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um Frau Agathe gewoben, von Weltslucht
und kalter Enttäuschung, er bog dunkle
Verse um ihre sehnsüchtigen Augen, wagte
es aber nicht, sie auch nur zu grüßen
wenn sie irgendwo an einer Wegbiegung
saß und mit ihrem Schirme verträumte
Zeichen in den Wegsand kritzelte.

Kriege

Das Ampellegendchen

Von Leo Hans M a l l y

A

ls die schöne Frau Agathe L. ein
wenig müde von den schon weit in den
Sommer gespannten Mächten am Lido
Heimsuhr, überfiel sie, als der Zug vom
Gebirge her die erntesommerliche Land-
schaft Bayerns durchraste, plötzlich die
Sehnsucht nach Stille und Einsamkeit.
Und da sie schon oft mit dem Gedanken
gespielt hatte: ganz allein Ln einem

stillen bergwarmen Sommerwinkel einige
Wochen zu leben — stieg sie, als die
weichen, dunklen Berge des Böhmer-
waldes über den spaten Rornfeldern blau-
ten, mit all ihrem Gepäck und ihrer alten
Dienerin an einer kleinen Station aus und
mietete sich in einem bescheidenen kleinen
Gasthause ein, vor dem die Linden eben
verblüht waren und die Nachte warm und
rauschend durch die kleinen Fenster sahen.
Ihrem Manne, den eine große Geschäfts-
reise festhielt, schrieb sie, daß sie sich nach

all dem bunten, jagenden Treiben am
Meere müde fühle und daß sie sich hier in
diesem Gebirgswinkel nach Sommerruhe
sehne.

So lebte nun Frau Agathe in den stillen
Tagen, die blau und mit viel goldenen
Wolken an den Berghängen vergingen,
versonnen und einsam, die Wege waren
von Sommerdunkel überrauscht und die
Mächte mit großen nahen Sternen behän-
gen. Es traf sich aber, daß in demselben
Orte ein junger Doktor wohnte, der ein
heimlicher Dichter war und in einem alten,
halbverfallenen Jagdschlösse eine große
Arbeit über alte Volkskunst schreiben
wollte. Auf seinen Gängen war ihm nun
schon oft die schöne träumende Frau be-
gegnet, um die seine Gedanken kreisten,
ehe er sich's versah.

Und wie es heimliche Dichter schon tun,
hatte er gleich eine wehmütige Legende

Frau Agathe aber, zuerst ganz warm
und still in dieses walddunkle Sommer-
leben geschmiegt, hatte schon lange ihre
müden Gedanken in alle Wipfelwinde ge-
dacht und fand es bereits ein bißchen lang-
weilig, die einsame, stille waldsrau zu
spielen. Und so kam es, daß der junge
scheue Mensch, der ihr täglich in den Weg
lief, sich bald in ihre Gedanken verirrte.
Nur war sie mehr klug als Dichterin und
sie sann keine Geschichte um den jungen
Mann, sondern fragte im Gespräche ihre
Wirtin nach ihm und erfuhr alles, daß
er ein junger Gelehrter sei, ein großes
Werk schreibe und hier nach alten Runst-
tümern suchte. So wußte sie, als sie ihn
einmal im Walde nach einem Wege fragte,
schon längst, was eine Frau von einem
Manne, der sie begleiten darf, wissen muß,
während er noch immer in seine weh-
mütige Geschichte versponnen war und
ihr, verlegen und beglückt, Auskunft gab.
Frau Agathe aber lenkte geschickt das
Gespräch auf alte Volkskunst — sie wußte
vid und hatte selbst manch wertvolles
Stück in ihrem Heim — und so waren es
bald zwei Menschen, die vor alten Rapel-
len und wurmstichigen Truhen standen und
viel kluge Dinge redeten.

Da fanden sie nun einmal auf einer Ein-
öde eine dachmüde Rapelle, Ln der eine
seltsame , uralte Ampel hing. Es war ein
feines Stück, wie sie beide vorher noch nie
eines gesehen. An einem eigenartig ge-
wachsenen Astquirl, der schlanke aufgebo-
gene Formen hatte und kunstvoll geschnitzt
war, daß er aussah, als ob ihn ein seltener
Bronzeschmied getrieben hätte, hing eine
große, eigenwillig geformte Glaskugel,
wie vor Zeiten hier im Gebirge mit viel
Mühe und großem Rönnen in den alten
Glashütten geblasen wurden. Frau Agathe
war entzückt und ihr plötzlicher Wunsch,
die Ampel zu besitzen, trieb den ein wenig
betroffenen Dichter nach dem Hose, wo sie
den Preis der Ampel erfragen wollten.

Im Einödhofe aber fanden sie erstaunte
abweisende Gesichter, die, von der Grum-
meternte müde, bei den kühlen Milchtöpfen
saßen — denn es war schon spät im Som-
mer und die Sensen klangen bis in die
Nacht — und man bedeutete ihnen, daß die
Ampel ein unverkäufliches Erbstück sei.
Nach langem Reden, als Frau Agathe
schon einen silbernen Rronleuchter als
Gegenwert geboten hatte, ging der grau-
haarige Besitzer mit breiten bestimmten
Schritten zur Tür und bat die beiden, ihm
zu folgen. Bei der Rapelle räusperte er
sich umständlich und lange und sagte dann,
verlegen und ungelenk, daß die Ampel ein
uraltes Erbstück von besonderer Wunder-
kraft sei. Immer, wenn in dem Erbhofe

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Emil Krieger: Zeichnung ohne Titel
 
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