V
V
Q-n-n Oi f
^Jriecnijclie o^iebes/a
aöen
Pygmalion
m
$
.ji
m
///
F/'
Der Bildhauer Pygmalion hatte sich
lange nach einer Genossin gesehnt — aber
er fand keine Frau, die ohne Mängel war.
und da er nur das Fehlerlose wollte, blieb
er allein. Nun hatte er aus Elfenbein ein
Standbild verfertigt, das ihm ganz voll-
kommen erschien und er entbrannte in
Liebe zu diesem Bildnis. Er umarmte und
liebkoste die Statue, umwarb und um-
schmeichelte sie. Er zog ihr sorgfältig ge-
fältete Kleider an, legte ihr Ketten um den
Hals, steckte Perlen an ihre Ohren und
schmückte die Finger mit Ringen. Er
brachte ihr Muscheln und bunte Vögelchen
zum Geschenk, gab ihr einen Granatapfel
in die linke und eine Lilie in die rechte
Hand.
Am Feste der Aphrodite brachte Pyg-
malion sein Opfer, und er bat die Göttin
inständig, das geliebte Bildnis zu beseelen.
Aphrodite erhörte ihn: als er nach Hause
zurückkehrte und die Statue umarmte, er-
wärmte sich das Elfenbein an ihm, wurde
schmiegsam und seine Küsse wurden er-
widert.
Der beste Lohn
Die Brüder Trophonios und Agamedes
waren die berühmtesten Baumeister der
ältesten Zeit; noch späte Geschlechter zeig-
ten sich das Schatzhaus, das sie dem König
Hyrieus erbauten, und das Grabmal, das
sie in Theben der Königin Alkmene er-
richteten. Apollon berief sie nach Delphi,
um seinen Tempel zu erbauen. Als sie
frommen Herzens das hohe Gebäude voll-
endet hatten, baten sie Apollon um ihren
Lohn und der Gott antwortete, er wollte
ihn am siebten Tag senden; bis dahin soll-
ten sie es sich wohl sein lassen. So weilten
die Brüder sieben Tage lang bei ihrem
vollendeten Werk, saßen abends lange
beim Mahl und freuten sich am Flöten-
spiel und am Gesang. Am siebten Tag
sandte Apollon ihnen einen Schlaf, aus
dem sie nicht wieder erwachten.
22
Friede der Schönheit! Göttlicher Friede!
Wer einmal an dir das tobende Leben
und den zweifelnden Geist besänftigt, wie
kann dem anderes helfen?
Wie der Zwist der Liebenden, sind die
Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist
mitten im Streit, und alles Getrennte
findet sich wieder.
Nicht sowohl, daß sie so sind, wie sie
sind, sondern daß sie das, was sie sind,
für das Einzige halten, und nichts anderes
wollen gelten lassen, das ist das Übel.
Hölderlin
Die Braut
Idas hörte Jammergeschrei und Hilfe-
rufe. Er ging aus seinem Haus und
durchspähte Tal und Höhen: auf dem
Bergweg entführte Apoll die geraubte
Marpessa. Idas stieg auf das Dach seines
Hauses, schrie über das Tal hinüber ,,Halt
Räuber!“ und legte auf Apollon an.
Apollon brachte seinen Wagen zum
Stehen, Marpessas Geschrei verstummte.
,,Was willst du?“ rief Apollon. ,,Deine
Braut“, schrie Idas, ohne den Bogen ab-
zusetzen, denn er sah, wie schön das wei-
nende Mädchen war. Apollon maß er-
staunt den kraftstrotzenden Mann. ,,Du
wagst mehr als andere Sterbliche!“ rief er.
..Komm her! Möge die Braut selbst ent-
Erster Schnee
Das dürre, dichte Kraut, das alle Kämme
Der Heidehügel deckt, steht weißbereift.
Die nackten, mädchenhaften Birkenstämme
Durchläuft ein Schauer, wenn der Wind
sie streift.
Vom Himmel hangen dunkle Wolkenballen.
Nun stockt der Wind — Erwartung füllt die
Welt,
Und tastend erst, dann dicht und dichter
fallen
Die ersten großen Flocken auf das Feld.
R. T. Spitz
scheiden.“ Idas stürzte zu Tal und klomm
an steiler Bergwand wieder hinauf. Als
er vor Apollon und Marpessa stand, hatte
das Mädchen schon entschieden: sie wollte
die Braut des Sterblichen sein. ,,Denn
wenn ich altere, wird der Gott mich wie-
der verlassen“, sprach sie. Idas nahm sie
auf seinen Arm und brachte sie in sein
Haus.
Zeus raubt Aigiua
Der Flußgott Asopos fuhr auf aus dem
Schlaf,. da das Wasser klang und das
Schilf sich rührte. Er lief zum Lager sei-
ner Tochter — es war leer: Aigina war
geraubt. Asopos suchte am Ufer auf und
ab, und da er nichts fand, klopfte er an
alle Türen und fragte, ob jemand den
Räuber seiner Tochter kenne. So kam er
nach Korinth zum König Sisyphos. Der
sagte: ,,Ich weiß es und ich verrate es dir,
mein lieber Flußgott, wenn du dafür mei-
ner Burg eine Quelle schaffst.“ Asopos
blickte finster, schlug mit seinem Stab auf
den Grund und die Quelle Peirene ent-
sprang. Da flüsterte ihm Sisyphos ins Ohr:
„Zeus hat das schlafende Mädchen ent-
führt. Er trug sie zärtlich auf seinen Ar-
men vorüber und eilte ostwärts.“ Asopos
stöhnte, raufte sein Haar und rannte ost-
wärts. Da kamen ihm aber Steinhagel,
Donner und Blitz entgegen und schleuder-
ten ihn in sein altes Flußbett zurück. Im
strömenden Asopos finden sich seitdem
Kohlen.
Zeus aber ging, als er so den verfolgen-
den Vater zurückgeschreckt hatte, zu einer
einsamen Insel hinüber, bettete Aigina
sanft und kam zu ihr in Feuergestalt.
Aigina gebar dem Zeus ein Söhnlein
und nannte es Aiakos. Als der Knabe
herangewachsen war und sich allein auf
der Insel fand, betrachtete er das Gewim-
mel der Ameisen, die eifrig sammelnd und
schleppend hin und her hasteten, und er
wünschte sich ein Volk, so arbeitsam und
wimmelnd wie die Ameisen, über dem er
als König herrschen könne. Da schuf ihm
Zeus Menschen aus den Ameisen und Aia-
kos nannte sie Myrmidonen oder Ameis-
ler. Die Insel wurde nach der Geliebten
des Zeus Aigina genannt.