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Minna und Marie . . .

Minna ist eine vorzügliche Köchin. Das
macht sich besonders bemerkbar, wenn
die Hausfrau das Gegenteil ist. Köchinnen
haben ihren Ehrgeiz, die guten und die
schlechten. Und Minna kriegt eben die
blasse Wut, wenn sie die Frau des Hauses
am Herd hantieren sieht. Und die Haus-
herrin läßt dann die Rivalin nicht heran.
Minna dreht sich das Herz im Leibe her-
um, wenn sie sieht, was der Herd an
,delikaten" Speisen trägt! O Gott, und
der gute Herr darf nicht mal was sagen,
daß die Milzsuppe versalzen und der
Kalbsbraten leicht gezuckert ist... Eine
Wut hat die Minna, eine Wut!

Und jetzt soll sie den Herrn zum Essen
bitten. „Sagen Sie, es sei angerichtet!" —
Minna benützt die Gelegenheit, ihren
Herrn schonend vorzubereiten: „Herr Dok-
tor, Sie möchten kommen! Gnä Frau hat
wieder was angerichtet!"



Da, die Marie hat das Mundwerk auf dem
rechten Fleck! Ihre Herrschaft ist eine
nicht mehr ganz taufrische Dame, die
jedoch diesen jugendlichen Zustand mit
allen Mitteln — besonders käuflichen —
zurückzurufen sucht. Die Marie hat das
erstemal sehr gestaunt über die vielen
Flascherl und Salbentöpferl und Pantscherl
und mehr so Glump, womit die Gnädige
ihre Fassade schmückt. Ein paar Stunden
in der Früh tut sie gar nix anderes. Und
eines Tages, wie sie gerade dabei ist,
kommt unvermutet Besuch und will sie
sprechen. Marie weiß Bescheid:

„Tut ma leid. Des geht jetzt net. Gnä'
Frau is ja grad erseht im Rohbau fertig!"..

Was Marie als biedere Maurerstochter
fachmännisch beurteilen kann...

fed

Ambrosio erspart sich einen Liebes-
briefsteller

Mein Freund Ambrosio liebte die Frauen.
Aber er haßte jede Korrespondenz; beson-
ders Liebesbriefe. Darum war Ambrosio
auf eine wunderbare Idee verfallen. Er
nahm sich zwei Freundinnen. Das war
nicht nur weit amüsanter, sondern hatte
auch noch einen unschätzbaren Vorteil für
Ambrosio. Die beiden Frauen mußten
seine Liebesbriefe schreiben. Wenn er
nämlich von seiner Freundin Anny einen
Brief erhielt: „Liebes Herz! Ich habe die
ganze Nacht an Dich gedacht, und in die
Sterne geblickt. Was machst Du? Denkst
Du manchmal an mich noch ein bißchen?
Erzähle mir alles" usw., so antwortete der
gute Ambrosio nicht, sondern steckte den
Brief in einen Umschlag und adressierte
ihn an die Freundin Betty. Am nächsten
Morgen kam auch schon Bettys Antwort:
„Geliebter Schatz] ]_]. habe Deinen gestri-
gen Brief erhalten. Wie glücklich macht es
mich, daß Du die ganze Nacht die Sterne
betrachtet und dabei an mich gedacht

hast! Auch ich denke unausgesetzt an
Dich! Du fragst mich über mich, über mein
Leben? Du weißt ja, ich lebe nur für Dich!
Mein erster Gedanke" usw....

Diesen Brief steckte Ambrosio in einen
neuen Umschlag und adressierte ihn an
Anny, welche glücklich war, so rasch die
Antwort des geliebten Freundes zu emp-
fangen. Sie schrieb natürlich sofort wieder
und so hatte Ambrosio nichts anderes zu
tun, als die Briefe zu kuvertieren, die die
beiden Frauen miteinander wechselten. Es
war riesig einfach und die beiden Frauen
waren sehr, sehr glücklich. Kam einmal ein
Satz in einem Brief vor, aus dem man hätte
erkennen können, daß der Brief nicht an
eine Frau gerichtet war (so zum Beispiel
als Anny ihm schrieb, sie würde ihm zum
Geburtstag eine Meerschaumpfeife schen-

Fliegenadel ...

Sie kam in einem Schloß zur Welt.

Die Eltern hat sie nicht gekannt.

Sie fühlte sich sehr hochgestellt
und mit den andern nicht verwandt.

In ihren Adern floß statt Fliegenblut
das blaue eines Schmetterlings.

Sie war ein rechter Tunichtgut,
doch dabei adlig — allerdings!

Als sie ins reife Alter kam,
hat sich ein Brummer in sie heiß verliebt.
Sie sagte „shoking“ — wie er sich
benahm —

und hat mit ihrem Nein ihn sehr betrübt.

Er sollte durchaus eine Wespe sein,
von wegen ihrer stattlichen Gestalt!

So blieb sie jungfräulich allein,
und mittlerweile ward sie alt.

Doch auch im Tod blieb sie sich treu,
ein Fliegen-Westentasehen-Gott.

Sie ging am Leben nur mal so vorbei —
und starb vereinsamt im Kompott...

Karl Blanckmeister

ken, oder als Betty einmal fragte, ob er
sich denn nun doch einen Schnurrbart
wachsen lasse?), dann zog sich Ambrosio
aus der Affäre, indem er sagte, er habe
diesen Satz nur eingeflochten, um seine
Freundin nicht zu kompromittieren, falls
jemand zufällig einmal den Brief fände.
Es ging alles seinen glücklichen Gang,
bis es einmal zwischen Ambrosio und
Anny Krach gab. Am nächsten Tag schrieb
sie ihm: „Zwischen uns ist es aus! Sende
mir sofort meine Briefe zurück!"

Was sollte Ambrosio in dieser schreck-
lichen Lage beginnen? Alle Briefe von
Anny befanden sich in den Händen von
Betty. Am nächsten Morgen erhielt die
arme ahnungslose Betty den folgenden
Brief: „Zwischen uns ist es aus! Sende mir
sofort meine Briefe zurück!"

Was blieb Ambrosio auch anderes
übrig? - A c h i l l e

Der Hundeschwanz

Mein Hund „Cognac" hat keine Ahnen,
mit denen er Staat machen könnte, keinen
Stammbaum, außer dem vor meiner Haus-
tür. Aber er besitzt zwei Eigentümlich-
keiten: einen außergewöhnlich langen

Schwanz, den er mit Stolz trägt, und die
Fähigkeit, sich beliebt zu machen. Beson-
ders haben ihn die Omnibusschaffner in
ihre Herzen geschlossen, die ihn bei
meinen täglichen Fahrten kennengelernt
haben. Kürzlich saß ich unten im Wagen,
während es Cognac vorgezogen hatte,
nach oben zu laufen, wo er sich unter
eine Bank legte, um hier in Ruhe über
den Lauf der Welt nachdenken zu können
Sein langer Schwanz hing dabei quer über
dem Seitengang.

Plötzlich trat ihm eine gewichtige Dame
so heftig auf die Rute, daß Cognac laut
aufheulte und den wertvollen Schmuck
sofort einzog. Aber auch die überraschte
Dame schrie auf und versetzte dem Hund
einen kräftigen Tritt vor die Nase, was
wiederum lautes Geheul zur Folge hatte.
Die Attentäterin hub nun ihrerseits ein
lautes Lamento an: Es ist unerhört, daß

man in einem öffentlichen Fahrzeug so von
Hunden belästigt und erschreckt werden
darf. Das sollte doch verboten werden.
Hunde gehören nicht in den Omnibus. Ich
werde mich bei der Direktion beschweren.

Der Schaffner hatte zugehört und sagte
dann freundlich zu der aufgeregten Dame:
Gerade dasselbe hat jetzt der Hund von
Ihnen gedacht!... Werner

Die Pirsch

Der alte Forstmeister Bl. pflegte, wenn
er am Stammtisch um ein Dagderlebnis
gebeten wurde, meistens folgende kleine
Geschichte zum Besten zu geben: „Da,

wissen Sie, meine Herren, mein schönster
Pirschgang, der hat sich gar nicht im
Walde abgespielt, sondern zu Hause. Als
ich nämlich nach einem ausgiebigen Um-
trunk im Erbgericht des Morgens früh um
dreie in das eheliche Schlafgemach hin-
ein„pirschte". Das Anpirschen war mir
gelungen. Meine Alte rührte sich nicht.
Den Rock hatte ich bereits runter, und ich
wollte mir gerade die Hose ausziehen, da
erwachte Alwine, meine Eheliebste. Detzt
hat sie dich, dachte ich mir und machte
mich schon auf die übliche Gardinen-
predigt gefaßt. Aber es kam anders.
Alwine richtet sich verschlafen auf und
blinzelt mich an. Aber Christian — sagt
sie —, willste denn schon wieder auf die
Pirsch gehen? Denk doch an deine Ge-
sundheit und bleib heut mal daheim. —
Recht haste, sage ich schmunzelnd, der
Bock hat Zeit. Es ist gescheiter, ich leg
mich wieder hin.

Sehen Sie, meine Herren, dieser Pirsch-
gang hat mir den größten Spaß gemacht.
Prost!" hl

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Register
Karl Blanckmeister: Fliegenadel
fed.: Minna und Marie
Achille: Ambrosio erspart sich einen Liebesbriefsteller
Werner: Der Hundeschwanz
Bl.: Die Pirsch
 
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