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(Bitte Skizze vom Münchner Rünstlerfasching von Ronrad Schauer

Der akademische Maler Severin liegt
aus dem zerknautschten Sofa seines Dach-
ateliers. Und schnarcht. Um ihn ist Ruhe.
Friede und malerische Unordung.

Ein Trommelwirbel an der Ateliertüre:
„Aufmachen! Aufmachen!"

Er reibt sich die Augen, setzt sich stöh-
nend aufrecht. Und bemüht sich, in die
rauhe Wirklichkeit zurückzufinden.

Der Lärm vor der Türe wird wilder.
„Mizzi!" denkt er. „Hab ich sie denn be-
stellte" Er kann sich an nichts erinnern.

Mizzi ist sein Modell. Schnatternd vor
Wut und Ralte steht sie auf dem obersten
Treppenabsatz. Der geliehene Pelzmantel
ist nicht warm genug, denn darunter hat
sie nur ein erstaunlich dünnes Fähnchen an.

Severin öffnet.

„Schlafhauben!"

Er schüttelt den Rops, zieht die Türe
hinter sich zu und schaut sie verständnis-
los an.

Sie nimmt ihn bei den Schultern und
schüttelt ihn derb. „Hast es denn schon wie-
der vergessend" — Der Ton ist vorwurfs-
voll.

Er zuckt die Achseln. Er weiß von nichts.

„Hast wieder g'soffeny"

Er erinnert sich dunkel und schweigt.

„Schäm dich!" sagt Mizzi und drückt
sich ganz nahe an ihn. „Du hast mir doch
versprochen, daß d' mich zum Atelierfest
beim Peter mitnimmst'!"

Peter ist ein erfolgreicher Maler. Ein
aufstrebendes Talent. Peter ist Severins
Duzfreund. Und eine Art Pumpstation.
Seine Atelierfeste sind berühmt .

„^nt!" — wenn Severin hmt, kann
das alles mögliche heißen.

„Und eine Hitz' hat's bei dir! Hast wie-
der deine letzten Rohlen eing'schürt;"

Severin brummt etwas Unverständ-
liches und reibt prüfend den Halbwochen-
bart. — Sie zieht den Pelzmantel aus und
sagt energisch: „Ich stell dir's Rasierwasser
auf! Gell, schau net so sparsam! Net, daß
uns die andern alles wegtrinken und -essen!
Ich Hab einen unbändigen junger!"
„Halt!" sagt Severin.

„warum denn;" Sie schaut ihn ver-
wundert an. Irgend etwas Drohendes
liegt in dem Ton.

„Laß dich anschaun!"

Er schaut sie an. Von allen Seiten
Immer wieder.

„Allerhand! wirklich Allerhand!" An
seine Augen kommt Glanz.

„G'fallts dir;" Sie ist sichtlich ge-
schmeichelt.

„Natürlich! was stellts denn vor;"

„Das siehst doch!"

Er zuckt wieder die Achseln.

„Tschapperl!" sagt sie. „Ich geh doch
als Zirkusreiterin! Rennst das wirklich
net; Ich Habs von der Milly, weißt, die
Rothaarige!;" — „Hm!"

Die Ofenglut malt blutrote Spritzer
auf die Pailletten des sehr kurzen Flitter-
röckchens, das neckisch wippend abstebt.
Die Dämmerung taucht es vorn in ma-
gisches Plachtdunkelblau.

„phantastisch!" Severin tritt ein paar
Schritte zurück. Der Büstenansatz opali-
siert wie Perlmutter.

„Stell dich doch einmal aufs Podium!"

„Geh! Du wirst doch jetzt net anfangen
zum malen;" Sie ist ehrlich erschrocken
und entrüstet.

„Stell dich bloß hin!"

„wie ein Unteroffizier!" denkt sie. Der
Ton ist sonst nicht üblich.

„Nur ein paar Strich mal ich — du: —
das wird ein Bild!" Severin schnalzt mit
der Zunge und streichelt Mizzi mit den
Augen.

Sie stellt sich seufzend aufs Podium:
„Aber fein nur 5 Minuten! Und das Ra-
sierwasser kocht schon!"-

„Blödsinn! Ietzt wird gemalt!" Da ist
eine passende Leinwand. Auf die Staffelei
mit ihr! Farbwürste ergießen sich auf die
Palette.

Severin ist in voller Fahrt. Er pfeift
Gassenhauer. Einen prachtvollen Akt bat
sie, denkt er, während er mit gekniffenen
Augen vergleicht.

Mizzi steht starr auf dem Podium und
bewahrt mühsam die Fassung. „So ein
Lalli!" Ietzt muß er malen, statt mit ihr
aufs Atelierfest zu gehen: Und ihr Magen
kracht vor Hunger! Die Augen schwimmen
in Tränen, die langsam über die Backen
kullern. Fahr wohl Atelierfest! Fahrt
wohl, ihr Würste! Fahrt wohl Sekt,
bacchantischer Tanz! Die Runst ist stärker!

„phantastisch!" sagt Severin und malt.

Der Fasching ist im Orkus versunken.
An der Glut der malerischen Intuition
dahingeschmolzen; die Stunden zerrinnen
wie Märzenschnee-

Severin malt. Mizzi steht Modell.

„Rops mehr rechts!"

,/So;"

„Hm. Gut!"

Mizzi schluckt. Tränen fließen langsam.

„Um Gotteswillen! Nicht abwischen!
Laufen lassen! Severin schreit. Groß wird
das, Mizzi! Einfach groß!"

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Index
Hanns Konrad Schauer: Das Modell
[nicht signierter Beitrag]: Bildreproduktion ohne Bezeichnung
Max Spielmann: Faschingsdekoration aus dem "Olympischen Keller" im Künstlerhaus
 
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