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Skizzenbuch der Jugend

rei saßen an der Bar. Im Rünstler-
haus. Am Neujahrstag. Es war drei Uhr
früh. Der blonde Maler aus der Goethe-
straße schaukelte melancholisch auf seinem
Stühlchen: „Es geht nicht mehr! Morgen
ist Schluß!. Aus mit der Bummelei!..."

Der zweite, der lange Schriftsteller R.
grinste; grinste unverschämt, wie nur
Schriftsteller um drei Uhr früh grinsen
können: „Viel Glück!" —

Da kam der Vierte. Der Dichter. Ram
langsam, müde, wie Schwerarbeiter gehen.
Grüßte blaß, wie eine verschneite Lilie.
Und schlich an der Bar vorbei in die
nächste Ecke. Da riefen sie ihn an. Er
winkte müde, sehr müde ab. £7im gingen
sie zu ihm. — was los sei, wo er ge-
blieben wäre, warum er denn so spat
komme und was ihm vor allem fehlere...
Er hob die Hand, ein Leidender, ein Ge-
plagter: „Ich komm nur einen Rognak
trinken! — Zur Stärkung!... Erst dachte
ich „Leberknödelsuppe" ... aber vielleicht
ist der Magen zu schwach! Also Rognak!"

Sie schwiegen erschüttert; sie starrten
ihn an, wie einen, den man aufgeben muß;
mit dumpfer Trauer im Blick.

„was ist denn eigentlich mit dir losy
Sag' schon!" ermannte sich Einer. Da er-
zählte der Dichter: „Hört, Freunde, mein
Leben ist Müh' und Plage! Um vier Uhr
knallt der Wecker. Dann schufte ich an
meinem Drama. Mit leerem Magen. Jur
kalten Atelier. Das regt an; das brennt
die inneren Feuer ab. — Dann schreibe
ich an meinem Roman; in sechs Wochen
muß er fertig sein! Um die Mittagszeit
hole ich mir einen Teller Suppe in dem

Auskochgeschäft nebenan, plur einen Tel-
ler Suppe! Es bleibt mir ja kaum Zeit
zum Esten! Und am Nachmittag arbeite
ich in der Staatsbibliothek. Für meinen
Freund X. im Waldwinkel. Der schreibt
einen historischen Roman. Er hat kein
Geld nach München zu kommen! Da mach'
ichs für ihn!" — Er seufzte. Tief über-
mannt von der eigenen Opferbereit-
schast... Und die anderen schwiegen er-
schüttert.

„wenn dann die Bibliothek geschlossen
wird, lauf' ich eine Stunde lang durch den
Englischen Garten; das Hirn lüften. Dann
geht's heim. Unfc es werden Kurzgeschich-
ten geschrieben. Jawohl, Kurzgeschichten!
Bis in die Mitternacht! wovon soll denn
der Ofen bullernd wer zahlt mir die
Mittagssuppe-" Sie schwiegen erschüttert.

Da war es wieder der Schriftsteller,
der die gedrückte Stille zerstörte. „Du,
lang hältst du das nicht aus! wie lang
treibst du denn das schorn"

Da hob der Dichter den müden, um-
florten, gequälten Blick: „... Morgen!...
Morgen fang ich an!..." o s y. —

Ein bekannter Münchener Arzt kann es
nicht vertragen, wenn jemand um einer
Geringfügigkeit willen seine Hilfe Ln An-
spruch nimmt. Und nichts ist ihm mehr
verhaßt als Zimperlichkeit. Eines Tages
wird er zu einer Rünstlerin gerufen; es
sei höchste Eile not. Er stürzt ans Kran-
kenlager und konstatiert eine leichte Haut-
abschürfung.

Sofort setzt er seine besorgteste Miene
aus und befiehlt dem Dienstmädchen, so
schnell als möglich ein Rezept aus der
Apotheke zu besorgen. „Laufen Sie, ver-
säumen Sie keine Minute", schrie er der
Enteilenden nach. Die Künstlerin fragt
erschrocken: „Ist es so schlimme"

„wenn sie sich nicht aufs äußerste be-
eilt, ist zu befürchten" — Entsetzt starrt

ihn die Diva an — „ist zu befürchten",
sagt er gedehnt, „daß die Wunde be-
reits geheilt ist, ehe das Mädchen zurück-
kommt." ...

*

Hans Albers, der Hauptdarsteller
in dem Tobis-Film „Sergeant Berry",
batte sich in München bei den schwierigen
2tußenaufnahmen zu diesem Film den Fuß
verstaucht; er mußte täglich zur Massage,
die er lächelnd über sich ergehen ließ,
„wie können Sie das nur aushalten, ich
vergehe vor Schmerzen", sagte bewun-
dernd ein anderer Patient, der die gleiche
Behandlung durchmachen mußte. „Ia,
mein Lieber" antwortete Albers pfiffig:
„Denken Sie etwa, ich halte den kranken
Fuß bim!"

Der Wißtöter

wieder drei. 2luch sie sitzen im Rünstler-
haus. Um drei Uhr früh. Und schimpfen.
2luf die „Jugend" im allgemeinen; und
auf Witze im besonderen. „Witze!" höhnt
der erste. „Witze! Ihr kennt doch die
traurige Frage: Es ist dreißig Meter lang,
liegt auf der 2lutobahn und sonnt sich. —
Und wenn's einer nicht errät, sagt man
noch trauriger: Der Bart von deinem
Witz!"...

„Witze!" kreischt der zweite. „Witze!
wenn ich nur so was hör', muß ich wei-
nen! Aus Mitleid! Über die Hinfälligkeit
dieser Armen, Geplagten, Ewig-Gehetzten.
In dichten Scharen werden sie Heran-
getrieben; man kann gar nicht lachen; ist
erschüttert, daß man mit dem 2llter solchen
Unfug treibt!"

„Witze!" brüllt der dritte. „Witze! —
Solche, die vor Verschliffenheit schon zer-
fallen! Denen der Ralk aus jeder Pointe
staubt, daß man husten muß, wenn sie
einer erzählt!"

„Witze!" Der erste schnauft erregt:
„Um die Ohren schlagen sollte man jedem
Witzblattredakteur dieses alte Gelumpe!
— um die Ohren! —"

Und dann war es still...

Die anderen zwei sahen sich an. Suchten
den Dritten. Der schlich durch die Hinter-
tür zur Regelbahn, „was hat er denrn"
fragte der Eine. „Er ist seit einer Woche
Redakteur bei einem Witzblatt!" ...

Eine Uhr schlug viertel vier ...

osy. —

GALERIE AM EINBACK! P>D,Af2

(VORM. HEINEMANN)

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[nicht signierter Beitrag]: Skizzenbuch der Jugend
Max Mayrshofer: Zeichnungen ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Der Witztöter
 
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