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„Ihr Diener"

Die Warnungstafel

Der Förster Aichbichler war eine Seele
von Mensch. Es war forstamtliche Vor-
schrift, alle im Walde herumjagenden Hun-
de rücksichtslos zu erschießen. Aichbichler
wußte, was seine Pflicht war. Aber jedes-
mal, wenn er solch einen auf eigene Faust
wildernden Hund eines Sommerfrischlers
aufs Korn nehmen mußte, stieg ihm eine
Träne ins Auge aus Mitleid mit dem schö-
nen Hunderl, dem er den Garaus machen
mußte. Und die Erregung über die Exeku-
tion war bei ihm immer so heftig, daß er
sie nur durch einen handfesten Rausch im
Dorfwirtshaus niederschlagen konnte.

Da alle seine Bitten und Warnungen
nichts fruchteten, so griff er zu einem an-
dern Mittel. Eines Tages fanden die Spa-
ziergänger am Eingang des Waldes eine
Tafel, auf der folgendes zu lesen war:

Warnung!

Derjenige welcher seinen Hund
im Forste frei herumlaufen läßt,
wird erschossen!

Die Forstverwaltung.

Als der Förster am Abend ins Wirtshaus
kam, wurde er mit Hailoh empfangen. Und
der Gymnasialprofessor setzte ihm in ei-
nem längeren Vortrag auseinander, daß er
a) nicht die Berechtigung habe, den Eigen-
tümer eines Hundes, also einen Menschen,
zu erschießen. Sofern er aber b) seine Be-
rechtigung einen Hund zu erschießen, auf
der Tafel bekanntgeben wolle, so habe er
dies deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Aichbichler hörte aufmerksam zu, rauchte
nachdenklich seine Pfeife aus und verab-
schiedet sich mit den Worten: „Dös mit
dem Hund dös werd i glei harn".

Am andern Tage lasen die Sommerfrisch-
ler auf der Tafel:

Warnung!

Derjenige, welcher seinen Hund
im Forste frei herumlaufen läßt,
wird erschossen, der Hund!

Die Forstverwaltung.

Bernhart Rehse

Berliner Ohrfeigen

Im vorigen Jahrhundert fuhr der Sohn
eines Bauern aus der Eifel mit der Eisen-
bahn nach Berlin. Er schilderte nach
seiner Heimkehr die Fahrt, als käme sie
einer Nordpolexpedition gleich. Und
prahlte und prahlte. „Wie schön der
Mond heut abend leuchtet", lächelte der
Vater und wollte damit sagen: im Grunde
besitzen wir kleinen Leute in der Eifel
das gleiche an kostbarem Erdengut wie
die angeblich großen in Berlin. Doch der
Sohn legte sofort los: „Dieser dürftige
Eifelmond! Der Berliner Mond, das ist ein
Ding!" Da wurde der Vater zornig, und
ehe der Sohn sich's versah, hatte er eine
brennende Ohrfeige im Gesicht. „Da soll-
test du mal Berliner Ohrfeigen kriegen,
Vater, das ist eine andre Sorte!" sagte
der Sohn verächtlich.

Hein

Der Unterschied

Die „Jugend“
im neuen Jahr . . .

Ein neues Jahr geht auf die Reise
und schwingt das Glas als Wanderlnit.
ln der althergebrachten Weise
serviert die Bowle Lebensmut.

Die „Jugend" hebt der Hoffnung Fahne
als unentwegter Optimist.

Sie segelt froh im kleinen Kahne,
der niemals zu versenken ist.

Und Ihr, die stets mit uns gefahren!
Willkommen jetzt und steiget ein!

Die „Jugend" rechnet nicht nach Jahren
und Ihr sollt mit uns - Jugend sein!

w. E.

Ein Wiener Gelehrter war ein geschwo
rener Feind aller achtlos hingeworfenen
Höflichkeitsfloskeln, wie sie besonder
zu Anfang unseres Jahrhunderts in der
liebenswürdigen Stadt an der Donau im
Schwange waren. m

Als ihn eines Tages der Metzgermeister
Niedermaier, bei dem die Professorsgattin
ihr Fleisch einzukaufen pflegte, auf der
Straße mit devoter Verbeugung grüßte
den Hut zog und „Ihr Diener, Herr Geheim-
rat!" sagte, trat der Professor rasch auf
ihn zu, faßte ihn an einem Westenknopf
und erwiderte ohne den grüblerisch ge-
senkten Kopf zu heben: „Sehr gut, daßSie
grad kommen. Alsdann b'sorgen S' mir
sofort die Bücher, die mir der Feigerl aus
dem Engen Gaßl zukommen lassen wollte
und den Schnupftabak, mit dem mich der
Apotheker hat aufsitzen lass'n und her-
nach auf dem Rückweg gehn S' bei dem
Schlachter Niedermaier vorbei und sagen
S' ihm, daß er mir die Semmerln extra
liefern soll und net in der Leberwurst, göll."

Da trat der verdutzte Schlächtermeister
Niedermaier beleidigt einen Schritt zurück,
setzte ostentativ seinen Hut auf und ant-
wortete mit eiskalter Stimme: „Das muß
ein Irrtum sein, Herr Professor."

Worauf der Professor wohlwollend lä-
chelte: „T hab mir's doch gleich denkt,
daß Sie net mei' Diener sind."

bl.

Otto und Willi sind eng befreundet. Sie
wohnen beide in Großberlin. Otto im Osten
und Willi im Westen. Räumliche Entfernun-
gen überbrückt das Telefon. Aller paar
Tage telefonieren Otto und Willi mitein-
ander. Otto bringt dann immer seine neu-
esten Witze mit langem Bart an den Mann.
Er meint, telefonisch macht sich das am
besten, weil man dabei nicht das dumme
Gesicht am anderen Ende der Strippe zu
sehen bekommt.

Seit einigen Tagen hat Otto aber trotz-
dem die telefonischen Beziehungen zu
seinem Freunde Willi abgebrochen. Mit
der kurzen Erklärung, Willi möge ihm
schreiben, je öfter, desto besser. Und das
aus Gründen der Taktik, aber davon ver-
stehe Willi ja nichts.

Gestern trafen sie sich im Kaffee. Otto
ließ sich vom Ober acht Postkarten brin-
gen und schrieb sie alle acht — an sich.
Darauf ersuchte er seinen Freund, jeden
Tag eine Karte in den Kasten zu werfen.
Willi fragte nur zurück, ob er sonst noch
etwas für Ottos Gemütszustand tun könne»
Nein, das genüge.

Am siebten Tag ruft Otto an. Willi hält
den Hörer sprachlos in der Hand. Entweder
ist er verrückt oder im Draht eine Fehl-
verbindung. Aber er hört doch ganz deut-
lich Ottos Stimme: „Ich gebe den Bericht
noch einmal in langsamer Form, für alle
Hörer, die mitschreiben wollen: Habe —
mich — soeben — mit — dem —
Briefträger — verlobt!"

Willi nimmt sich eine Taxe. Und fährt zu
seinem Freund. Unterwegs fragt er den
Chauffeur nach Irrenanstalten und Privat-
kliniken aus.

Otto fällt ihm gleich um den Hals. Dann
führt er Willi ins Zimmer. Dort erhebt sich
eine nette, junge Dame, die Otto als seine
Braut vorstellt. Willi merkt immer noch
nichts. Otto muß ihn erst auf eine Dienst-
mütze aufmerksam machen, die zum —
Fräulein Briefträger gehört. bi

Unser Titelbild stammt von Max Spielmann

Bei einem Sänger war ein Gärtner in
Dienst, der eine große Schwäche für Alko-
hol hatte. Nur seine Treue und Ehrlichkeit
und sein oft treffender Witz hielten den
Sänger davon ab, ihn zu entlassen. Eines
Tages trafen sich Sänger und Gärtner ge-
rade am Hoftor. Letzterer schwankte
wieder bedenklich, und die neue Bluse,
die er erst ganz kurze Zeit trug, war vol-
ler Flecken.

„Es ist mit Ihnen denn doch nicht mehr
auszuhalten. Fast jeden Tag betrunken!

Sehen Sie nur mal die Flecken auf der
neuen Bluse!"

„Ver—zeihen Sie", antwortete der Gärt-
ner, „aber — so schlimm ist — das nicht
mit mir! Diese Flecken kommen nicht
vom Trinken!"

„Wovon denn?" fragte der Sänger noch
unwilliger.

„Ach, die Flecken — kommen vom —
Verschütten!"

Hs

Aus Gründen der Taktik

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Register
Bernhart Rehse: Die Warnungstafel
W. E.: Die "Jugend" im neuen Jahr
Bl.: Aus Gründen der Taktik
Bl.: Ihr Diener
Hein: Berliner Ohrfeigen
Josef Oberberger: Vignette
Hs: Der Unterschied
 
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