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uns. „Macht's ein bisserl Platz, ihr
Buberln!" sagte sie zu uns. „Buberln"
sagte sie und dabei hatten wir unsere
Gymnasiastenmützen aus. wir haben die
ganze Vorstellung gegen die Dame hin-
gedruckt, daß sie immer nur halb in der
Bank sitzen konnte.

Im übrigen warteten wir nur aus die
Einrichtung. Den anderen Nummern des
Programms konnten wir nichts abgewin-
nen. wir verzweifelten beinahe, als die
„Schönheitsstellungen der weißen Venus
und Partnerin" kein Ende nehmen woll-
ten, lind konnten nicht begreifen, daß die
schon frisierten Herren neben uns „pfun-
dig! Zeahm! Deftig! wuid!" sagten und
nach jeder dieser langweiligen Freiübungen
klatschten. Die Dame mit dem Federhut
schien weniger Gefallen an den Schön-
heitsstellungen zu finden. Im Ton der
Entrüstung flüsterte sie: „A so a Schwei-
nerei, alles stecht ma!"

Endlich trat der Schichtl-August vor
den Vorhang und teilte mit, daß auf der
Bühne das Blutgerüst aufgebaut werde,
daß aber niemand Angst zu haben
brauche, weil alles nach den Vorschriften
der medizinischen Kapazitäten des In- und
Auslandes gekandhabt werde.

Der Vorhang teilte sich. Auf der
Bühne stand das Gerüst, Hoch oben
blinkte das Beil. Ein Tisch für das Opfer
war da, ein Rorb für den abgeschnittenen
Ropf. Die Bühne selbst war durch einige
schwarze Tücher auf eine notdürftige
Feierlichkeit gestimmt worden.

„Darf ich jetzt bitten, daß sich jemand
meldet, der hingerichtet werden will",
sagte der August. Betretenes Schweigen
im Theaterraum.

„Es tut nicht weh, und wir müssen alle
einmal sterben."

Niemand rührte sich.

Der August wurde ungeduldig: „Die
Einrichtung kann nur stattfinden, wenn
sich jemand meldet." wenn sich niemand
meldete, würde die Einrichtung aussallen.

Angstvoll musterten wir die Zuschauer-
reihen. Nirgends zeigte sich ein groß-
zügiger Mensch, der bereit war, sich für
seine Mitmenschen zu opfern. „Melde
dich:" sagte der Spingler Leopold zum
Gradinger Franzl; aber der Gradinger
Franzl erwiderte: „Halt bei Bappen!"

„Na, wie steht's, meine Herren von
der Lateinschule-" wandte sich der August
an den Riedmüller Rudi.

„Ich weiß nicht, ob es meine Mutter
erlaubt", sagte der Rudi, und alle im
Theater lachten.

Der August fragte: „Hat denn niemand
seine Schwiegermutter bei sich, daß er sie
zur Verfügung stellte"

„Schade, daß wir den Professor Höfler
nicht dabei haben", sagte ich.

Auf einmal kam aus der letzten Reihe
ein junger Mann nach vorn, der keinen
Rragen anhatte und mit seinem freien
Hals gut für die Einrichtung geeignet
war. wir klatschten dem kühnen Jüng-
ling dankbaren Beifall. Der August zog

Die Hinrichtung einer lebenden Person

Eine Schichtl-Erinnerung / Von Ernst R a m m erer

„Heut schau'n mir uns die Hinrichtung
an." wir vier Spezeln machten es in der
Lateinstunde aus. Alle vier waren wir
dabei, der Gradinger Franz, der Spingler
Leopold, der Riedmüller Rudi und ich.

„was flüstert ihr da von einer Hin-
richtung^" fragte der Professor Höfler.

„Ich habe den Gradinger gefragt, was
.Hinrichtung' auf lateinisch heißt, ob er-
es weiß", sagte der Spingler Leopold.

„Ihr habt ,Hinrichtung' noch nicht ge-
habt, und was ihr noch nicht gehabt
habt, davon habt ihr auch nicht zu
sprechen. Außerdem sollte sich ein huma-
nistischer Mensch schämen, seine Gedanken
an so niedrige Dinge zu wenden."
wir schämten uns aber gar nicht, son-

dern konnten es kaum erwarten, bis wir
vor dem Schichtl-Theater auf der wies'n
standen. Da lasen wir das Plakat: In
jeder Vorstellung die Hinrichtung einer-
lebenden Person mittels der Guillotine.
Dem Riedmüller- Rudi hatte sein Vater
erklärt, daß eine Guillotine eine Maschine
zum Ropfen ist. wir fragten uns, wo das
Schichtl-Theater die Menschen zum Röpsen
herkriegt.

Die nächste Hauptnachmittagsgalavor-
stellung begann um vier Uhr. wir saßen
neben einigen jungen Herren aus der Vor-
stadt. Ihr Dialekt war reich an Rraft-
ausdrücken. Sie imponierten uns sehr.
Rurz bevor es anging, setzte sich noch eine
dicke Dame mit einem Federhut neben

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Register
Fuchs: Bildreproduktion ohne Bezeichnung
Ernst Kammerer: Die Hinrichtung einer lebeneden Person
 
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