Die Nacht der Entscheidung
acht, wie ein riesiger Silberschild
schimmert das Frische Haff im Licht des
steigenden Mondes. Frieden liegt über den
schweigenden weiten, über die sich hoch
und feierlich der Fimmel spannt. Stern
an Stern funkelt droben über den spitzen
Dächern der kleinen Stadt.
Frauenburg schlaft.
Vluv der wind, der über die weiten
wandert, singt leise um Dach und Turm
und Zinne.
Doch einer findet keinen Schlaf. Grü-
belnd und sinnend, wie schon in tausend
andern Sternennächten, wacht er: Niko-
laus Ropernikus, den schon in Thorn die
einen den „Träumer", die andern den
„heimlichen Retzer" nannten.
Irgendwo knarrt eine Tür. über den
mondweißen Hof schreitet der ernste
Mann. Schreitet auf einen der wuchtigen
Verteidigungstürme in der Domhof-
mauer zu. Sein Turm ist es! Der reckt
sich wie die andern trutzig und mastig
empor; aber auf dem Haupte tragt er ein
sonderbares Latten- und Balkengrüst, zu
dem die Bürger mit Ropfschütteln, die
Mönche mit stillem Ingrimm, die Rinder
VON J. BANSMER
geheimnisvoll flüsternd aufschauen, wenn
sie vorübergehen. Und in seinem Innern
birgt der Turm allerlei Gerate, Blatter
liegen dort, alle eng beschrieben mit Zah-
len und seltsamen Zeichen und Formeln;
mit Sätzen, die kühn und umwälzend und
unerhört sind. Rein fremdes Auge hat sie
bisher gesehen.
MerKfroh
Mehr' ein und laß im Stillen
Die Sorge bald entfliehn,
Mnd gebe deinem Mi! len
Dich unverhalten hin.
Das große Merk zu wagen,
Das dein Gefühl ergreift,
Die Melt herauszutragen,
Die in dir dämmernd reift.
Peter Wolf
Nikolaus Ropernikus steht auf seinem
Turm. Die Stunde der Entscheidung ist da.
*
Seltsam war heute der Tag. Drei Bot-
schaften brachte er, und jede griff tief ans
Herz.
Da war der Jugendfreund gekommen,
der mehr als andere um alles Ringen und
Suchen wußte, und hatte gedrängt, das
werk zu veröffentlichen. Die Welt warte
auf neue Erkenntnis, und noch nie sei die
Zeit ein so bereiteter Acker für neue und
kühne Saat gewesen.
Und fast zur gleichen Stunde war der
Brief eines andern Freundes gekommen
und hatte das Urteil des Mannes ge-
bracht, auf den die ganze Welt sah.
Und Martin Luther sprach: „Der Narr
will alles umkehren!"
Ach, das schmerzt! Das ist eine Wunde,
die sich nie ganz schließen wird! was gel-
ten hohn und Spott der Allzuvielen, der
Rleinen und Tragen, der Neider? Wind,
der verweht! Aber der Feuergeist, der
in schweren Stunden Mut und Rraft ge-
geben, der Große, deffen Zustimmung und
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acht, wie ein riesiger Silberschild
schimmert das Frische Haff im Licht des
steigenden Mondes. Frieden liegt über den
schweigenden weiten, über die sich hoch
und feierlich der Fimmel spannt. Stern
an Stern funkelt droben über den spitzen
Dächern der kleinen Stadt.
Frauenburg schlaft.
Vluv der wind, der über die weiten
wandert, singt leise um Dach und Turm
und Zinne.
Doch einer findet keinen Schlaf. Grü-
belnd und sinnend, wie schon in tausend
andern Sternennächten, wacht er: Niko-
laus Ropernikus, den schon in Thorn die
einen den „Träumer", die andern den
„heimlichen Retzer" nannten.
Irgendwo knarrt eine Tür. über den
mondweißen Hof schreitet der ernste
Mann. Schreitet auf einen der wuchtigen
Verteidigungstürme in der Domhof-
mauer zu. Sein Turm ist es! Der reckt
sich wie die andern trutzig und mastig
empor; aber auf dem Haupte tragt er ein
sonderbares Latten- und Balkengrüst, zu
dem die Bürger mit Ropfschütteln, die
Mönche mit stillem Ingrimm, die Rinder
VON J. BANSMER
geheimnisvoll flüsternd aufschauen, wenn
sie vorübergehen. Und in seinem Innern
birgt der Turm allerlei Gerate, Blatter
liegen dort, alle eng beschrieben mit Zah-
len und seltsamen Zeichen und Formeln;
mit Sätzen, die kühn und umwälzend und
unerhört sind. Rein fremdes Auge hat sie
bisher gesehen.
MerKfroh
Mehr' ein und laß im Stillen
Die Sorge bald entfliehn,
Mnd gebe deinem Mi! len
Dich unverhalten hin.
Das große Merk zu wagen,
Das dein Gefühl ergreift,
Die Melt herauszutragen,
Die in dir dämmernd reift.
Peter Wolf
Nikolaus Ropernikus steht auf seinem
Turm. Die Stunde der Entscheidung ist da.
*
Seltsam war heute der Tag. Drei Bot-
schaften brachte er, und jede griff tief ans
Herz.
Da war der Jugendfreund gekommen,
der mehr als andere um alles Ringen und
Suchen wußte, und hatte gedrängt, das
werk zu veröffentlichen. Die Welt warte
auf neue Erkenntnis, und noch nie sei die
Zeit ein so bereiteter Acker für neue und
kühne Saat gewesen.
Und fast zur gleichen Stunde war der
Brief eines andern Freundes gekommen
und hatte das Urteil des Mannes ge-
bracht, auf den die ganze Welt sah.
Und Martin Luther sprach: „Der Narr
will alles umkehren!"
Ach, das schmerzt! Das ist eine Wunde,
die sich nie ganz schließen wird! was gel-
ten hohn und Spott der Allzuvielen, der
Rleinen und Tragen, der Neider? Wind,
der verweht! Aber der Feuergeist, der
in schweren Stunden Mut und Rraft ge-
geben, der Große, deffen Zustimmung und
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