J. Oborberger
Zwischen
den Zähren ....
Silvester im Rünstlerhaus.
Es waren allerhand Überraschungen
versprochen.
Als man vor dem Eingang am Lenbach-
platz stand, war die Tür verschlossen. Das
war die erste Überraschung. Es war aber
früh am Abend und man konnte noch
lesen. So fanden sich auch die Fußgänger
durch den Eingang beim Parkplatz ins
'Zaus.
*
Dann die Diele. Das war die zweite
Überraschung: Festliche lange Tafeln.
Flackernde Kerzenlichter tanzten in den
Glasern. Lachende Menschen. Die fluteten
über die Stiegen durchs ganze Haus. Das
war voll Musik.
Im Saal spielte Rohl-Bosü. Mit Lort-
zing begann er und endete spat mit dem
Lied vom „treuen Husaren"... Auf der
Bühne aber vertanzte man die letzte Nacht
von 19ZS; und walzte übermütig in die
erste von 1039, daß es qualmte vor Tem-
perament. Darum auch das Tanzgespräch,
zwischen zwei Atempausen erlauscht:
„wenn sich einer beim ersten Tanz ein Ei
in die Tasche gesteckt hätte, um Mitter-
nacht schon wäre ihm ein gelbes Hühnchen
darausgehüpft und hatte ihm ein fröh-
liches Neujahr zugepiepst!... In dieser
u uS
Kameradschaft der Künstler München
Bruthitze aber gedieh die rechte Stim-
mung. Sie dampfte nur so.
Nicht anders wars in der Bar, wo die
Kapelle Kobell die Freude aufwirbelte,
daß der Boden zitterte. Jm Künstlerkeller
juhuten die wackeren Schlierfecr Schram-
meln. Das Balalaika-Orchester Andress
zog durchs Haus, feine Melodien fchrumm-
tcn voll Feuer.
*
Vov Mitternacht gabs die schönste
Überraschung. Das Ballett vom Gärtner-
platztheater tanzte einen Lanean. In Rot
und Gelb. Es schäumte wie goldener Sekt
im roten Licht. Es wirbelte, schnellte, —
gestraffte Anmut, schlanke Rraft. Es war
ein tänzerisches Fest.
Der Beifall tobte.
*
Um Mitternacht verteilte ein echter
Raminkehrer echte Glückspfennige und
schwarze Fingerabdrücke. Zart übermalte
Damenwangen trugen stolz die schwarzen
Schmierer, Autogramme des Glücks,
durchs 'Zaus. Das war ein einziger Glück-
wunsch, als das Licht erlosch. Prosit 1939!
*
Der Architekt wünschte dem Dichter die
„Einfälle", die er selbst nicht brauchen
konnte. Der Schauspieler dem Maler das
„Langen", das ihm —Toi—toi—toi —
erspart bleiben möge. Bildhauer und Sän-
ger wünschten sich beide den rechten „Ton".
Und die Verleger und Direktoren verspra-
chen Tantiemen!... Tantiemen!...
Auf den Treppenstufen zum Saal, vor
denen Direktor Reich das phantastische
Reich eines Traum-Büffets ausgebaut
hatte, saßen um Mitternacht zwei. Und
schwelgten von einem Teller. „Jetzt mußt
du deine Sünden im alten Jahr bereuen!"
sagte sie glücklich kauend. „Ich wollte, ich
hatte mehr begangen!" schmatzte er; und
schob ein Stück Pute zwischen die gespitz-
ten Lippen.
In der Regelbahn war Weißwurstfest.
Das 'Zelle schäumte und zischte nur so in
die tanzheißen Gurgeln. Einer wollte un-
bedingt Leberknödeln zum Regeln. Die
gabs aber nur, zart und saftig, im Reller,
wo zwischen dem Scheppern der Löffel ein
höllisches Tutenkonzert quäckte. wenn der
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Zwischen
den Zähren ....
Silvester im Rünstlerhaus.
Es waren allerhand Überraschungen
versprochen.
Als man vor dem Eingang am Lenbach-
platz stand, war die Tür verschlossen. Das
war die erste Überraschung. Es war aber
früh am Abend und man konnte noch
lesen. So fanden sich auch die Fußgänger
durch den Eingang beim Parkplatz ins
'Zaus.
*
Dann die Diele. Das war die zweite
Überraschung: Festliche lange Tafeln.
Flackernde Kerzenlichter tanzten in den
Glasern. Lachende Menschen. Die fluteten
über die Stiegen durchs ganze Haus. Das
war voll Musik.
Im Saal spielte Rohl-Bosü. Mit Lort-
zing begann er und endete spat mit dem
Lied vom „treuen Husaren"... Auf der
Bühne aber vertanzte man die letzte Nacht
von 19ZS; und walzte übermütig in die
erste von 1039, daß es qualmte vor Tem-
perament. Darum auch das Tanzgespräch,
zwischen zwei Atempausen erlauscht:
„wenn sich einer beim ersten Tanz ein Ei
in die Tasche gesteckt hätte, um Mitter-
nacht schon wäre ihm ein gelbes Hühnchen
darausgehüpft und hatte ihm ein fröh-
liches Neujahr zugepiepst!... In dieser
u uS
Kameradschaft der Künstler München
Bruthitze aber gedieh die rechte Stim-
mung. Sie dampfte nur so.
Nicht anders wars in der Bar, wo die
Kapelle Kobell die Freude aufwirbelte,
daß der Boden zitterte. Jm Künstlerkeller
juhuten die wackeren Schlierfecr Schram-
meln. Das Balalaika-Orchester Andress
zog durchs Haus, feine Melodien fchrumm-
tcn voll Feuer.
*
Vov Mitternacht gabs die schönste
Überraschung. Das Ballett vom Gärtner-
platztheater tanzte einen Lanean. In Rot
und Gelb. Es schäumte wie goldener Sekt
im roten Licht. Es wirbelte, schnellte, —
gestraffte Anmut, schlanke Rraft. Es war
ein tänzerisches Fest.
Der Beifall tobte.
*
Um Mitternacht verteilte ein echter
Raminkehrer echte Glückspfennige und
schwarze Fingerabdrücke. Zart übermalte
Damenwangen trugen stolz die schwarzen
Schmierer, Autogramme des Glücks,
durchs 'Zaus. Das war ein einziger Glück-
wunsch, als das Licht erlosch. Prosit 1939!
*
Der Architekt wünschte dem Dichter die
„Einfälle", die er selbst nicht brauchen
konnte. Der Schauspieler dem Maler das
„Langen", das ihm —Toi—toi—toi —
erspart bleiben möge. Bildhauer und Sän-
ger wünschten sich beide den rechten „Ton".
Und die Verleger und Direktoren verspra-
chen Tantiemen!... Tantiemen!...
Auf den Treppenstufen zum Saal, vor
denen Direktor Reich das phantastische
Reich eines Traum-Büffets ausgebaut
hatte, saßen um Mitternacht zwei. Und
schwelgten von einem Teller. „Jetzt mußt
du deine Sünden im alten Jahr bereuen!"
sagte sie glücklich kauend. „Ich wollte, ich
hatte mehr begangen!" schmatzte er; und
schob ein Stück Pute zwischen die gespitz-
ten Lippen.
In der Regelbahn war Weißwurstfest.
Das 'Zelle schäumte und zischte nur so in
die tanzheißen Gurgeln. Einer wollte un-
bedingt Leberknödeln zum Regeln. Die
gabs aber nur, zart und saftig, im Reller,
wo zwischen dem Scheppern der Löffel ein
höllisches Tutenkonzert quäckte. wenn der
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