Bühne
vor und schüttelte ihm lachend die Hand,
auch hier der Sprecher seines Volks und
seiner Künstler...
Und der Abend, der lang schon keiner
mehr war, ging weiter, und Kohl-Bose
spielte auf, und das ganze Haus mit seinem
Stiegenauf und -ab, mit seinen Nischen,
Bars, Parketts und Gummipalmen, glich
einem Dampfer auf hoher See, beim
Bordfest. Sogar das Schwanken glaubte
man am Ende unterm Teppich zu spüren.
— Früh stand ein 2lrchitekt am Marien-
platz und flüsterte verzückt: „Pisa". Aber
der Rathausturm stand schon grad. Und
nur der Herr Betrachter stützte sich schräg
auf sein Stöcklein... as.
Die süße Gans
Im Tanzraum des Künstlerhauses sitzen
an einem Tisch zwei Herren und eine
Dame. Unweit davon ein Maler, der sich
lustigerweise einbildet, daß man dort drü-
ben über ihn „spricht". Er nimmt sein
Skizzenbuch zur Hand und zeichnet, wobei
er gelegentlich die Dame scharf ins 2tuge
faßt, hierauf kommt einer der Herren an
den Tisch des Malers und flüstert: „Ich
muß dagegen Einspruch erheben, daß Sie
die Dame zeichnen!" Der Maler hebt das
Blatt und sagt: „Ist das etwa die Dame?"
Schmunzelnd zieht der „Beschwerdeführer"
von dannen und der Maler lacht sich eins,
was er da gezeichnet hatte, war eine —
„süße Gans".
950
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Der Rameradschaftsabend der A r ch i t e k t e n
ü)tn Sie", sagte mein freundlicher
Nachbar, „dort sitzt eben die Brücke von
N., Sie wissen schon, mit der berühmten
Spannweite, beim neuen Rathaus von £.
Und die Siedlung bestellt eben Rotwein .."
Da waren Burgen da, Herbergen der
Jugend, Reichsstraßen, Garten, Theater,
Museen, griechische Säulen und Einspän-
nervillen, Bahnhöfe, Raufhäuser. Die
Architekten hatten ihren Rameradschafts-
abend im Rünstlerhaus, und man konnte
sich die schwarzen Fräcke und weißen We-
sten so gut mit roten Dächern und weißen
Mauern illustriert denken. Vielleicht wohnt
in dem Herrn, der eben vor seiner Dame
zum Tanz sich verbeugt, eine siebenköpfige
Familie, die nun das Radio zum Schlum-
merlied dämpft? Hier aber klangen die
Geigen.
Es waren viel schöne Frauen da, die
Gewänder flössen. Sollen die Schneider,
die bekanntlich Leute machen, nicht den
Bauherrn helfen die Epochen kleiden?
Rein Platz war im großen Hause mehr
frei — da fühlte man am besten, wie jene
Kunst, die Platz und Raum für Menschen
schafft, im Reiche wieder blüht. Und der
Freund und Schirmherr der Künste im
Gau, Staatsminister, Gauleiter Adolf
Wagner, weilte mit seinem Stab von
Künstlern bei den Fröhlichen. Goldschmiede,
Verleger, Dichter, Maler, Sänger, alles,
was unterm Dach der Baukunst blüht,
fügte sich auch hier in ihre Reihen.
Ein kabarettistischer Cocktail pulverte
die Mitternacht auf, man spürte noch im
Morgengrauen seine Wirkung. Sid und
Chester vom Deutschen Theater wirbelten
ihre Parkettakrobatik in atemraubender
Fixigkeit, sie bauten Brücken und ließen
sie einprasseln, sie spielten Bumerang mit
einer schlanken Dame, den Statikern
sträubte sich das letzte Haus am Kopfe.
Es sangen die drei Rulands vom Lentral-
palast, in zehn Minuten führten sie durch
einen ganzen Sendetag — eine Spargel-
büchse war das Mikrophon: — von Lincke
bis Lincke, man hätte ihnen einen wirk-
„Ich habe Ihnen für heute abend eine
Mehlspeise serviert, Herr Baron!'
„Solange Sie bei meiner Anwesenheit
den Ventilator nicht abstellen, ist das trotz-
dem kein anständiges Lokal!'
liehen Sendetag lang zuhören mögen. Und
wie sie das Lied vom wind summten,
vom „Schwind..!" Die Geschwister Döpf-
ner vom Deutschen Opernhaus zu Berlin
tanzten in roten Schühlein dalmatinisch,
sie steppten schillernd, wild wie eine Broad-
wayschlucht, die unter Lichtreklamen bro-
delt, sie schwebten im „Kaiserwalzer" in
Schleiern, schmetterlingsleicht und hold
wie ein Maienfrühling in den prater-
auen. wie ihre Locken flogen und die
Rücken sich bogen — wär ich ein Architekt,
ich baute ein gläsernes Haus für die Nix-
lein! Akrobatisch tanzten Silvia und Chri-
stians vom Odeon-Casino. Dann kam zum
Schluß Werner Kroll von der Bonbon-
niere. Er sah aus, wie ein unter die Räder
gekommener 2lltphilologe, zerbeult, mit
stahlgefaßten Brillen die höchst entrüstet
funkelten, wenn der lachende Saal ihn
unterbrach. Und wie wir brüllten! wenn
er mit den weichen Vorhangfalten kämpfte,
wenn er im strengen Sächsisch den Pegel-
stand und polizeibericht am Mikrophon
verknäulte, und wenn er Lieder „sendete":
die Leander, den Kiepura, den Gigli („auf
meiner Platte steht Kickli"). wie träufelte
da das parodistische Schmalz so scheinbar
harmlos in winzigen portiönchen in die
Triller, wie kniff sich der Mund ein zu den
süßesten 2lrien und die Hand wuchs dürr
aus den Röllchenmanschetten. Zum Schluffe,
als der Beifall immer wieder den Paro-
disten rief, ging 2ldolf Wagner zur Bühne
vor und schüttelte ihm lachend die Hand,
auch hier der Sprecher seines Volks und
seiner Künstler...
Und der Abend, der lang schon keiner
mehr war, ging weiter, und Kohl-Bose
spielte auf, und das ganze Haus mit seinem
Stiegenauf und -ab, mit seinen Nischen,
Bars, Parketts und Gummipalmen, glich
einem Dampfer auf hoher See, beim
Bordfest. Sogar das Schwanken glaubte
man am Ende unterm Teppich zu spüren.
— Früh stand ein 2lrchitekt am Marien-
platz und flüsterte verzückt: „Pisa". Aber
der Rathausturm stand schon grad. Und
nur der Herr Betrachter stützte sich schräg
auf sein Stöcklein... as.
Die süße Gans
Im Tanzraum des Künstlerhauses sitzen
an einem Tisch zwei Herren und eine
Dame. Unweit davon ein Maler, der sich
lustigerweise einbildet, daß man dort drü-
ben über ihn „spricht". Er nimmt sein
Skizzenbuch zur Hand und zeichnet, wobei
er gelegentlich die Dame scharf ins 2tuge
faßt, hierauf kommt einer der Herren an
den Tisch des Malers und flüstert: „Ich
muß dagegen Einspruch erheben, daß Sie
die Dame zeichnen!" Der Maler hebt das
Blatt und sagt: „Ist das etwa die Dame?"
Schmunzelnd zieht der „Beschwerdeführer"
von dannen und der Maler lacht sich eins,
was er da gezeichnet hatte, war eine —
„süße Gans".
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