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Was kaufe ich meinem Kinde zur
Weitinachtszeit?

Von Rarl V alenti n

... o du fröhliche, gnadenbringende

Weihnachtszeit.

Es ist für einen Vater, oder für eitlen
Papa riesig schwer, seinen Rindern das
richtige Weihnachtsgeschenk zu kaufen.

Ich habe nämlich zwei fast gleichaltrige
Rinder, einen Buben lind ein Madel, der
Bub ist acht Jahre und das Madel ist
acht Jahre und drei Monate, es sind aber
keine Zwillinge. Die Rinder sind in ihrem
Geburtsalter nur drei Monate auseinan-
der (wie, fragt man sich, ist das möglich,
der Zeitunterschied müßte doch mütter-
licherseits neun Monate betragen) das
kommt aber daher, weil das Madel adop-
tiert wurde.

Bei jedem anderen normalen Vater ist
der weihnachtseinkauf für seine Rinder
sehr einfach — anders ist es bei einem
hypochondrischen Vater, denn der sieht in
jedem Rinderspielzeug eine Gefahr für
seine Lieben — und ich bin so einer, der
immer Gefahr wittert, wo, wann und wie
es auch sei. So dachte ich an einen Rodel-
schlitten, aber die Rinder könnten damit
stürzen und dabei ihre beiden Genicke bre-
chen. — Mit Gummiballen7 Die Gummi-
bälle kollern aus dell schmutzigen Boden,
Bazillen bleiben daran hasten, wandern
von den Rinderhänden zum Mund und in-
sektionöse Rrankheiten wie Scharlach —
Masern — Altersschwäche etc. sind die
Folgen — also keine Gummiballe. Eine
Rindereisenbahin — Nein — die geheizte
Dampflokomotive könnte unter die Bett-
lade fahren, fällt um, der Spiritus läuft
aus, das Bett fängt an zu brennen, das
Zimmer auch, die Rinder auch und das
Unglück wäre geschehen. — Bleisoldaten
sind schon ganz ausgeschlossen, denn von
Bleivergiftungen hat man schon viel ge-
hört. Ein Steinbaukasten kommt gar nicht
in Frage, wie leicht kommen Rinder in
Streit, werfen sich gegenseitig einen Stein
an die Schlafe, man denke an David lind
den Riesen Goliath — ein Farbenkasten ist

KI. Qeiseler

harmlos, aber beim Malen von grünen
Bäumen verwendet man grüne Farbe.
Grün setzt Grünspan an, Grünspan ist
Gift, also wieder eine Gefahr für die Rin-
der. Geduldspiele sind für Rinder wieder-
um gefahrbringend, in ihren jungen Jah-
ren könnte denselben schon die Geduld
reißen und ein Nervenleiden ist unaus-
bleiblich. — Papi erdrachen zwingen die
Rinder zum Spielen im Freien, frische
Lust ist den Rindern gesund, aber wenn
der Drache in der Lust fliegt, schauen die
Rinder nach oben, laufen schließlich in eine
Straßenbahn und werden überfahren.
Dann dachte ich an ein Radio, aber auch
das droht Gefahren mit sich zu bringen.
Bei den Münchner Bunten Abenden, die
so „überaus lustig stnd", konnten stch ote
Rinder krank lachen.

händeringend griff ich mir an den
Ropf: was soll ich denn meinen Rindern
zum weihnachtssest geben- Da hörte ich
per Zufall aus einem Schallplattengeschäft

Eines Mittags kommt der kleine Ger-
hard, der neugebackene Abc-Schütze, nach
Schulschluß aufgeregt heim, wirft sein
Ränzlein wütend in die Ecke und erklärt
der überraschten Mutter unter Tränen, daß
er nicht mehr in die Schule gehen werde.
„Warum denn nicht, um Himmelswillen?"
fragt die Mama besorgt. „Weil mich der
Lehrer egal schikaniert", ist Gerhards
prompte Antwort. Bei Tisch berichtet die
Mutter diesen Vorfall dem Vater. Herr
Klein, ein etwas cholerischer Herr, schlägt
mit der Faust auf den Tisch. „Was, schika-
nieren tut er meinen Jungen? Das werde
ich diesem jungen Manch der anscheinend
nicht weiß, wie man mit' Kindern umgeht,
morgen mal gehörig klarmachen!"

Am nächsten Morgen nimmt also Herr
Klein seinen hoffnungsvollen Sprößling an
der Hand und geht mit ihm zur Schule.
Der Junglehrer kann es sich beim besten
Willen nicht erklären, ausgerechnet den
kleinen Gerhard schikaniert zu haben. Und
zum Beweis seiner korrekten Unterrichts-
methode lädt er den erzürnten Vater zur
Teilnahme an der ersten Schulstunde ein.
So kommt es, daß Herr Klein auf seine
alten Tage noch einmal die Schulbank
drückt. Es wird gerechnet. Eins und eins
ist zwei. Alles verläuft ohne Störung bis
die Reihe an den kleinen Gerhard kommt.
Herr Hempel fragt ihn: „Wieviel ist zwei
und drei?"

Da springt Gerhard von seinem Sitz auf,
dreht sich nach seinem Vater um und ruft
ihm empört zu: „Siehst, Vater, jetzt fängt
er schon wieder an, mich zu schikanie-
ren!"... ster
Register
Hermann Geiseler: Zeichnung ohne Titel
ster.: Die Schikane
Anton Marxmüller: Dorfkinder
Karl Valentin: Was kaufe ich meinem Kinde zur Weihnachtszeit?
 
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