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DER OCIHIS

Ein kritischer Zwischenfall von Ernst Hoferichter

in letzten Mittwochstammtisch im
Augustiner haben wir einstimmig beschlos-
sen, daß am nächsten Sonntag ein gemein-
samer Familienausflug ins Isartal sein
sollte. Der Bäckermeister Haberl ver-
sprach, die nötigen Salzbretzen und
remische Weckerl mitzubringen und der
Metzgermeister Vordermaier wollte für die
ff. Wurstwaren sorgen.

Und wie vereinbart, trafen wir uns um
Zwei Uhr nachmittags im Innern der
Stadt, wir warteten mit offenen Regen-
schirmen, denn der oberbayerische Fimmel
schüttete seit einer Stunde das Wasser in
Rubeln, Waschzubern und Badewannen
herab.

Zwei der Herren hatten ihre Damen
mitgebracht, die sich über die traurige
Lage dahin äußerten, daß sie „net ums
Verrecka bei dem Sauwetta nach Grean-
wald fahren wollten ..."

Durch das Aschgraue des Wolkenbruches
erkannte ich.in der Vlähe die Umrisse einer
Runstausstellung — und ich schlug vor,
daß der verpfuschte Sonntag vielleicht
durch einen Besuch der Gemäldegalerie
gerettet werden könnte.

Mein Einfall rief kein Hallelujahge-
schrei hervor. Aber unter den Anwesenden
befand sich ein Hausbesitzer, der sein ober-
stes Stockwerk als Atelier an einen Runst-

maler vermietet hatte. Und der Haus-
besitzer unterstützte meinen Vorschlag, da
er es wie ein Gegengeschäft empfand —
sich einmal um die Arbeitsfpharen seines
obersten Mieters zu kümmern ...

Und wir schritten mit den Freßpaketen
durch den Tempel der Runst, indes in der
Garderobe aus einem halben Dutzend Re-
genschirmen das Wasser ablief. Im ersten
Saal standen steinere Frauenzimmer, die
ihre Arme zum Fimmel hoben und ein
Gefühl ausdrückten, das im Ratalog mit
einer Plummer vermerkt war. Und ob-
wohl sie überwiegend Freude Wiedergaben,
wirkten sie auf die Mehrzahl unseres
Stammtisches doch traurig und schienen
nur Entwürfe für Grabsteine zu sein.

Jetzt kamen Ölbilder mit Tannenwäl-
dern, südliche Meere, Bauern im Wirts-
haus, sinkende Schiffe und Röpfe in
Lebensgröße. Das Interesse wuchs an,
Landschaften wurden als bekannt entdeckt
und der Bäckermeister Haberl erkannte
an einem Portrait den Rennstallbesitzer
Reicht, der ihn: schon einmal eine mords-
trumm watschen verabreicht batte. Er
hätte sich jetzt erkenntlich zeigen können,
aber seine Überlegung wurde vom Ausruf
des Rentiers pacherer „... jessas, da
schaugt's her!", in andere Bahnen gelenkt.

In der Ecke des Saales graste in einem

dicken Goldrahmen ein lebensgroßer Ochse,
der sogleich die Anteilnahme des ganzen
Stammtisches auf sich zog.

Pacherer trat kunstbeflissen drei Schritte
zurück, zwickte ein Auge zu und beschattete
das andere, als wollte er in weiter Ferne
ein Flugzeug entdecken: „... der kann was,
mei Liaba ... dö Natürlichkeit... a jed's
Haar is portraitähnlich... und in die
Ohrwaschl siehgt ma sogar an Dreck no..
Dös is koa Rindvieh, der wo den Open
g'mal'n hat...!"

Der Stammtisch bildete um das Tier
einen Halbkreis und ließ es auf sich wir-
ken. Alter, Heimat und Preis wurden ab-
geschätzt — und die beiden Damen setzten
sich auf das Sofa, das zur Vertiefung
und längerem Verweilen im Runstgenuß
aufgestellt war — und entfalteten die
Freßpakete. .. aber i find, daß er
z'wenig geistig aufg'faßt is... i sieg koa
Seele und grad dös Seelische muaß in da
wahren Runst — —" bemerkte Herr
Haberl, das als Hausbesitzer einen Maler
als Mieter hatte und solchen Fragen naher
stand.

.. nachha vastehst nip von da Runst!
Der Op is zum Sprechen natürli, dös sag
da i-" fuhr der Rentier pacherer da-

zwischen.

„... und da Op is nip, weil er koa

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Olaf Andreas Gulbransson: Almen in Norwegen
Ernst Hoferichter: Der Ochs
 
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