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Von Hans K c i j c r

Lange hatte ihn das Fieber verschont,
aber dann überfiel ihn die Malaria-Ter-
ziana und hielt ihn fest mit eisernen Real-
ien,' wie ein Aasgeier einen abgenagten
'Knochen. In der kleinen Stadt an: Ama-
zonas, die eine wirkliche Stadt und schon
sechzig Jahre alt war, gab es sogar einen
Arzt. Aber der kostete zuerst Geld, und
ob er dann auch helfen konnte, war Glück-
sache. was sicher half, war Klimawechsel.
Er mußte die feuchtbrütende Sumpfhitze
des Amazonastieflandes mit einer höher
gelegnen Gegend in den Kordilleren, deren
waldige Ausläufer sich nahe bis an das
Stromtiefland heranschieben, vertauschen.
Er mußte weg, mit aller Gewalt und um
jeden Preis.

Geld — kein Cent, er war abgebrannt
wie eine Urwaldrodung. Aber da war ein
Deutscher, Inhaber eines großen Handels-
kaufes, der zu seiner Aufgabe rechnete,
Abenteurern, abgebrannten Landsleuten,
Weltenbummlern, Ausreißern und ge-
scheiterten Siedlern weiter zu helfen, so
lange es noch nicht zu spat war; nicht sel-
ten blieb ihm nichts mehr zu tun übrig,
als dem Geschlagenen des Urwalds auf
dem verwilderten Friedhof hinter dein
Hospital ein kleines Holzkreuz setzen zu
lassen.

Dieser Mann verschaffte ihm eine Frei-
fahrt auf einem kleinen Maranondamp-
fer. Die Fahrt ging vier Tage stromauf-
wärts bis Hurimuguas. Der Präfekt gab
dem Fiebernden einen Führer, — weiter
— weiter, flußaufwärts, flußabwärts,
bergab, bergauf, über Steilhänge, durch
Schluchten und Flüsse ohne Brücken und
hitzebrütende Sümpfe und auf Saum-
pfaden durch den Eiswind viertausend
Meter hoher Bergzüge. Ein gesunder.
Mensch, verirrt in dieses unwegsamste
Gebiet Perus, hätte versagt, wäre irgend-
wo liegen geblieben oder umgekehrt, oder
hätte die unmenschliche Wanderung auf
viele Monate allsgedehnt — ihn jagte die
fiebrige Energie, es war eine Jagd ums
Leben.

Seine Schuhe, in denen sich keine Maus
mehr verstecken konnte, hatte er wegge-
worfen. Aber barfuß, auf Steinen, Ästen
und Dornen, in Schlamin lind Sumpf,
kam er noch langsamer voran und blieb
oft stundenweit hinter dem Wegführer
zurück. Der Indianer ging schnell und
ausdauernd lind rastete nur selten und
ungern.

Er kam in ein Dorf, San Antonio. Die
Bewohner, als sie den Zustand des weißen
Mannes sahen, rieten ihm ab, weiter zu
gehen. „Zwei Tage, drei Tage dableiben!"
redeten sie ihm zu. „Ausruhen, sonst tot!"

Er schüttelte den Kopf, „hinter mir
kommt das Fieber! Muß ihm davon-
lausen!"

Sie gaben ihm ein Maultier, weiter,
weiter —

Er erreichte Tarapota, ein kleines Nest
auf einer felsigen Oase, eingeschlossen vom
Urwald. Sonngedörrte Palmstrohdächer

spitzten braun aus verfilztem Dickicht,
überragt von den hohen Büscheln schlan-
ker Kokospalmen. Regenarme, ausge-
brannte Gegend, erdrückt voll trockener
Höllenhitze. Und doch wie heimlich und
anheimelnd war der Geruch des Holz-
feuers, dessen würziger Rauch aus den
Fugen der Bambushütten in die Sonnen-
hitze schwelte! Fast überredete ihn dieser
häuslich friedliche Weihrauch, dazublei-
ben, Rast zu machen, in Tarapota sollte
doch auch ein Deutscher leben — wo in der
Welt, in welchem verlorenen Winkel lebt
kein Deutscher-

Da war sein Haus, eine Hütte, nach
Indianerart erbaut, und schon stand er
vor der Tür, das Hufgeklapper hatte ihn
herausgelockt. Der Fremde glitt aus dem
Sattel und konnte sich nicht auf den Bei-
nen halten. Don Frederico hob ihn auf:
„Mann Gottes, Sie reiten ins Grab!"

Er mußte dableiben, da half nichts,
wenigstens ein paar Tage, mußte in dem
selbstgezimmerten Bett des Deutschen
schlafen, der sich mit der Hängematte be-
gnügte. Aber er hielt cs llicht aus, er
mußte weiter, höher hinauf in die Berge
und näher der Küste. Federico gab ihm
Proviant, ein Reittier rmd einen Knaben
als Führer, der bis zum nächsten Dorf,
Juan Guerra, mitlief und dann das Tier
zurückbrachte.

Die stille Landschaft, einzelne Hütten,
hie und da Menschen, alles trieb flim-
mernd vorbei, kam und verschwand —
war es Schein oder Wirklichkeit- Er
hatte nur ein Wort, nur einen willen
klar im Bewußtsein: weiter!

Im Boot ging es den stillen, träge
träumenden Rio Mayo hinunter bis zur
Mündung, vorbei an üppigen Ufern, de-


In den Tropen Theo Scharf

feit Wälder wie geflochtene grüne Vor-
hänge in die Flut hingen, womit hatte
er die beiden Ruderer bezahlt, oder wer
hatte sie bezahlte Er wußte es nicht mehr.
Als sie mit langen Stangen auf dem
reißenden Huallaga stromaufwärts stakten,
standen ihre schweigenden Gestalten groß
und dunkel gegen den Himmel. In den
Stromschnellen, wenn sie die Tanoa nur
um Handbreite vorwärts brachten, arbei-
teten sie mit höchster Anstrengung ruhig
und sicher, kein Wort wurde gesprochen.
Sie waren Halbindianer. In undurch-
dringlichen Wäldern, verlassenen Fels-
wüsten und auf den reißenden Flüssen zu-
hause, kannten sie- keine Empfindlichkeit
und keine Schwäche. Der Umgang mit der
Wildnis, dem Weißen ein aufreibender
Kampf, war ihnen angeborene, selbstver-
ständliche Gewohnheit. Der Strom war
reißend und tückisch, das war selbstver-
ständlich, und ihm Herr zu werden, war
auch selbstverständlich.

Sie wollten pieota an einem Tag er-
reichen. Von den Bergen zog düsteres Ge-
wölk herunter, es regnete und goß und
wurde kalt. Oder war es nur der Schüttel-
frost- Nein, in dem koken Gebirgstal
herrschte ein anderes, nördlich rauhes
Klima. Der Regen, wie mit Kübeln ge-
schüttet, verwandelte den Fluß in ein
wütendes, brüllendes Raubtier.

Er konnte nicht zugreifen und helfen, er
lag im Boot wie eine Leiche. Sie kamen
nur bis Remo Pampa, der Sturm hatte
sie aufgehalten. Keuchend kroch er die steile
Böschung hinauf und klammerte sich an
Stauden und wurzeln, um nicht umzu-
sinken.

„Hier bleiben wir. Das ist ein Schul-
haus."

Schulhaus- Es war eine Bambushütte
mit festgestampftem Lehmboden, weder
Stuhl, noch Tisch oder Bank oder gar
eine Schultafel waren zu sehen.

Die peons machten Feuer, plötzlich lag
der Weiße am Boden. Besorgt hoben sie
ihn auf und warfen sich einen Blick zu —

„Fieber —" sagte er.

„Si Senor!" Jetzt verstanden sie, was
mit ihm los war, brachten heißen Kaffee
und hingen seine triefende Decke ans Feuer.

Frost^ und Fieber geben einen schlechten
Schlaf. Aber am Morgen glühte wieder
die Sonne und brannte heiß bis ins Mark.

Der Alkalde von pieota, das sie am
nächsten Tag erreichten, stellte ihm sein
eigenes prächtiges Reitpferd zur Verfü-
gung und gab ihm einen berittenen Füh-
rer mit, der ihn bis Saposoa begleitete.
Fast jeden Tag passierten sie ein Indianer-
dorf, die Hitze wurde immer größer und
die Strecken erschienen endlos. Doch die
Pferde kamen gut voran und das Ziel
rückte Tag um Tag näher, wenn der
weiße Mann etwas sagte, horchte der In-
dianer aufmerksam zu, verstand aber kein
Wort. Der Senor redete im Fieber.


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Theodor Scharf: In den Tropen
Hans Reiser: Heiße Weihnachten
 
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