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Der Ritt auf den Mond

Von Franz H e i l m a n n s e d e r

Angeregt durch unsere Artikelreihe „Un-
bekannte Miinchhausiaden" stellte uns ein
Leser der „Jugend" ein weiteres Husaren-
stückchen des unsterblichen Aufschneiders zur
Verfügung.

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reiben* von Münchhausen hatte einige
Edelleute aus der Umgebung als Gäste
auf seinem Schloß. Die Abendmahlzeit
war zu Ende und die Herren saßen am
Raminfeuer, rauchten und plauderten,
wahrend der Vollmond durch das Fenster
schien.

Der Bursche hat mir einmal sehr zu
schaffen gemacht, bemerkte Münchhausen
und deutete mit der Tabakspfeife auf das
belleuchtende Gestirn.

Wier was- erscholl es in der Runde,
jedermann witterte eine neue, kuriose Ge-
schichte des vortrefflichen Erzählers und
man forderte den Freiherrn von allen
Seiten auf, sie zum besten zu geben. Dieser
ließ sich auch nicht lange nötigen, nahm
einen Schluck aus dem Glase und begann:

Ja, meine Herren, diese Begebenheiten
liegen nun schon manches Jahr zurück,
aber trotzdem ist mir alles genau im Ge-
dächtnis geblieben. Es war eine stacht wie
heute, meine Frau und ich lagen schon
langst in den Federn, da wachte ich gegen
Mitternacht infolge einer merkwürdigen
inneren Unruhe plötzlich auf. Mein erster
Blick galt meiner Frau neben mir: Sie
war verschwunden und das Fenster, das

ich vor dem Schlafengehen geschlossen
hatte, stand weit offen. Sofort wußte ich,
was vorgefallen war. Meine Frau, die
eine starke Fantasie besaß, hatte sich wieder
einmal mittels derselben goldene Leitern
in die Luft gebaut, diesmal um auf solche
VVeise zum Mond zu gelangen, der auf sie
von jeher eine große Anziehung ausgeübt
hatte. Die Ärmste hatte aber nicht damit
gerechnet, daß sich dieser sortbewegt und
so mußte ich leider annehmen, daß sie sich
nun hilflos irgendwo im Weltraum be-
fand. Da gabs kein langes Besinnen für
mich! Ich mußte sofort zu Hilfe eilen,
freilich auf einem ganz andern weg!

wahrend mein treuer Diener Melchior
mein bestes Pferd sattelte, kleidete ich mich
rasch an, steckte Mundvorrat für einige
Tage zu mir und galoppierte Punkt ein
Uhr nachts davon, begleitet von meinem
Windspiel Diana und den besten wün-
schen Melchiors.

Die ganze flacht und den ganzen Tag
ritt ich gegen Osten, so rasch mich mein
Pferd trug. Mittels meiner astronomischen
Kenntnisse wußte ich nämlich genau, wann
und wo an diesem Tage der Mond auf-
gehen werde und ich war kaum am Ende
der Ortsrichtung, die mit einem hohen,
ziemlich steil abfallenden Berg abschließt,
angekommen, als von der Tiefe herauf der
Mond wie ein großer, silberner Ball, zum
Greifen nahe heraufrollte. Der Abstand
von den Felsen mochte kaum einige Ellen
betragen. Ich hielt mich bereit, gab im
richtigen Augenblick dem Roß die Sporen
und schon waren wir alle drei drüben!

Ich muß allerdings sagen, meine
ren, ich batte mir den Mond anziehender
vorgestellt! Statt dessen aber fand ich dort
eine wüste, sandige Landschaft vor, aus
der ziemlich steil einige kraterähnliche,
felsige Berge aufragten. Rein Baum, kein
Graslein, kein frischer Ouell: wie froh
war ich nun um meinen Mundvorrat!
Auch das Säckchen Haber, das ich an den
Sattel gebunden batte, war noch da und so
wurde zunächst eine tüchtige Mahlzeit
gehalten, von der auch Diana ihren Teil
erhielt, hernach band ich mein Pferd an
einen Felsblock und begann, weil ich vor
Ablauf von vier Stunden nichts für
meine Frau unternehmen konnte, in der
Gegend berumzustreifen.

Ganz besonders interessierte mich der
steinige Berg in meiner ^ahe. Ich klomm

den Abhang empor und blickte von oben
in den mächtigen, dunklen, grundlosen
Rrater hinab. Dabei passierte es, daß sich
unter meinen Füßen ein Stein löste und
schon glitt ich den abschüssigen Rrater-
bang hinunter. Iedem andern wäre hier
fürchterlich zumute gewesen! Ich aber ließ
mich noch ruhig eine Zeitlang gleiten und
genoß dabei den schaurig-schönen Anblick
unter mir, erst nach einer weile faßte ich
mich am Gürtel und zog mich daran lang-
sam jedoch sicher wieder in die Höhe. Ia,
dieses Spiel gefiel mir so wohl, daß ich
es aus purem Vergnügen noch etliche
Male wiederholte.

Unterdessen hatten sich in meiner Nahe
merkwürdige Tiere eingefunden, die neu-
gierig zu mir herüberäugten, aber scheu
zurückwichen, sobald ich auch nur einen
Schritt auf sie zuging. Sie besaßen etwa
die Größe eines mittelgroßen Fundes, den
Rörper eines Affen, den Ropf eines
Ralbes und meckerten wie Ziegen. Für-
wahr merkwürdige Tiere! Ich hatte der-
gleichen noch nie gesehen, wußte aber doch
sofort, daß ich es hier mit den sagenhaften
Mondkälbern zu tun hatte. Mein ganzes
Trachten war sogleich darauf gerichtet,
eines dieser interessanten Tiere zu fangen
und lebendig mit nach Hause zu nehmen.
Es gelang mir auch auf eine geradezu
lächerlich einfache weise, indem ich mich
ihrer Neugierde bediente. Ich band den
leeren Habersack mit der Öffnung nach
oben an einem Felsblock fest, ließ dann
meine goldene Tabaksdose, gut sichtbar
für die Tiere, in der Sonne funkeln und
warf sie darauf in den Sack. Raum hatte
ich mich entfernt, näherte sich neugierig
eines der Mondkälber und schlüpfte in den
Sack um sich die Dose anzusehen und ich
brauchte nur noch den Sack zuzubinden,
übrigens brachte ich dieses Exemplar wohl-
behalten mit nach Hause, wo es einige
IaHre frei in meinem park herumlief,
viel bewundert von Gelehrten und Laien.
Heute steht es ausgestopft im Naturalien-
kabinett meines Schlosses und kann von
Ihnen, meine Herren, jederzeit besichtigt
werden.

Doch zurück zu meiner Erzählung: Der
Mond hatte sich inzwischen so weit fort-
bewegt, daß es für mich Zeit wurde, auf
dem Posten zu sein. Und wirklich, es
dauerte keine Viertelstunde mehr, da kam
meine Frau in Sicht, mitten im Welt-
raum auf der obersten Sprosse ihrer Leiter
stehend. Sie Hatte mich schon von weitem
erkannt und winkte mir freudig mit ihrem
Tuche zu und es bedurfte nur mehr
meines ausgestreckten Armes, um sie zu

L. WERNER, MÜNCHEN

MAXIMILIANSPLATZ 13

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Julius Macon: Illustration zum Text "Der Ritt auf den Mond"
Franz Heilmannseder: Der Ritt auf den Mond
 
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