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Stacheln und Spornrädlein schmerzen
mochte, willig tanzte sie mit den Män-
nern und ließ niemand fühlen, wie ihr
ums Herz war. Und zuweilen neigte sie
sich zu der schlafenden Großmutter nieder
und lauschte ihrem Atem.

Einmal mußte sie einen Zudringlichen
von sich wehren, der in beginnender Trun-
kenheit nach ihr griff. Sie nahm ihn den
Rrug weg und sagte: „Du hast übergenug
getrunken!" Da schrie er höhnisch: „He,
du Braut ohne Bräutigam!" Und er
lachte so heftig, daß ihn der Hexenschuß
befiel und er weggetragen werden mußte.

Einen Augenblick lang verlor sie die
Fassung, ihr Herz lag schutzlos und ge-
treten da. Ihre großen, stillen Augen ver-
schleierten sich unter Tränen.

Doch schnell erfing sie sich wieder. Sie
gewahrte jetzt den Freibauer in der Tür.
„was ist mit Gregory" fragte sie.

„Laß ihn!" rief er laut und froh. „Du
paßt nicht zu ihm. Du paßt nicht zur
Welt. Du paßt nur zu mir!" Und er legte
ihr seine schweren, starken Hände auf die
Schultern.

Sie sah ihn an, schön und freudeschim-
mernd.

Das Gebraus der Gäste schlug in Stau-
nen um. Und von der plötzlichen Stille
beunruhigt, erwachte die Großmutter und
fand erschrocken die Enkelin im Arm eines
anderen Bräutigams. „Das ist jetzt ge-
schehen und hat sein müssen", flüsterte sie.

Sogleich flatterte neckisches Brauchtum
auf und milderte die jähe Rührung der
Kerzen.

Ein altgebrechliches Weib, bucklig und
ein stachliges Distelkränzlein um das Ropf-
tuch, Rinn und Nase hexenhaft krumm,
drängte sich an den Freibauer heran und
zeterte: „Da bin ich, deine Herzliebste!

wieviel tausendmal hast du mir die Hei-
rat versprochen!" Lachend brach er sich
den Taler von der Uhrkette und gab ihr
ihn. „Fahr aus in die Leider Dort sitzt
ein trüber Gesell, den sollst du dir nehmen!"

Und während die Alte kichernd sich ver-
zog, trat ein zartängstliches Rind, ein
goldbehaubtes Bauernbräutlein, weiß und
blumenbestreut, zu ihm, zupfte ihn und
stammelte: „Da bin ich. Ich bin deine
Braut und niemand anders." „Gho!" rief
er. „Rannst du denn schon kocheny" „Ja,
die Suppe in der Latern." „Und auch auf-
betteny" „Ja, unten die Federn und oben
das Stroh."

Da schrie der Letter Pius: „Zum Teu-
fel, da willst du heut bei dem Bräutigam
schlafend!"

„Nein, nein, bei der Mutter!" rief sie
erschrocken und lies davon.

Anakleta aber nahm den Geliebten bei
der Hand, führte ihn vor das Tor und
deutete über ihr Land hin.

Da stand das reife Rorn in wunderbarer
Demut.

Tunmetter

Der wölbt und ui eich
Maclstlstmniel, Daumgezweig
Achwarzbabl.

Tropft einerlei und gleich
Der späte Schnee,

Daternenglanz und Mfützen.

Mas soll Deftändigbeit iw Deben nutzen.

Peter Wolf

Frau Venus auf
Schloß Mirabell

Bon wolff E d e r

in sonniger Morgen glänzte über den
spitzgiebeligen Dächern Alt-Salzburgs; die
mächtige Beste über dem Fluß auf dem
steilen Hang des Mönchsberges fing die
Strahlen wie ein weißer Schild. Die Ro-
senbüsche im park des Schlosses Mirabell
neigten sich unter der Pracht ihrer Blü-
ten, und von den Bäumen tropften die
leisen Tränen der geschiedenen Nacht.
Sanftblauer Lavendel umrankte das Tor.

In der Marmorkapelle des Schlosses
brannten die Rerzen. Bor dem Marien-
altar kniete Fürsterzbischof Lenhart. Die
Seide der roten Soutane knisterte leise,
wenn er die Hände bewegte. Erschrocken
wehten die flackernden Rerzen plötzlich
ihren Schein über die pausbäckigen Engels-
kinder, die zu Füßen der Madonna spiel-
ten. Es war jemand eingetreten und war-
tete. „warum stört Ihr michy" fragte der
Bischof unwillig in das Dunkel der Tür-
nische. „Euer sürstbischöflichen Gnaden zu
melden, der junge Sohn des Raufherrn
Rornheller bittet vorsprechen zu dürfen.
Er kommt auf Euer Geheiß, wie er sagt!"
Der Bischof Kob das Antlitz zu den blei-
chen Rerzen. „Sagt, daß ich komme!"

Als er heraustrat, beugte sich der junge
Patrizier über die gebotene Hand und
küßte den grünen Stein. Dann straffte
sich die schmale Gestalt. In den braunen
Augen brannte ein heißes Feuer. „Um
Eueren Rat zu erbitten —!" Langsam Kob
Lenhart zwei Finger vor den Mund,
der ein Lächeln verbarg. „Schweigt,
Rnabe! Im park sollt Ihr mir Euer An-
liegen vortragen!"

Da schritten sie unter den Rosen und
der Junge sprach mit der leidenschaftlichen
Beredsamkeit seines Alters. Gesenkten
Blicks hörte der Fürstbischof Wunsch und
Bitte. „Ihr wollt also der Welt cnt-
sageny" fragte er endlich, „wißt IKr
auch, was das heißty Den Lockungen der
Sinne zu trotzen; Es ist ein schwerer
Rampf! Das Irdische wirst sich dir in den
weg. Du mußt die Augen schließen, um
stark zu bleiben! Die Minne muß dir ewig
fremd bleiben! wenn du ein Weib liebst,
gehe einen anderen weg, mein Freund!
Die Seligkeit der weißen Arme bezahlst
du mit dem Tod der Ewigkeit!"

„Nur zwei Frauen liebe ich, die Ma-
donna und meine Mutter!" stammelte der
Bub. Da fuhr ihm Herr Lenhart gütig
über die Locken. „Glaubs!" sagte er mild.
„Aber jetzt geh heim! Und im gerbst
komm wieder!"

Nachdenklich ging Herr Lenhart durch

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Index
Peter Wolf: Tauwetter
Hans Besta: Zeichnung ohne Titel
Wolff Eder: Frau Venus auf Schloß Mirabell
 
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