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Vas erlösende Wort

Von Richard E uringe r

Es gab leibhaftig eine Zeit, da man sich
so erquicklich damit belustigte, einen leben-
digen Menschen zu fangen, wie heute einen
toten Floh. Und gerade damals lebte der
verschlafene, versponnene Reiterknecht, von
dem dies Geschichtchen erzählt. Sein Vlamt
ist nicht überkommen, so daß er Schlappsack
heißen mag, wenn's Euch recht ist. Jeden-
falls war er so verträumt und dösig, daß
er manchmal vergaß, hinunterzuschlucken,
was ihm im Munde stak, und zuzubeißen,
batte er den Speck ins Maul geschoben. So
ist's am End kein Münder, daß ihm sein
^err eines windigen Novemberabends zum
Kuckuck jagte. Schlappsack nahm sein
Schneuztüchel an vier Zipfeln, machte sich
aus den weg, kam in den Wald und ver-
gaß über einer Dirn, daß er zum Kuckuck
gehen sollte: Er ließ den Kuckuck Kuckuck
sein, lief hinter der derben Dirne drein.

Es war natürlich genau die Dirn aus
der schwarzen Burg droben, wo der Ritter
hauste, dessen Name uns nicht überkom-
men ist. So mag er Schnappsack heißen,
wenn's Euch recht ist. Jedenfalls war er
so flink im Zuschnappen, daß aus sieben
Stunden Umkreis keine Fliege, kein Stück
Speck und kein Beritt vorbei kam, was er
nicht schnappte, wenn ihn grad die Lust
ankam. Und daß es daran nicht mangelte,
könnt Ihr Euch denken; denn es war leib-
haftig um die Zeit, da man sich so er-
quicklich damit belustigte, einen lebendigen
Menschen zu sangen, wie beute einen toten
Floh.

Der Reitknecht Schlappsack war aber
nicht so: Es fiel ihm gar nicht ein, etwa
die derbe Dirn lebendigen Leibs zu sangen,
sondern er vergaß sie über einem Eich-
katzel, das von Tanne zu Tanne sprang.
Ei, war das lustig! So ließ er die Dirne
Dirne sein, lief hinter dem braunen Eich-
katzel drein.

Es war natürlich genau der weg zur
schwarzen Burg, den das Eichkatzel sprang.
So dauerte es nicht lang, Schlappsack
stand mitten im Burgrevier und wußte
nicht wie. Er sab natürlich weder den
Späher, noch seinen dicken Schwarten-
glatzkops. Glicht zu reden von seinen Stein-
schenkelwaden, die durch die gelben
Strümpfe guckten. Nun war es, dürft Ihr
nicht vergessen, um die Zeit, da man sich so
erquicklich damit belustigte, einen leben-
digen Menschen zu fangen, wie beute
einen toten Floh. Also fing der Späher
aus der schwarzen Burg des Ritters
Schnappsack unfern Schlappsack. Natür-
lich nur zum Spaß. Und ich bin sicher, er
bätt ibn wieder laufen lassen, bätt unser
Schlappsack nur die Losung gewußt. So
aber wußte er sie nicht oder er hatte sie
vergessen. Kurz und schlecht: der Späher
sagte: „Tut mir leid, daß Ihr so ein Dos-
kopf seid!" sperrte ihn in ein dunkles Loch,
hinter eine eiserne Tür, wo Fledermäuse,

Ratten, Russen, Schwaben und Kellerasseln
für die Unterhaltung sorgten. Natürlich
nur, damit sich der Schlappsack aus die
Losung besinne, das erlösende Wort, das
ihm die Freiheit wieder brächte. Er hatte
ja nun Zeit, seitdem der Späher den
großen rostigen Schlüssel umgedreht.

Es war natürlich genau der große rostige
Schlüssel, der neben der Kammer der
Dirne hing. Ich weiß nun nicht, warum
sie in der Nacht den großen rostigen
Schlüssel nahm und an die eiserne Tür
kam, hinter der Schlappsack sich aus die
Losung besinnen sollte, das erlösende Wort,
das ihm die Freiheit wieder brächte. Es
war leibhaftig um die Zeit, da man sich so
erquicklich damit belustigte, einen leben-
digen Menschen zu sangen, wie beute einen
toten Floh. Am Ende war die Dirne so.
Ich weiß es nicht, dafür wißt Ibr's um so
besser. Jedenfalls steckte sie den großen

Heimat!

Herber Duft cler Heimaterde!

Tief im Korn der Sichel Schnitt!

Bild der bratmen Ackerpfercle
und des Bauern schwerer Schritt,
wenn er aus zum Säen schreitet
und mit treuen Händen schafft,

Korn um Korn zur Erd’ geleitet
mit cles Segens heißer Kraft,

Lied der Wincle, die im Dunkeln
einsam um die Höfe wehn,

Sang der Sterne, die im Funkeln
über Berg und Felder stehn,

Ton des Flusses dunkler Räder,
die am Grunde rollend gehn,
rauscht im Puls bei Schritt und Tritt:
Heimat, Heimat trägt ein jeder
tief in seinem Blute mit!

Linus Kefcr

Adolf Hitlers Geburtshaus Richard Müller

rostigen Schlüssel in die große eiserne
Tür, dreht ibn auch um ... aber da Hort
sie ein Geräusch, macht sich schleunigst aus
die Socken, tief erschrocken. Gottlob nahm
sie wenigstens den großen rostigen Schlüs-
sel mit. hinter der großen eisernen Tür
aber wachte Schlappsack auf, der vor lau-
ter Besinnen aus das erlösende Wort müde
geworden und eingeschlasen war. So be-
sann er sich denn von neuem, vergaß all-
mählich sein Besinnen wieder über einer
Fledermaus, die Fledermaus über einer
Ratte, die Ratte über einem Russen, den
Russen über einem Schwaben, den Schwa-
ben über einer Kellerassel. Jedenfalls fiel
ihm das erlösende Wort nicht ein, das ihm
die Freiheit wieder brächte. Und bätt doch
bloß die Hand auf die Klinke legen brau-
chen und fortgehn! Statt dessen bockt er
noch beut in seinem Loch und besinnt sich
aus das erlösende Wort. Das Wort, das
ihm die Freiheit wieder bringen sollte,
war natürlich genau das gleiche, das uns
selber Heraushilst aus Wust und Salat.

wer sagt da: Tat!? —

Der Müller von Knorrtngen

Der Müller von Knorringen war weit
und breit in der Gegend als ein kurioser
Mann bekannt, der allerhand seltsame
Streiche machte. Und also wunderten sich
die Bauern nicht, die zu Grünwiesen im
Wirtshaus um den Ofen herum saßen,
daß er noch spät abends bei grimmiger
Kälte, zu Pferd ankam; wohl aber dar-
über, was er weiter tat. Nachdem er näm-
lich in die Stube getreten und sich drin
um gesehen batte, sagte er zur Kellnerin:
sie solle eine Schüssel voll Salat mit Essig
und oM und harten Eiern draus zurichten
lassen für sein Roß. Die Bauern dachten
bei sich: das gibt wieder so einen Spaß,
von dem man erzählen kann. Als der Salat
fertig war, ließ er ihn wirklich in den
Stall tragen für sein Roß, und die Bauern
folgten alle neugierig der Kellnerin, zu
sehen, wie es dem Vieh schmeckte. Inzwi-
schen setzte sich der Müller gemächlich aus
die Gsenbank, breitete seinen Mantel aus,
und ließ sich wohl sein. Nach einer Zeit
kam die Kellnerin zurück mit den Bauern
und sagte: „Das Roß frißt den Salat
nicht." „Nichts" sagte der Müller, „nun,
so sreß ich ibn"; und setzte sich an den
Tisch und aß. Draus, nachdem er die
Zeche bezahlt, holte er sich den Mantel vom
Gsen, und sagte höflich zu den Bauern:
„Habt Dank, daß Ihr mir Platz gemacht!"
lind ging weiter. Jetzt merkten erst die
Bauern, daß er sie gefoppt habe, um einen
Platz an dem warmen Gsen zu ergattern,
der vermaledeite Müller. Und wenn der
günstige Leser das Stücklein nicht glauben
mag, so geh er nach Grünwiesen und ver-
lange nur im Wirtshaus, so laut, daß es
die Bauern hören mögen, Salat mit Essig
und (bl und barte Eier draus; er gebe aber
acht, daß ihm die Speise nicht versalzen

werde. A urbach er
Register
Richard Müller: Adolf Hitlers Geburtshaus
Richard Euringer: Das erlösende Wort
Aurbacher: Der Müller von Knorringen
Linus Kefer: Heimat!
 
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