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Lujt, seinen Fuß in das ^^nnere des Friedhofs derer, wie heißts, von derer Gallerie ivachfen
artete in einen Dauerregen ans. Den Dreien
da,linierte, daß sie hier Gefangene ans einer
trockenen Znsel waren — ininiltcn einer wasser-
triefenden Stadt.
„Eine gute Luft ist ja jetzt. Aber mir hätts
doch lieber weitergestnnken als das Sauwetter.
Schuld ist ja bloß mein Herr Neffe. Sen Dom
batten wir beim Regen auch anfchaucn können
und das damische Cafe hat mich sowieso nicht
interessiert. Wären wir nicht die ganze Zeit in
derer Kirch herumtanzt und dann noch außen
umeinander, so hätten «vir längst den Friedhof
gesehen und alles."
Fräulein Hülfebusch hörte recht gut den Vor-
wurf heraus, daß man wegen ihr den Vor-
mittag vertrödelt habe. Deshalb gab sic sich
restlos dem Postkarten-Schreiben hin: „Aus
dem herrlichen Mailand init dem feenhaften
Dom..."
„Was stehst denn auf dem Friedhof, Dnkel?
Du stehst halt Grabmäler, meinetwegen große
Grabmälcr, so groß wie a Kapelle. Gut, was
weiter? Da läufst von einem Grabstein zum
andern, schaust dir das Grab an und 's sell
und zum Schluß wirds dir genau so lang-
weilig wie da herinnen. An Friedhof mit so
große Gräber, den kann ich mir leicht vor-
stellen. Da brauch ich net hin."
„Was hast denn du von deinem Cafo? Da
derfst zuerst tausend Staffel steigen, bis daß
d droben bist und nachher, ivaS iS nachher?
Einen Kaffee kriegst, der genau so hantig
schmeckt wie der da herinnen und nebenbei
kannst dir die Hausdächer und Kamin von
Mailand anschauen. Steigst bloß hinaus, daß
d wieder runtersteigen kannst."
„Lieber steig ich in die Höhe, als daß ich
stundenlang zwischen Gräber umeinanöerlauf.
Was is denn schon! Da sichst halt Figuren
lind Kruzifix' aus stVarmor oder Gips oder
Granit oder statt einer Grabkapell'n siehst
gleich a paar Dutzend nnd italienische Namen
liest. So wie in unserm Waldfriedhof, so wirds
da eben gleich an ganzen Haufen geben. Wennst
s letzte q sehen hast, weißt nimmer, wies erste
ausgeschaut hat. Weil sich das kein Mensch
net merken kann."
„Und du nachher init deinem alten Dach
von dem Dom? Meinst, da trinkt sich der
Kaffee anders? Das kannst du z' München
genauso Ham. Da gehst auf die Frauentürm'
nauf und nimmst dir a Thermosflasch'n voller
Kaffee mit. Da kannst nachher net bloß auf'n
Dach, sondern gleich auf'n Kirchturm trob'n
Kaffee trinken."
„jgch kann gar net verstehen, wieso daß du
grad jetzt so versessen bist auf an Friedhof.
Daheim sträubst dich mit Händ und Füß,
wennst auf'n Friedhof gehn mußt und auf
Allerheiligen tätst dich am liebern in s Bett
legen. Net amal an Glaser Ertl bist auf d'
Leich gangen."
„Kommt er mit in Ertl Glaser daher! Laß
doch an Ertl Glaser sei' Ruh. Du bist ja auch
grad z' Mailand so versessen auf d' Kirch.
Daheim bringt man dich in keine Kirch' 'nein
und da bringt man dich aus der Kirch' nimmer
raus. Da möchst an Kaffee auch noch auf'n
Hochaltar droben trinken."
Der Gewerberat drückte seinen Willen durch.
Sie fuhren zum Friedhof hinaus. An ein
Gräberbesichtigen war freilich nicht zu denken.
Die marmornen Umrisse der pompösen Grab-
stätten ragten in ein trostloses Grau hinein,
während vom Boden der Kies aufspritzte, so
klatschten die Wassermassen hernieder. Die Drei
begnügten sich mit dem Säulengang der AuS-
segnungshalle; auch Gschpielbauer spürte keine
zu setzen.
„Warum schaust denn jetzt die Gräber nxt
an? Zeht hast uns alle rausgesprengt und nun
machst net an einzigen Schritt in Friedhof
hinein."
„Ist gar net notwendig. Zch seh's ja von
hier auch. Die Hauptsache ist, daß ich am
Stammtisch sagen kann, ich bin z' Mailand
auf n Friedhof g'wesen. Gehört die AuS-
segnungshalle vielleicht net zum Friedhof?"
Dann kehrten sie zur Galleria zurück. Hier
machte sich Fräulein Hülsebusch nun selbststän-
dig. Nachdem jie, sich schon einen gänzlich un-
passenden Frühjahrshut gekauft hatte, um ja
die Herren nicht warten zu lassen, wollte sie
ihnen denn doch nicht alle Wünsche opfern.
„Zch seh mir jetzt 'n bißchen daS Waren-
haus hier drüben an. Bis die Herren ihren
Kognak getrunken haben, bin ich längst wieder
da."
Sie war weder nach dem ersten noch nach
dem zweiten Kognak wieder da. Sie blieb über-
haupt unsichtbar.
„Das erste und das letzte Mal, daß ich mit
an Frauenzimmer wohin fahr", schimpfte
Gschpielbauer. „Die ganzen Glasdachl von
hinter
Fntlitr, in ctus Wollt eiliolien,
Km,/, v»n Kolclnem Lclieiii mnkiiinrt,
^iiKenpniii', vom lUsiniiioii^piel ließlün/.t,
liiclielkt 6iite, lüclielst mir Pi km inen,
knüllest /ulluebt null Cm armen,
seliönei Niincl —: nur clu lileiliüt still.
I)<«->> in kleinem «ebenen 8eli>veißen
— icli Iiesclieill micli ivie er ivill —
atmet sciion kier llüost cler lKselit,
locbet selion «ier neue IVlorKen,
ller »ns «ler lim clileliten IXälie
Kötterstsrli er>vnclit...
mir zum Hals nauS. Außer dcne Glasdachl
Hab ich überhaupt noch nichts g'sehen von
Mailand. Vor lautern Hut-Einkaufcn. jgetzt,
«veil 's Regnen aufgehört hat, kannst hocken
bleiben, bis S der Gnädigen beliebt, zu er-
scheinen."
„Eiehst, wennst noch a bisserl gewartet
hält st mit'm Friedhof, was für ein wunder-
bares Friedhosswetter wär' jetzt."
„Mhm! Bin froh, daß ich draußen war.
Die kann ja auf d' Nacht um sechs Uhr auch
erst retour kommen."
Um sechs Uhr warteten sie noch immer.
Zetzt rückte auch Esterl aus. Zhn lockten
Warenhaus und Schaufenster nicht weniger.
„Weißt was, ich such jetzt die Hülsebusch.
Zch garantier dir, in zehn Minuten Hab ichs.
Meinst, wir setzen uns noch a Stund her? So
a Rücksichtslosigkeit."
Er erschien tatsächlich mit der Lehrerin —
allerdings eine geschlagene Stunde später.
Immerhin wurde Gschpielbauer noch vor einem
Abenteuer bewahrt. Eine hvchbnsige farben-
frohe Dame hatte sich am Nebentisch nieder-
gelassen und den Gewerberat mit feurigen
Blicken in einige Bedrängnis gebracht. Echließ-
lich erlahmte dessen Widerstandskraft. Gerade
versuchte er, mit Hilfe von „Schastiquasti" und
„Ditschi naß" eine durchaus Erfolg ver-
sprechende Unterhaltung anzubahncn, als stresse
und Lehrerin auf ihn zutraten.
Mit dem Abendzug fuhren sie der (schweizer
Grenze zu. Die Lehrerin hatte an Leibesumfang
jählings zugenommen. Sie saß da, als seien
ihre Umstände überaus gesegnete. Unruhig
rückte sie auf ihrem Platz herum, schielte scheu
nach allen Seiten und flüsterte:
„Schrecklich ungeschickt von mir. Habe da
n Sofakissen gekauft, schwarzer Samt, der
Mailänder Dom darauf gestickt. Jetzt muß ich
es unter Todesängsten aus jeder Grenze hinüber-
schmuggeln. Furchtbar dumm von mir. GibtS
die gleichen Kissen in Magdeburg. Dachte
eben zu spät daran. Konnte nich widerstehen.
Eine Pracht, dieser Dom, ganz in Gold ge-
stickt ..."
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