Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 45.1940, (Nr. 1-13)

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6782#0032
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Du en^es Lund,
die Oüelier voll 8clinee,
der Himmel Arau hespunut,
seilist deine weiehe Osud,
die streichelt, tut weh.

Ls ist so Luit
und der 'LuA so hlind,
die ^snßen werden ult
und kühl,
Leine 8tille, Lein ^uld
und üherull
welit der ^ind.

Oie 8onne, die mieli riek,
ist weit kort
und der Loden Lnurrt,
ßit) seilt
gu5 dein ^ort!
Ogs Herr wird liier ligrt
und die Trauer tiel
wie die lXsellt.
Hans Leiser

dies heilige, Märtyrer, Auserwählte?
Hatten sie nicht Gesichter wie Tierbändi-
ger und Folterknechte? Sie breiteten die
Werkzeuge aus, womit sie gemartert, for-
dernd taten sie das, Bartholomäus schwang
die blutige Haut, die ihm abgezogen wor-
den, und er hatte selbst das Messer in der
Faust, die heilige Jungfrau warf sich nach
hinten, um nichts sehen zu müssen von den
Greueln, Angst war in den Gesichtern
dieser Heiligen wie in denen aller andern,
die von der aufgebrochenen Erde ausge-
spien wurden. Dies war die Stunde des
mitleidlosen Gerichts, die Stunde ohne
Gnade, wer war der Mensch, der dies
schaffen konnte? Rannte er Erhebung und
Frommsein? Hielt er nicht selbst dies Ge-
richt über die Menschheit? war er so sehr
voll Verachtung und Bitternis? Grauen-
haft war dies, zwar voll Rraft und Größe,
auch geordnet, gebändigt durch einen über-
mächtigen willen, dennoch: wer wollte
nicht zurückschaudern vor so viel des Über-
maßes. war dies erhört und war es ge-
stattet?
Die Menschen empörten sich, nahmen
die Nacktheit der Gestalten zum Vorwand
und verlangten Vernichtung.
Michelangelo lächelte nur. Nacktheit?
Zu wenig Einfalt? Reine frommen Ge-
bärden? Galt es nicht etwas ganz anderes:
Die große Frömmigkeit, die Gewalt des
Ausdrucks, und daß ein Werk getan war!
was wollte dagegen besagen, ob hier für
scheue Gemüter zuviel des Nackten gezeigt,
dort zuwenig der Ergebung? Er hatte
das Seine getan und es war gut geworden.
wer wird dies verstehen? wer kann
diese Höhe erklimmen?
Michelangelo verteidigte sich. „Jeder
Berufene!"
wieviele sind berufen?
Und dann erfuhr er: Der Gerichtshof
tritt zusammen, das Bild soll übermalt
werden, der Papst selbst wagte nicht, für
das Werk zu sprechen!
Da eilte er in die Sixtina, da schloß er
sich ein. Einen Tag und die Nacht und
wieder den Tag und es ging gegen den
Abend. Die Richter berieten, vor der Ra-
pelle harrten die Schüler und flüsterten
scheu, was wird aus dem Bild? Hatte
der Meister nicht manchmal ein Steinwcrk
zerschlagen, mit dem Hammer, ip maßloser
Wut, weil es ihm nicht geraten schien?
Sie pochten an die Tür und riefen seinen
Namen. Es kam Tommaso, der Liebling,
und es kamen die anderen Freunde. Er
antwortete nicht. Zerstört er sein Werk,
eh' es verstümmelt wird? Und sie sagten:
Gab es je einen, der mehr er selbst ge-
wesen wäre, unbändiger, herrischer auch
als dieser, der sich eingeschlossen hat?-Gab
es eine Runst, die weniger nach dem Her-
kömmlichen fragte, die eigenwilliger wäre,
aufgebaut auf den großen Menschen, den
Herrenmenschen? wie kann er es tragen?
Fünf Jahre Arbeit, übermächtige An-
strengung, fünf Jahre Rausch, Leben im
Übermaß, wird er zerstören?
Es kamen Abgesandte des Spruchge-
richts, er gab keine Antwort. Sie gingen
zurück und berieten und sagten: „Er malte
im Auftrag des Papstes, der Papst schützt
ihn, der größte Meister unter den Leben-
den ist er. Und dennoch: Das Bild darf so
nicht bestehen."
Und sie kamen wieder und es war am

28
Register
Walter Schulz-Matan: Zeichnung ohne Titel
Hans Reiser: Blinder Tag
 
Annotationen