Don Josef Friedrich Pcrkonig
DaS kleine, bunt angestrichene Haus mit den
grünen Fensterläden fuhr auf den schlechten
Straßen des Bauernlandes. Es hatte geregnet,
der Wind trocknete die Wülste über den Gleisen
aus, und die wackligen Räder holperten über
den erstarrten Straßenkot. Am Abend erreichte
der bemalte Kasten ein Dorf, das schon lange
am niederen Horizont gestanden war. Die Kin-
der liefen dom Gefährt entgegen, und die
Hühner stoben entsetzt davon. Der aufge-
dunsene Mann auf dem Kutscherbocke hatte
alle Mühe, die zwei mageren Pferde vor dem
Scheuen zu bewahren. Ein Rest von bln-
gestümheit war doch noch in ihnen zurück-
geblieben, wenn sie auch ihr Dasein teilen
mußten in das Los von Zugpferden und Zirkus-
pferden.
Die Frau, die im Wagen saß und an einem
Harlekinkleide die losgetrennten roten Tressen
annähte, stieß mit dem Kopf gegen die hölzerne
Wand, als der Wagen jäh innehielt. In einer
Kiste klingelte Porzellan gegen Blech. Sie
hörte das Geschrei der Kinder, die scheltende,
sich überschlagendc Stimme ihres Mannes und
eine andere, die ihm halb gutmütig, halb spot-
tend zu antworten schien. Sie schob den Kopf
zwischen den roten Vorhängen durch das Fenster
und sah, daß sie sich am Eingänge eines Dorfes
befanden, der durch einen umgefallenen Heu-
wagen versperrt war.
Ein junger Mann ohne Hut, das Gesicht
hochrot von Sonne, Mühe und Schweiß, be-
mühte sich eben, indem er seinen Pferden freund-
lich zuredete, mit eigener Kraft den ungeheuer
schweren Heuwagen aufzuheben. Er stemmte
sich, die Beine steif in den Boden gerammt,
gegen den kleinen Berg von Heu und glaubte,
mit seinen breiten Schultern die umgestürzte
Last wieder zurückstürzen zu können. Die Adern
an Stirn und Hals schwollen ihm dabei dick
an, sein Gesicht wurde dunkel, aber sein Körper
streckte sich wie ein Hebebaum, und über seinen
Schultern hob sich bald der Heuhaufen empor.
Auf einmal stand der Wagen wieder auf seinen
Rädern. Die Frau hakte die Szene beobachtet,
klopfte durch das Fenster zu ihrem Manne,
der mißvergnügt auf dem Bocke saß, und schrie
durch die Scheiben: „Hast du ihn gesehen?"
Der Mann wußte wohl, was diese Frage
bedeuten mochte, denn die Frau drohte ihm in
der letzten Zeit immer wieder, sie sei dieses Leben
satt geworden. Als ob es sein Himmelreich ge-
wesen wäre. Er hatte sie einmal in einer
Schenke aufgelesen. Sie war mit einer blinden
Harfenspielerin über Land gezogen, hungerte,
fror und folgte ihm gerne in den kleinen Wan-
derzirkus.
Aber der Feuer- und Messerschlucker war an
der Gräte einer gestohlenen Forelle erstickt; den
Zauberkünstler, der in einem Zylindechut aus
luftigem Nichts einen Kuchen buk, hatten
Bstrtsleute einmal bei einem Diebstahl in der
Speisekammer ertappt und zurückgehalten, und
er war dann überhaupt nicht mehr gekommen.
So blieb nur mehr er selber, der Herr Direktor,
Schulreiter, Hexenmeister, Teller-, Kugel-, Mes-
serwerfer, dummer August, Zirkusöiener, Orgel-
dreher und Beleuchter in einer Person, übrig.
Er hatte seiner Frau einige armselige Späße
beigebracht. Wenn sie ihm nur notdürftig die
Stichworte zurief, dann unterhielt er aus eigene
Faust die Bauern in den Dörfern, die Dienst-
mädchen, kleinen Handwerker, Arbeiter und
Liebespaare auf den schmutzigen Dorstadtwiesen.
Er selber war nun alt und kränklich gewor-
den. Es konnte kein Wunder geheißen werden,
wenn ihm die Frau, die um zwanzig Jahre
jünger war, häufig drohte, dieses Hundeleben