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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 45.1940, (Nr. 1-13)

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Nr. 11
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Eines Abends spät klomm von einem hohen
Harzberge ein alter Rittersmann mühsam in
das Tal hinab. Er war Leuthold geheißen, und
vormals all dieser Gegenden Beherrscher ge-
wesen; jetzt aber hatte ihn die Übermacht eines
reichen Grafen vertrieben, und er wohnte nun
auf der ehrbaren Stammveste, an welcher
seinen Blick zu weiden, der alte Leuchold noch
jeden Abend, solange die waldige Höhe bei
seiner Hütte wegsam blieb, Hinaufstieg, und
nach den zwei hohen Schloßtürmen hinüber-
schaute, bis die Sonne unterging. Dann ging
auch der alte Mann wieder in das Tal hin-
unter, wo man ihn als unschädlich und ohn-
mächtig wohnen ließ, denn sein einziger Erbe,
ein ringfertiger, freudiger Kampfesheld, war in
der Verteidigung des väterlichen Herdes ge-
fallen. Auf seinem Heimwege kam der greise
Ritter immer an einer Kapelle vorüber, die er
in besseren Zeiten hatte bauen lassen, und wo
jetzt der Leichnam des jungen, in Ehren er-
schlagenen Herrn eingesargt lag. Dann kniete
der Vater vor des kleinen Baues Tür nieder,
und betete ein Paternoster für die Seelenruhe
seines lieben Sigebald, und so tat er auch
heute. Beim Aufstehen blickte er dann sehn-
süchtig durch die Fenster hinein, konnte aber
immer nichts von dem Sarge gewahren, denn
er stand in einer Mauerblende hinter dem
Altar, und den Schlüssel zu der Türe hatte

der verwaiste Vater, gleich nach der Beisetzung,
voll überwältigenden Schmerzes in die reißen-
den Frühlingswirbel der Bode geschleudert.
Das bereute er nun zu vielen Malen, denn es
fehlte dem Verarmten an Geld, um zu dem
sehr kunstreichen Schlosse einen neuen Schlüssel
fertigen zu lassen, und so hatte er sich selbst
und seine fromme Hausfrau und seine Nichte
Diotwina, die Sigebalds Verlobte gewesen war,
von den teuren Überbleibseln ihres liebsten
Glückes ausgesperrt. Niemals war seine Sehn-
sucht danach so innig gewesen, als eben heute
abend. Er sah die Türe mit heißer Wehmut
an; er hätte sie fast gebeten, Raum zu geben,
und gemeint, sic müsse ihm Folge leisten, aber
sie starrte ihm fest und unbeweglich entgegen;
kaum ließ sich die Klinke an dem eingerosteten
Schlosse genugsam auf- und Niederdrücken, um
die Festigkeit, mit welcher alles in den ehernen
Klammern beharrte, darzutun. Nachdem der
alte Mann eine Weile vergebens an der Grab-
stätte des Sohnes geklinkt hatte, ging er, die
Augen voll Tränen und kopfschüttelnd über sich
selbst, vollends nach der Hütte zurück.
Er fand die Hausfrau mit dem spärlichen
Abendbrot auf ihn warten. Wo ist denn
Diotwina? fragte er. — In ihre Kammer ge-
gangen; entgegnete die Alte. Es ist ja heute
der Jahrestag von ihrer und Sigbalds Ver-
lobung, welchen sie, wie du weißt, immer in

Fasten und Einsamkeit hinzubringen beschlossen
hat. — Der Ritter seufzte sehr tief und blieb
eine ganze Weile stille; endlich Hub er wieder
an: Wieviel Geld haben wir denn jetzt beisam-
men? — An zwei Reichsgulden, aber nicht
voll; sagte die Hausfrau. — Und der Schlosser
forderte für den Schlüssel? — Drei Goldgul-
den. — Da fing der alte Mann wieder an zu
seufzen und sah fragend im Gemach umher. —
Ja, sagte die Hausfrau: zu verkaufen gibt es
hier nichts mehr; es wäre denn das eine. Der
Schlosser meinte, da gäbe er gern noch ein paar
Goldgulöen zu. — Du meinst den da oben!
sagte der Greis, nach seinem alten Schwerte
emporschauend; die Frau nickte mit dem Kopfe.
Aber er fuhr zornig in die Höhe, und rief: Da
sei Gott vor! Ich werde freilich mit der alten
Waffe nicht mehr viel auSrichten in dieser
Welt, aber ehrlich auf meinem Sarge soll sie
dennoch zu liegen kommen. Der Sigebald selbst
verzieh' eS mir wohl im Paradiese kaum, gäb'
ich die alte Ehrenklinge weg! — Die Hausfrau
fing an hinter der hohlen Hand zu weinen,
denn sie mußte daran denken, wo oft ihr er-
schlagener Sohn, als ein schöner, freudeglänzen-
dcc Knabe, mit dieser Waffe gespielt hatte und
dazu von künftigen Siegen gestammelt. — Da
wurden die beiden alten Leute ganz stille, lösch-
ten ihr Licht und gingen zu Bette.
Es mochte schon gegen Mitternacht gehen,

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Register
Bernhard Bleeker: Bildreproduktion ohne Bezeichnung
Friedrich de la Motte Fouqué: Der Siegeskranz
 
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