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Neue deutsche Baukunst

Eindrücke von der zweiten Deutschen Architekturausstellung im Haus der Deutschen Runst

edes große Zeitalter findet seinen Aus-
druck in seiner Baugesinnung, das Zeit-
alter der Burgen und Dome nicht weniger
als das Zeitalter der schönen Lürgerbau-
ten und Rathäuser, der Renaiffancepaläste,
der barocken Schlösser und Parks. Das
ausgehende XIX. Jahrhundert war eine
Epoche des Individualismus und hat uns
dementsprechend wenig große Baudenk-
mäler hinterlassen, denn das große Bauen
ist immer der Ausdruck des Gemeinschafts-
geistes eines Zeitalters.

Der ersten Hälfte des XIX. Jahrhun-
derts, in der wir noch den Geist der Frei-
heitskriege spüren, verdanken wir die klas-
sischen Bauten in Berlin Friedrich 'Wil-
helms IV., in München Ludwigs I. Am
Verfall der Baugesinnung können wir
deutlich den geistigen Verfall des Zweiten
Reiches ablesen. Jede große Gemeinschaft
wird getragen von einer Idee, die die
Schöpfung einer überragenden Persönlich-
keit ist. In unserem Zeitalter ist die Idee
des Nationalsozialismus geboren worden,
als die persönliche Schöpfung Adolf Liters.

Diese Idee drückt sich auch in der Bau-
gesinnung des Dritten Reiches aus, die mit
Macht zum Durchbruch kam. Raum nahm
das Dritte Reich der Deutschen Gestalt an,
als die Straßen des Führers, die Reichs-
autobahnen begannen, sich nach allen Tei-
len des Reiches zu erstrecken. Der erste
Lau, der für das neue Bauschaffen sym-
bolisch wurde, ist das Haus der Deutschen
Runst in München. Reine spießigen klei-
nen Erker, Winkel und Türmchen zeigt
dieses Bauwerk, sondern einfache, klare
Formen und Säulen, zwischen denen das
Volk frei hereinfluten kann. Es ist ein
sozialistischer, deutscher Stil, ein Stil der
Gemeinschaft, in allem entgegengesetzt auch
dem wahllosen Bauen, das jeder nach Gut-
dünken und ohne Rücksicht auf den Stadt-
plan in die Gegend setzen konnte, Heute
ist die Städteplanung der erste Gesichts-
punkt, von dem ausgegangen wird. Im
nationalsozialistischen deutschen Staate soll
die Bautätigkeit dem ganzen Volke zu-
gute kommen. Daraus ergibt sich nicht
nur, daß zunächst einmal eine großzügige
Städteplanung vorausgehen muß sondern
auch, daß Gemeinschaftsbauten größten
Ausmaßes geschaffen werden.

Unter diesen Gesichtspunkten ist zunächst
einmal die Neugestaltung von vier Städ-
ten des Reiches in Angriff genommen wor-

Im Künstlerhaus

erzählte einer:

Spielplanänderung im Wandertheater

Der bekannte X. war als junger Bursch
zu einem Wandertheater gelaufen. Es ging
ihm recht knapp zusammen und der Gürtel
saß eng. Wieder einmal hatte er, der ju-
gendliche Held, kein Geld. Und mußte zu
seinem Direktor.

Auf die Frage, wozu er denn Vorschuß
brauche, sagte X.: „Wir spielen doch heute
Abend ,Romeo und Julia\ da muß ich mich
rasieren lassen!“

„Weiter nichtsV, meinte der Direktor,
„dem ist leicht abzuhelfen! Malen Sie sich
schwarz, wir spielen „Othello‘ . . .

Der heilige Loden

. . . Der junge Schauspieler ZJ. war gestern
bei der Probe ein wenig arg am Souffleur-
kasten gehängt; Direktor G. erzählte darauf
in der Pause ein wenig anzüglich, die fol-
gende wahre Geschichte:

Dingelstedt konnte es nicht leiden, wenn
gerade die jungen Leute ihre Rollen nicht
lernten; einmal wies er am Burgtheater
einige Anfänger von ihren Stellungen am
Souffleurkasten weg: „Meine Herren, die-
ser heilige Boden ist nur für wirkliche Hof-
schauspieler freizuhalten!“ . . .

den, München, Berlin, Hamburg und
Nürnberg, während die Deutsche Archi-
tektur- und Runsthandwerks-Ausstellung
1936 eine Gesamtübersicht über das gegen-
wärtige und kommende Bauen gab, geht
die Ausstellung 1936/39 mehr ins Einzelne.
In besonderem Maße treten München und
Berlin hervor, wo die ersten Einzelheiten
aus der Gesamtplanung dieser schönen
Städte gezeigt werden.

München, die Hauptstadt der Bewegung,
wo die ersten Lauten des Dritten Reiches
entstanden, gewinnt in zunehmendem Maße
ein neues Gesicht, dessen Züge gleichwohl
nicht im Gegensätze zu den großen Planun-
gen Ludwigs I. stehen, sondern ihnen erst
den richtigen Sinn geben. Der königliche
Platz, die Pinakotheken — welche Be-
reicherung erfahren sie erst durch die neuen
Bauten, die Erweiterungsbauten des
Braunen Dauses und der älteren Pinako-
thek! Zwischen Einzelbauten erweitert sich
das bauliche Bild zu einer Stadt edelsten
Stils. Der Ranzleibau des Braunen Dau-
ses von Prof. Goll ist eine Meisterleistung.
Die größte Umgestaltung erlebt das neue
München Ln seiner Bahnhofstraße, die dort
entsteht, wo die Bahnlinie des Hauptbahn-
Hofs zweieinhalb Rilometer zurückverlegt
wird. Die hundert Meter breite Pracht-
straße, die hier entsteht, kreuzt eine Achse,
von der Theresienwiese her, deren Ab-
schluß die wundervolle neue Oper Prof.
Brinkmanns bildet. Langsam steigen wir
eine große, sehr breite Freitreppe heran
zu dem flachen halboval von Doppelsäu-
len, das von der Fassade des gewaltigen
Opernhauses gebildet wird. Es ist ein über-
wältigendes Bild. Nicht weniger monu-
mental zeigt sich die neue Städteplanung
Berlins, der „häßlichen" Stadt, die bald
die schöne Stadt, die erhabene Hauptstadt
des Deutschen Reiches sein wird. Von den
Linden her gelangen wir durch das Bran-
denburger Tor auf die breite Achse der
Charlottenburger Heerstraße, wo die neu
erhöhte Siegessäule einen fernen Blick-
punkt bildet. Der klassische Neubau der
Reichskanzlei ist seit langem wieder ein
würdiger Regierungsbau — aber wir
wollen nicht alles vorwegnehmen. Den
wahren Eindruck kann nur ein Besuch der
Ausstellung vermitteln. E. R 0 s e l i u s
Register
Ernst Roselius: Neue deutsche Baukunst
[nicht signierter Beitrag]: Im Künstlerhaus erzählt einer:
Max Mayrshofer: Vignette
 
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