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München

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die Jugend

Hans Gollwitzer
•t. München, Rosental 10

; in aller Welt

rtoen

jährige Erfahrung

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Telephon 232^^

Das war irgendwo in Galizien. Die
Russen hatten sich eingegraben und die
Unterstände ausgebaut, als wollten sie
einen ausgiebigen Winterschlaf halten. Die
Österreicher taten es ihnen nach, gruben
sich noch tiefer ein und dachten: ..Wir
haben Zeit“. So lagen sie einander gegen-
über und der Krieg fing an, für eine Weile
wenigstens gemütlich zu werden.

Einer war bei der Truppe, ein Stoch-
böhmerwäldler. Stephan hieß er. Sein Hof
stand so nahe der Grenze, daß der Stephan
von der Scheuer aus mit dem Rechen hinü-
berlangen konnte. Seine Felder lagen zum
größten Teile in Bayern und sein Herz
war ganz drüben. Er zahlte dem Kaiser
von Österreich die Steuern, die er sich da-
durch wieder hereinbrachte, indem er
fleißig paschte und den Kaiser um den Zoll
betrog, den er auf der geraden Straße für
Rum, Sacharin und Schnupftabak hätte
entrichten müssen.

Im Schützengraben konnte der Stephan
häufig saugrob werden. Seine Entschuldi-
gung war jedesmal: „Nix für ungut! Ich
bin halt ein Baier!“ Ohne von Geschichte
und Gliederung der deutschen Stämme
auch nur eine Spur zu ahnen, fühlte er das
alte Blut in sich rollen. „Ich bin halt ein
Baier!“ Und er war es ganz mit seiner
Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit,
zum Bier, zum Raufen und zum Schmalz-
ler. Fürsorglich hatte er ein paar Pfund
des würzigen Schnupftabaks in den Krieg
mitgenommen und fütterte die große Nase.
„Den Russen zum Trotz“, wie er sagte.

In der Mitte zwischen den beiden Stel-
lungen starrten die zerschossenen Mauern
eines Gehöftes. Dunkel gähnten die leeren
Fenster, die Pfosten der Scheune stachen
in den Himmel und die Reste zersplitterter
Obstbäume ragten wirr ineinander. Der
Stephan stand Wache, lehnte am Graben
und hatte das Gewehr griffbereit auf der
Lehmbrüstung vor sich liegen. Drüben
rührte sich nichts. Dunkler, schwermütiger
Gesang nur quoll aus den Gräben des
Feindes. Der Stephan sah den verderbten
Hof und versuchte sich vorzustellen, wie
wohl seine Wirtschaft nach einem Volltref-
fer aussähe. Ihn, den nichts so leicht aus
der Ruhe brachte, schüttelte das Grauen.
Tot war da alles: der Zaun, die Bäume,
die Stuben, der Backofen; die Beete im
Garten und die Blumen drauf.

Wie er so schaute, war es ihm, als regte
sich vor den Mauern etwas; hier, da und
dort. Er ließ sich einen Feldstecher reichen.

Nahe gezaubert durch das Wunder des
Glases pickte ein halbes Dutzend Hühner
im Grase und kümmerte sich nicht um
Russen und Österreicher.

Dem Stephan wäfferte der Mund. Wo
Hühner waren, mußte es auch Eier geben.
Eier! Fix übereinander, das wäre einmal
eine Abwechslung in dem eintönigen
Speisezettel.

Nach der Ablösung war der Baier nicht
mehr mürrisch. Er trat stramm vor den
Leutnant: „Bitte gehorsamst, Herr Leut-
nant, darf ich mich an den Hof anschlei-
chen?“ Der forschte: „Hast du Verdäch-
tiges dort bemerkt?“ — „Melde gehor-
samst, Hühner, Herr Leutnant.“ Der lachte
auf: „Das Leben wird dir wohl lieber sein
als Hühnerfleisch!“ Der Stephan aber
schnupperte: „Eier, Herr Leutnant, Eier!4

Dem Soldaten ließen die Eier keine
Ruhe. Als er im hellen Sonnenschein für
eine Weile einnickte, träumte er von gold-
gelber Eierspeise mit Kümmel drin und
viel saftigem Schnittlauch drauf. Eier!
Alle Seligkeit konnte in ein paar Eiern
liegen! . . .

Die Nacht wurde dunkel. Früh schon
ging die schmale Mondsichel unter. Die
Sterne verschwanden. Einer nur stand noch,
ein Wächter des Himmels.

W. Spielmann

will doch selig n, ob i di nel von der
Redout hoambring/“

Der Stephan schlich zwischen den schla-
fenden Kameraden zu den Wachposten:
..Nicht schießen! Ich pirsch’ mich an den
Hof. Vor dem Grauwerden bin ich wieder
zurück.“ Sie nickten: „Paß auf! Den Rus-
sen ist nicht zu trauen.“

Wind rauschte. Der Stern wachte. Ge-
bückt schlich der Stephan dem Hofe zu. Es
währte eine hübsche Weile. Die Füße
schlürften durch ein schmales Haberfeld.
Ein schwarzer Schatten, im Nachtgrau
tauchten die Mauern auf. Der Schuh stieß
an Steine. Der Soldat tappte von Mauer zu
Mauer, tastete sich durch die zerschossene
Scheune. Ängstlich gackerte eine Henne.
Verkohlte Balken sperrten den Weg. Auf
einem saßen eng aneinander gedrückt die
Hennen, blinzelten in das abgeschirmte
Licht und wurden unruhig. „Pipi, Pipi!“
lockte der Eindringling. In einem Winkel
lag ein Buschen unversehrtes Heu. Von
dort her leuchtete es rund und weiß. Eier!
Der Stephan schnalzte mit der Zunge.

„Sind grad so wie bei uns daheim“,
lächelte er und ließ eines von einer Hand
in die andere gleiten. Lange spielte er;
sah sich, wie er daheim als Bub die Eier
aus den Nestern geholt hatte; dachte an
sein Weib und an den Buben und an den
buckligen Knecht; an die Rosse und Kühe
und Tauben; und an den Wald mit den
Rehen.

Der Stephan soff wie ein Marder drei
Eier aus. Als er die übrigen sechs vor-
sichtig in die Taschen steckte, jedes ein-
zelne liebreich mit Heu umwickelt, begann
der Osten zu grauen.

„Türken übereinander! Jet^t heißt es sich
schleunen.“

Hinter ihm her zeterten die auf-
gescheuchten Hühner. Der Haber rauschte.
Immer noch wachte der einsame Stern.
Vom Feinde unbemerkt kam der Stephan
nahe an seinen Graben. Der Morgen aber
war rascher als er. Ein Posten rief ihn an:
..Halt, wer da?“ — „Halt’s Maul! Ich
bin’s, der Baier!“

Der Stephan schwang sich auf die Gra-
benwehr. Einen Augenblick stand er steil
in seiner Sorge, die Eier könnten brechen.
Da traf ihn eine Kugel in die Hüfte, daß
er dreimal um sich selber kreiste. „Die
Eier!“ schrie er und ließ sich langsam und
bedächtig in den Graben gleiten; und legte
sich so vorsichtig hin, daß dem kostbaren
Fund kein Leid geschah.

Schwer verwundet verteilte er die Eier:
drei dem Leutnant und je eins den beiden
Krankenhelfern, die ihn verbanden. Das
letzte aber behielt er sich und trug es, auf
der Bahre liegend, sorgsam in Händen wie
ein Waldlerbub sein erstes Osterei . . .

Sepp S k a 1 i t z k y

1939 / JUGEND Nr. 4 / 24. Januar 1939 Einzelpreis 40 Pfennig

Verantwortlich für die Schriftleitung: i. V.: Wolff Eder, München; für Anzeigen: Karl Schilling, München / Verlag: Karl Schilling- Verlag,
München, Herrnstr. IC, Tel. 27682 / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München 22, Herrnstraße 8—10, Tel. 20763 / Alle Rechte Vorbehalten / Nachdruck
strengstens verboten / Copyright by Karl Schilling- Verlag, München / DA. 4. VJ. 38: 6700. Prl. Nr. 3 / Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der
,JUGEND", Karl Schilling- Verlag, München, Herrnstraße 10, zu richten / Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte kann keine Gewähr übernommen

werden / Rücksendung erfolgt nur bei beigefügtem Porto / Postort München
Index
Max Spielmann: Zeichnung ohne Titel
Sepp Skalitzky: Ein Baier und sechs Eier
 
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