Scpp 8,-Uit-Kv, Der Kat einen Willen
Der Saumarkt im Böhm drin war fin-
den Motl aus dem Frischwinkel allemal ein
Fest; eine Art Kirchweih, bei der er aufhauen
konnte, den Gulden nicht schonte und die
Wirtshäuser, die auf dem langen Wege lagen,
der Reihe nach besuchte, um zu sehen, wo das
beste Bier und die fescheste Wirtin wären.
Der Frischwinkel liegt unter dem Spitz-
berg, wo der Fluh Angel noch ein Kind ist
und übermütig wie ein Waldbauernbüblein
über die Steine hüpft. Dort steht der Moll-
Hof, breit, behäbig, und stellt etwas vor wie
sein Bauer.
Durch den Frischwinkel fährt in einem
großen Bogen die Eisenbahn. Dreißig Jahre
fauchte der eiserne Wurm am Motlhof vorbei,
den Bauer aber gelüstete es niemals mitzu-
fahren. Er vertraute seinen beiden Braunen
mehr als dem Dampfroß und Hielt seine eige-
nen Beine für widerstandsfähiger und sicherer
als die rollenden Räder.
So ging der Motl alle Jahre vom Sau-
markt im Böhm drin schön zu Fuß heim in
den Frischwinkel, wozu er schier eine Woche
brauchte. Denn der Saumarkt bedeutete ihm
eine Wallfahrt von Wirtshaus zu Wirtshaus.
Das hatte er von seinem Vater gelernt, bei
dem hatte eS noch länger gedauert. Und des
Vaters Bräuche hat der Motl sein Lebtag in
Ekren gehalten.
Die einzige Krankheit, daran der Bauer
litt, war der Durst. O, der Durst! Er ist
wie das ledige Feuer; je mehr es bekommt,
desto mehr will es haben. Mit den Jahren
griff der Durst auf die Leber über und der
Motl mußte zum Arzt, das war ein rechter
Bauerndoktor.
Er klagte ihm seine Beschwerden.
„Magst das Bier gern, was?" fragte der
Doktor.
„Dasselbe mag ich schon", sagte lüstern
der Motl.
„Wieviel säufst denn nachher auf einen
Sitz?" forschte der Doktor weiter.
„Ist nicht arg; zwanzig Halbe, wenn ich
grad drankomm".
Der Arzt klopfte dem Motl mit dem
Knöchel dorthin, wo die Leber steckt, und
drohte: „Du! Hör' schleunig das Saufen
auf! Sonst hat dich überS Jahr der Teufel."
Weil er sich aber des tief Erschütterten er-
barmte oder, weil er die Leber vielleicht doch
nicht so schlecht fand, erlaubte er gnädig:
„Drei Halbe meinetwegen, aber nur am
Sonntag."
„Ich werd' schon folgen, Doktor", bedankte
sich der Motl. „Sterben mag ich nicht. Das
Sterben ist ein böser Tod."
Er trug die besten Vorsätze heim und trank
eine Maß Buttermilch. Er war still und de-
mütig, dachte ans Sterben und tröstete sich:
„Buttermilch, frisch vom Kübel, vertreibt alle
Übel."
Und übermorgen ist Saumarkt im Böhm
drin.
Der Motl fuhr auf den Saumarkt, dies-
mal mit einer kranken Leber. Er saß neben
dem Knecht auf dem Bock, um den Bauch
hatte ihm die Bäuerin ein dickes Wolltuch
geschlungen. Der Doktor hatte verordnet:
„Warm Hallen und sa nicht verkühlen."
Fast gleichlaufend mit der schlechten Straße
zog die Bahnlinie. Eben brauste ein Zug ge-
tal. Die Bremsen waren angezogen und
kreischten.
„Wird mir doch nichts anderes übrig blei-
ben", seufzte der Motl. „Wegen der Leber."
„Was meinst, Bauer", fragte der Knecht.
„Heimzu vom Saumarkt fahr' ich mit der
Eisenbahn", antwortete der Motl.
„Kannst auch mit mir heimfahren", riet
der Knecht und dachte: „Mit dem Bauer muß
cs schlecht stehn, daß er diesmal die Saumarkt-
räusch auSlassen will."
Der Motl klärte auf: „Meine Lcber
zwingt mich auf die Eisenbahn. Sie verträgt
das Schütteln auf dem Karren da nicht."
Der Motl handelte, verkaufte und kaufte;
handelte um Kreuzer, verkaufte seine alten
Säu' und kaufte zwei kleine, junge, frische
Ferkel. Er klimperte mit den Gulden: „Herr-
gott! Gäb' das einen Rausch!"
Sie gingen in ein Wirtshaus, dort kamen
die deutschen Marktleute zusammen, weil die
Wirtin eine Deutsche war. Sie zapfte De-
schenitzer Bier und kochte ein feines Beuschel,
-----.
?Lu!6 ürek
Die OIvmpiiläjLLei-m Oi^elr, Urmermeier
davon der Motl zwei Teller voll aß. Es war
schwarz von Pfeffer und zeugte einen Höllen-
durst.
Drei Halbe hatte der Doktor erlaubt, abcr
nur am Sonntag. Heut aber war Jrtag. Und
weil der Motl sich schämte, vor den Augen
der anderen Bekannten ein Kracherl zu trin-
ken, bestellte er Bier. „Dafür halt ich am
Sonntag Fasten", gelobte er sich.
Er trank mit großer Luft und gewaltigen
Schlücken. Nach der dritten Halbe zahlte er
brav. Es begann zu regnen.
„Wenn es jetzt nicht regnen tät', möcht' ich
mit dir heimfahren", sagte der Motl. „So
will ich mich doch lieber auf die Eisenbahn
setzen."
Der Knecht fuhr mit de» Ferkeln heim-
wärts. Der Bauer schritt gemächlich dem
Bahnhofe zu. Er redete für sich hin: „Der
crfte Saumarkt, von dem ich keinen Rausch
beimbringe. Aber: einen Willen muß der
Mensch baden."
Weil es noch Zeit war zum Zug, kehrte er
in der Bahnhofswirtschaft ein. Er wollte eine
Suppe essen. Der Kellner trippelte heran
und fragte höflich: „Was wünschen der Herr?"
Da schlug der Motl mit der Faust auf den
Tisch und rief: „Willst mich frotzeln, du Sau-
böhm? Erstens bin ich kein Herr und zweitens
krieg ich ein Bier."
Ja richtig! Er wollte eine Suppe esse»,
von wegen der Leber, schon aber stand das
Bier auf dem Tisch.
„Zum Woll!" wünschte der Kellner.
„G'suffa!" dankte der Motl.
Das Bier war gut. Der Motl vergaß
seine Leber. Er dachte an die Buttermilch
von vorgestern und schüttelte sich.
Der Türsteher rief den Zug aus und Ser-
Bauer hatte noch ein volles Glas vor sich
stehen, das vierte schon. Er winkte dem Kell-
ner: „Sag einmal, geht morgen um die Zeit
wieder ein Zug nach Spitzberg?"
„Iawoll, freilich", dienerte der Bursch und
bieb mit einem weißen Fetzen durch die Luft,
daß es knallte wie eine Peitsche.
„Weißt was, ich fahr' morgen. Dein Bier
scluneckt mir."
Der Zug fuhr ab, der Motl saß, trank,
aß und schlief und zwischendurch mußte er ein
paarmal hinaus. Die Leber tat ihm nicht weh,
der Motl war glückselig. Er batte seinen
richtigen alten Saumarktrausch.
Und dann saß der Motl zum erstenmal in
seinem Leben auf der Eisenbabn. Der Zug
pumperte dabin, der Motl schaute zum Fen-
ster hinaus, wo die Welt sich wie besoffen
vorbeidrcbte. In Deschenitz fiel ikm ein, daß
da eine Base seines Weibes wohnte, die er
besuchen könnte. Ehe er aber zum Aussteigcn
kam, rollte der Zug schon wieder weiter. Da
redete der Motl den einzigen Herrn an, der
mit ihm im Abteil fuhr: „Meine Roß baden
es nicht so eilig." Und weil der Herr nichts
drauf sagte, stieß er ibn mir dem Gebstecken
auf die Fußspitzen: „Sie, Herr Schreiber,
der Motl aus dem Frischwinkel bat noch von
jedem eine Antwort bekommen."
„So so", entschuldigte sich der Herr und
rückte weg, denn er fürchtete sich vor dem bier-
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Der Saumarkt im Böhm drin war fin-
den Motl aus dem Frischwinkel allemal ein
Fest; eine Art Kirchweih, bei der er aufhauen
konnte, den Gulden nicht schonte und die
Wirtshäuser, die auf dem langen Wege lagen,
der Reihe nach besuchte, um zu sehen, wo das
beste Bier und die fescheste Wirtin wären.
Der Frischwinkel liegt unter dem Spitz-
berg, wo der Fluh Angel noch ein Kind ist
und übermütig wie ein Waldbauernbüblein
über die Steine hüpft. Dort steht der Moll-
Hof, breit, behäbig, und stellt etwas vor wie
sein Bauer.
Durch den Frischwinkel fährt in einem
großen Bogen die Eisenbahn. Dreißig Jahre
fauchte der eiserne Wurm am Motlhof vorbei,
den Bauer aber gelüstete es niemals mitzu-
fahren. Er vertraute seinen beiden Braunen
mehr als dem Dampfroß und Hielt seine eige-
nen Beine für widerstandsfähiger und sicherer
als die rollenden Räder.
So ging der Motl alle Jahre vom Sau-
markt im Böhm drin schön zu Fuß heim in
den Frischwinkel, wozu er schier eine Woche
brauchte. Denn der Saumarkt bedeutete ihm
eine Wallfahrt von Wirtshaus zu Wirtshaus.
Das hatte er von seinem Vater gelernt, bei
dem hatte eS noch länger gedauert. Und des
Vaters Bräuche hat der Motl sein Lebtag in
Ekren gehalten.
Die einzige Krankheit, daran der Bauer
litt, war der Durst. O, der Durst! Er ist
wie das ledige Feuer; je mehr es bekommt,
desto mehr will es haben. Mit den Jahren
griff der Durst auf die Leber über und der
Motl mußte zum Arzt, das war ein rechter
Bauerndoktor.
Er klagte ihm seine Beschwerden.
„Magst das Bier gern, was?" fragte der
Doktor.
„Dasselbe mag ich schon", sagte lüstern
der Motl.
„Wieviel säufst denn nachher auf einen
Sitz?" forschte der Doktor weiter.
„Ist nicht arg; zwanzig Halbe, wenn ich
grad drankomm".
Der Arzt klopfte dem Motl mit dem
Knöchel dorthin, wo die Leber steckt, und
drohte: „Du! Hör' schleunig das Saufen
auf! Sonst hat dich überS Jahr der Teufel."
Weil er sich aber des tief Erschütterten er-
barmte oder, weil er die Leber vielleicht doch
nicht so schlecht fand, erlaubte er gnädig:
„Drei Halbe meinetwegen, aber nur am
Sonntag."
„Ich werd' schon folgen, Doktor", bedankte
sich der Motl. „Sterben mag ich nicht. Das
Sterben ist ein böser Tod."
Er trug die besten Vorsätze heim und trank
eine Maß Buttermilch. Er war still und de-
mütig, dachte ans Sterben und tröstete sich:
„Buttermilch, frisch vom Kübel, vertreibt alle
Übel."
Und übermorgen ist Saumarkt im Böhm
drin.
Der Motl fuhr auf den Saumarkt, dies-
mal mit einer kranken Leber. Er saß neben
dem Knecht auf dem Bock, um den Bauch
hatte ihm die Bäuerin ein dickes Wolltuch
geschlungen. Der Doktor hatte verordnet:
„Warm Hallen und sa nicht verkühlen."
Fast gleichlaufend mit der schlechten Straße
zog die Bahnlinie. Eben brauste ein Zug ge-
tal. Die Bremsen waren angezogen und
kreischten.
„Wird mir doch nichts anderes übrig blei-
ben", seufzte der Motl. „Wegen der Leber."
„Was meinst, Bauer", fragte der Knecht.
„Heimzu vom Saumarkt fahr' ich mit der
Eisenbahn", antwortete der Motl.
„Kannst auch mit mir heimfahren", riet
der Knecht und dachte: „Mit dem Bauer muß
cs schlecht stehn, daß er diesmal die Saumarkt-
räusch auSlassen will."
Der Motl klärte auf: „Meine Lcber
zwingt mich auf die Eisenbahn. Sie verträgt
das Schütteln auf dem Karren da nicht."
Der Motl handelte, verkaufte und kaufte;
handelte um Kreuzer, verkaufte seine alten
Säu' und kaufte zwei kleine, junge, frische
Ferkel. Er klimperte mit den Gulden: „Herr-
gott! Gäb' das einen Rausch!"
Sie gingen in ein Wirtshaus, dort kamen
die deutschen Marktleute zusammen, weil die
Wirtin eine Deutsche war. Sie zapfte De-
schenitzer Bier und kochte ein feines Beuschel,
-----.
?Lu!6 ürek
Die OIvmpiiläjLLei-m Oi^elr, Urmermeier
davon der Motl zwei Teller voll aß. Es war
schwarz von Pfeffer und zeugte einen Höllen-
durst.
Drei Halbe hatte der Doktor erlaubt, abcr
nur am Sonntag. Heut aber war Jrtag. Und
weil der Motl sich schämte, vor den Augen
der anderen Bekannten ein Kracherl zu trin-
ken, bestellte er Bier. „Dafür halt ich am
Sonntag Fasten", gelobte er sich.
Er trank mit großer Luft und gewaltigen
Schlücken. Nach der dritten Halbe zahlte er
brav. Es begann zu regnen.
„Wenn es jetzt nicht regnen tät', möcht' ich
mit dir heimfahren", sagte der Motl. „So
will ich mich doch lieber auf die Eisenbahn
setzen."
Der Knecht fuhr mit de» Ferkeln heim-
wärts. Der Bauer schritt gemächlich dem
Bahnhofe zu. Er redete für sich hin: „Der
crfte Saumarkt, von dem ich keinen Rausch
beimbringe. Aber: einen Willen muß der
Mensch baden."
Weil es noch Zeit war zum Zug, kehrte er
in der Bahnhofswirtschaft ein. Er wollte eine
Suppe essen. Der Kellner trippelte heran
und fragte höflich: „Was wünschen der Herr?"
Da schlug der Motl mit der Faust auf den
Tisch und rief: „Willst mich frotzeln, du Sau-
böhm? Erstens bin ich kein Herr und zweitens
krieg ich ein Bier."
Ja richtig! Er wollte eine Suppe esse»,
von wegen der Leber, schon aber stand das
Bier auf dem Tisch.
„Zum Woll!" wünschte der Kellner.
„G'suffa!" dankte der Motl.
Das Bier war gut. Der Motl vergaß
seine Leber. Er dachte an die Buttermilch
von vorgestern und schüttelte sich.
Der Türsteher rief den Zug aus und Ser-
Bauer hatte noch ein volles Glas vor sich
stehen, das vierte schon. Er winkte dem Kell-
ner: „Sag einmal, geht morgen um die Zeit
wieder ein Zug nach Spitzberg?"
„Iawoll, freilich", dienerte der Bursch und
bieb mit einem weißen Fetzen durch die Luft,
daß es knallte wie eine Peitsche.
„Weißt was, ich fahr' morgen. Dein Bier
scluneckt mir."
Der Zug fuhr ab, der Motl saß, trank,
aß und schlief und zwischendurch mußte er ein
paarmal hinaus. Die Leber tat ihm nicht weh,
der Motl war glückselig. Er batte seinen
richtigen alten Saumarktrausch.
Und dann saß der Motl zum erstenmal in
seinem Leben auf der Eisenbabn. Der Zug
pumperte dabin, der Motl schaute zum Fen-
ster hinaus, wo die Welt sich wie besoffen
vorbeidrcbte. In Deschenitz fiel ikm ein, daß
da eine Base seines Weibes wohnte, die er
besuchen könnte. Ehe er aber zum Aussteigcn
kam, rollte der Zug schon wieder weiter. Da
redete der Motl den einzigen Herrn an, der
mit ihm im Abteil fuhr: „Meine Roß baden
es nicht so eilig." Und weil der Herr nichts
drauf sagte, stieß er ibn mir dem Gebstecken
auf die Fußspitzen: „Sie, Herr Schreiber,
der Motl aus dem Frischwinkel bat noch von
jedem eine Antwort bekommen."
„So so", entschuldigte sich der Herr und
rückte weg, denn er fürchtete sich vor dem bier-
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