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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 45.1940, (Nr. 1-13)

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Nr. 10
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Julius U ü t Ir o r

Icli möchte liegsli wie <^Q5 weite l_cmc! . . .
Ick möckts liegen «is öss «eile, «sicke l.snö,
bereitst bi; rum Istrtsn ttügslrsncls,
so in «len groksn Sogen singespsnnt,
im Sturm«in«i, «is im keiSsn Sonnsnbrsncis.
ks liegt uncl rukt, uncl ist im Küken trscktig,
nur kingsgebsn seinem koken Sinn;
riie krnts teilt, rckon «iekter, übsrmscktig,
ctrsngt neue Lest ru neuem Anbeginn.
Kennt kein krmüktsn unct kein leises legen,
kennt nur «lies kins: Lick genug ru tun!
80 möckts ick suck trsgsn können, trsgsn,
clem Lckickssl kingsgebsn, unct im tV» vsrruk'n.
kloi'iLrn 5 s i cl I

v^8 siNbllvicuLidi
Don Rudolf Schneider-Schelde

Immer soll »non nicht zuhause sitzen, manch-
mal muß man an die Luft. Herr Fedor liebt
die Luft, aber er liebt sie zu sehr. Er denkt zu
sehr an sie, er denkt zu sehr an alles Schöne,
darum kommt er zu nichts. Zum Beispiel denkt
er jetzt an eine junge Dame namens Rosa und
ahnt nicht, daß er heut das erste Rendezvous
mit ihr hat. Er müßte längst mit einem frischen
Hemd und einem Blumenstrauß, rasiert, ge-
schniegelt und gebügelt im Cafe Alvenstaed
sitzen, statt dessen sitzt er unrasiert an seinem
Tisch und hat keine Ahnung, daß heut Don-
nerstag ist.
Es ist gerade drei Uhr. Um drei Uhr hat

Herr Fedor das Rendezvous. Er hört eine
Uhr schlagen, drum weiß er, daß es drei Uhr
ist, aber ihm müßten auch die Tage schlagen,
das ist es. Er weiß natürlich genau, daß er
am Donnerstag ein Rendezvous hat, nur
glaubt er, daß heute Mittwoch sei. — Wird
Rosa morgen pünktlich sein? denkt er an sei-
nem Tisch. Wie süß sie ist, denkt er, schade,
daß wir uns nicht schon für heut verabredet
haben. — Er träumt von ihr und sieht sie im
Geist zuhause, vielleicht bügelt sie ein Kleid,
vielleicht liest sie in dem Buch, das er empfohlen
hat, als er neulich flüchtig mit ihr sprach?
Es wird Viertel nach drei. Herr Fedor

kommt plötzlich auf die Idee, spazierenzugehen.
Immer kann man nicht zuhause sitzen, denkt er.
In Wahrheit ist ihm eingefallen, ob Rosa ihm
wohl treu ist. Dielleicht ist treu etwas viel ge-
sagt für die Art der bisherigen Bekanntschaft,
aber Herr Fedor neigt zur Eifersucht. Er ver-
läßt seinen Tisch und bindet einen reinen
Kragen um. Rasieren? — nein, das läßt er.
Morgen wird sein Kinn so glatt sein wie eine
Billardkugel.
Er wandert durch die Stadt und hält rings-
umher Ausschau. —- Vielleicht sieht man je-
mand? Unwillkürlich zieht's ihn zum Cafe
Alvenstaed, er wird einen Kaffee dort trinken
und still dasitzen, wo er morgen mit Rosa sitzen
wird. Er wird den Platz vorwärmen, gewisser-
maßen.
Es ist halb vier, als Herr Fedor das Lokal
betritt. Er steigt in den ersten Stock hinauf,
begrüßt von Herrn Alvenstaed, und strebt dem
letzten Zimmer zu, denn dort wird morgen sein
Stelldichein sein. — Halt! denkt er plötzlich,
als er in einen Spiegel blickt, sitzt dort nicht
jemand?
Kein Zlveifel, dort sitzt eine weibliche Per-
son, die ihm das Profil zukehrt und vor sich
hinstarrt, sie sitzt an einem kleinen Tisch in
einer Nische — erst recht kein Zweifel, daß
es Rosa ist.
Das wäre ... denkt Herr Fedor, wartet sie
hier auf jemand? Argwohn erwacht in ihm,
und ehe er sich's versieht, hat er in einer Ecke
Platz genommen, von wo aus er Rosa durch
den Spiegel beobachten kann, und ist hinter
einer Zeitung versteckt, die dort liegt. — Das
wäre ... denkt er wieder, als er bemerkt, daß
jic bei jedem Näherkommenöen ausblickt, es
scheint doch, daß sie hier vielleicht ein
Rendezvous hat.
Das stimmt ja auch, und wenn Herr Fedor
nicht so dämlich wäre, wüßte er sogar, mir
wem. Er brauchte statt an seiner Zeitung vor-
bei,zuschielen, bloß einmal aufs Titelblatt zu
blicken, wo dicht vor seiner Nase „Donnerstag"
steht, aber er hat eben andere Dinge im Kopf.
Er lauert und grämt sich im stillen und trinkt
in seiner Wut den Kaffee sowohl schwarz als
auch ungesüßt, was er beides nicht ausstehen
kann. Es wird ihm zur Gewißheit, daß Rosa
ihn betrügt. — Pfui Teufel! — Er könnte ja
vielleicht hinübergehen und Rosa begrüßen. —
Was für ein glücklicher Zufall! könnte ec sagen.
Aber Herr Fedor ist eine zu delikate Natur,
er weiß, was sich gehört, und außerdem ist er
zu dämlich. — Lieber nicht, denkt er und bohrt
ein Loch in seine Zeitung, um hindurchzuspähen.
Das ist ein Stelldichein! Dort sitzt Rosa
und wird von Minute zu Minute ärgerlicher,
und hier sitzt Herr Fedor, der im gleichen
Tempo immer eifersüchtiger wird. Rosa ist
wenigstens ohne Schuld, alle Schuld hat er,
aber was Hilst das? Auch sie muß leiden.
Keine süßen Worte, kein zärtlicher Blick, keine
zarte Berührung, das ist wirklich ein Stell-
dichein!
Endlich wird eS Rosa zu dumm. Sie zahlt
und geht. Sie ist empört, nun ist es gleich vier,
seit drei Uhr wartet sie nnn auf diesen Herrn
Fedor, der Mama hat sie etwas vorschwinöeln
müssen, den Kaffee und die Torte muß sie auch
selber bezahlen, nein, jetzt hat sie die Nase voll.
Sie ist geradezu zornig, als sie ihren Mantel
anziehk, und macht darum ihr unnahbarstes
Gesicht, aber sie ist zu reizend, als daß ihr das
viel anhaben kann. Sie ist jung und schlank
und frisch und hat ein entzückendes Näschen,
das ausgebracht in die Luft hinaussteht.

NS
Register
Florian Seidl: Ich möchte liegen wie das weite Land
Rudolf Schneider-Schelde: Das Stelldichein
Julius Hüther: Zeichnung ohne Titel
 
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