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Anekdoten um Max Doerner

Die Wallfahrt

Professor Doerner kegelte oft mit den
Einheimischen. Zu dieser Gesellschaft ge-
sinnte sich auch der Dorfpfarrer, der ein
leidenschaftlicher Kegler war. Es war
Hochsommer und regnete seit 8 Wochen.
Die einheimischen alten Bäuerinnen woll-
ten unter allen Umständen einen Bittgang,
damit wieder die Sonne scheine. Da der
Pfarrer selten im Pfarrhof, sondern eher
auf der Kegelbahn zu treffen war, fanden
sie ihn auch dort. Sie baten ihn inständig
um den Bittgang. Der Pfarrer setzte ge-
rade seine Kugel an, als sie eindringlich
um den Bittgang flehten, er schob die
Kugel hinaus und sagte: „Was nutzt uns
a Bittgang, wenn der richtige Wind nicht
geht!"...

*

Professor Schmidt und Max Doerner
waren einmal im Gasthof zu Weßling, die
dortige Bedienung hatte in der Figur
einen ausgesprochenen gotischen Typ.
Professor Doerner sagte zu ihr: „Sie sind
ganz gotisch." Darauf erwiderte sie: „I
bin gor net bigottisch!" ...

Bilder...

Doerner malte einmal in Weßling vor
der Natur eine große Landschaft. Ein Ein-
heimischer ging vorüber, warf einen
Blick auf das Bild und sagte: „Aha, An-
sichtskarten!" ...

Bei einer anderen Gelegenheit konnte
einmal ein Weßlinger Bauer einige Bilder
von Professor Doerner sehen, die gerade
im Goldrahmen gefaßt waren und zur
Ausstellung kamen. Er schaute sie lange
an und da er die Motive kannte, sagte er
zu Doerner: „A soiche Tafi muß her und
kosts fünf Mark!" ...

*

Prof. Doerner malte einmal in Weßling
die Skizze eines alten Bauern. Als sie
fertig war, bat der Bauer ihn, ob er sie
seinen Altersgenossen zeigen dürfe.
Doerner gab selbstverständlich seine Zu-
stimmung. Die Bauern besichtigten län-
gere Zeit das Bild und sagten kein Wort.
Der porträtierte Bauer nahm dann einen
seiner Altersgenossen zur Hand und
sagte: „Den Kopf, den der hat und die
schlechte Montur!"...

*

Der Maler Max Doerner stand vor seiner
Feldstaffelei nahe einem Acker, auf wel-
chem ein Bauer mit seinen zwei Rindern
eggte. Unterm Malen bemerkte Doerner
plötzlich, wie die zwei Rindviecher, wild
geworden, ausgerechnet auf seine Staf-
felei losrannten. Knapp vor dem sprung-
bereiten Maler gelang es dem mitge-
schleiften Bauern, die Tiere herumzu-
reißen, anzuhalten und anzubrüllen: „Do
Himmiheiter, dö . .., jedn Dreck müassn's
scho sehng aa!" ...

Arbeit...

Max Doerner malte eines Tages in der
Gegend von Weßling im Freien. Eine ein-
heimische Bäuerin schaute ihm stunden-
lang zu und äußerte kein einziges Wort.
Als es ihr doch zu lang wurde, sagte sie
nur: „Wia ma eigentlich dem Herrgott
den Tag obstuit!" ...

*

Ein Schüler Doerners schrieb ihm ein-
mal, er möchte bei ihm malen lernen. Er
könnte alles hervorragend darstellen, nur
wüßte er nicht, wie man Wege, Steine

Ruh ensbutten [Max .Doerner

Wandel

Zur Jugend spricht der junge Waller:

,,Es trennt uns eine Kluft vom Alter!
Das Alter wird uns nie verstehn,

Drum laßt uns eigne Wege gehn!“

Die Jahre fliehn im Flug der Zeit;
und man wird dümmer, wird gescheit.
Auch unser Walter hat indessen
dies zugelernt und das vergessen.

Er lehrt nun — ach, die Jugend grinst! —
„Das Alter hat auch sein Verdienst!“

Und wieder rauscht der Strom der Zeit;
und man wird dümmer, wird gescheit.

„Ihr Kinder“, lehrt der greise Walter,
„gebt acht auf das erfahrne Alter!“

K i k i

und Zäune malt. Darauf erklärte ihm
Doerner: „Wenn er alles andere hervor-
ragend malen könnte, bräuchte er das
gar nicht lernen." ...

Der „unmoderne" Leibi

Prof. Doerner hatte in seinem Atelier
eine wundervolle Originalzeichnung von
Wilhelm Leibi. Ein alter Sammler wollte
diese Zeichnung erwerben und hat Doer-
ner unter irgendeinem Vorwand in seinem
Privatatelier oft besucht. Eines schönen
Tages fing er doch mit der Sache an. Er
sagte zu Doerner: „Herr Professor, Sie
haben da eine Leibi-Zeichnung, man hat
sie jetzt nicht mehr, sie sind aus der
Mode gekommen, ich würde Ihnen aber
doch RM. 30.— dafür geben." Darauf
klopfte ihm Doerner auf die Schulter und
sagte, er könne sich bestimmt darauf ver-
lassen, wenn er sie einmal für RM. 30.—
hergäbe, bekäme sie nur er.

Böcklins Nymphen ...

Maler Württemberger war einmal mit
Doerner in der Alten Pinakothek in dem
Saal, in welchem das Bild: „Spiel der

Wellen" von Böcklin hängt. In den Saal
kam eine Lehrerin mit ihrer Klasse. Sie
sprach von Böcklin, seine Bilder wären
veraltete Malerei und hätten künstlerisch

keine Bedeutung, aus diesem Grunde
wäre die Betrachtung der Bilder sehr
wertvoll.

Maler Württemberger, der Böcklin un-
gemein verehrte, kam in grenzenlose Wut,
stellte sich der Lehrerin vor und schrie
mit lauter Stimme, so daß alle Besucher
und das Personal aufmerksam wurden:
„Gnädige Frau, betrachten Sie sich nur
einmal, wie wundervoll der Arsch dieser
Nymphe gemalt ist!" ...

Der „Zitherkasten" ...

Doerner kam eines Tages von der Arbeit
mit seinem großen flachen Malkasten in
eine Wirtschaft. Einheimische freuten sich
über sein Kommen und bevor er sich an
den Tisch setzen konnte, sagten sie zu
ihm: „Bevorst as Saufa ofangst, geh spui
oan auf!"

Der Herr Obmann

In der Dietz-Schule war einmal eine
besondere Feier, als ein Mitschüler, der
Geld hatte, aufgenommen wurde. Doerner
war Obmann der Klasse und mußte ihn
in die Schulordnung einweihen. Er er-
klärte ihm mit allem Ernst, daß die Dietz-
Schüler nur aus dem Grund so viel her-
ausbrächten, weil der 2. Obmann der
Klasse jeden Tag gegen 11 Uhr ein Früh-
stück bezahlen dürfte. Die älteren, an-
gesesseneren Dietz-Schüler hätten sich
gestern in diesem Sinne beraten und
würden sich bereit erklären, ihn gleich
als den 2. Obmann einzusetzen. Der
Amerikaner war über diese freundliche
Aufnahme sehr erfreut und hat seinen
Auftrag auch einige Monate durchgeführt.

Der Kirchhof und das Quellwasser

Vor Jahren wollte man in Weßling eine
neue Kirche bauen und sie über die alte
gotische Kirche auf den darüberliegenden
Hügel stellen. Die beiden Kirchen hätten
sich überschnitten, und das Landschafts-
bild von Weßling hätte dadurch sehr ver-
loren. Unter diesem Hügel war zufällig
die Wasserleitung für Weßling gelegt
worden. Doerner bemühte sich an maß-
gebenden Stellen zu verhindern, an diese
Stelle die Kirche zu bauen, jedoch ohne
Erfolg. Als einmal die einheimischen
Weßlinger in dem Gasthaus beisammen
waren, wurde das neue Bauprojekt und
der neue Platz, der bereits fest bestimmt
war, eingehend erläutert. Bei dieser Zu-
sammenkunft war auch zufällig Doerner in
der Nähe gesessen. Man wußte bereits,
daß Doerner sich für diese Idee nicht er-
wärmen konnte und einer fragte ihn:
„Herr Professor, warum sind Sie denn gar
so dagegen, daß wir die Kirche da oben
bauen." Doerner sagte: „Baut ses nur
nauf, und den Friedhof drum; dann sauft
halt jeder Weßlinger sein- eigna Groß-
vata." Heute steht die Kirche nicht an
dem Berg, sondern auf flachem Boden.

Der Patentwecker

Ein Schüler Professor Doerners, der sich
als bedeutender Bilderrestaurator
ausbilden wollte, fragte Doerner eindring-
lichst, was es für ein ganz sicheres Mittel
gäbe, alte Lacke abzunehmen und an der
Stelle aufzuhören, an der die Original-
farbe mit den Schlußlasuren beginne, so
daß er an dem Bild nichts verletze.
Doerner sagte, die Sache wäre sehr ein-
fach, da gibt es eine Weckuhr, die
dann beim Entfernen der Schmutzschicht
und bei Beginn der Originalmalerei zu
läuten anfinge. Der Schüler fragte dann,
wo man derartige Wecker bekäme.
Doerner erklärte: „Im Ausverkauf beim
Oberpollinger."... Toni Roth

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Register
Max Doerner: Rubensbutten
KiKi.: Wandel
Toni Roth: Anekdoten um Max Doerner
 
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