da Höne der greife Ritter ein wunderliches
Rufen und Tönen durch dir Täler zichn; von
einer Waldeshöhe her leuchtete >vaS wie eine
hohe Flamme durch des kleinen KammcrfcnstcrS
Scheiben. Er wollte aufstehen und um sich
schaun, aber die Hausfrau sagte: Bleib liegen,
Mann; ich höre es schon lange und bete still
vor mich hin. Das ist gewißlich ein ungeheurer
Zug des wütenden Heeres. — Hm, sagte Leut-
hold, den wilden Jäger Hab' ich wohl sonsten
oftmals im nächsten Forst über mich hinbraufen
hören; aber das ist ganz ein anderes. — So
muß es sonst ein Hexenwerk sein; sagte die
Frau. Wer weiß, was oben auf dem Brocken
gebraut ist. Ich bitte dich, bleib liegen, und
laß keine vorwitzigen Gedanken darüber in dir
aufkommen. — Der Greis gab auch der Frau
nach, blieb still und betete leise. Nach einer
Weile aber fing er wieder an: Frau, da ritt
einer auf einem Schimmel das Fenster vorbei,
gerade wie unser seliger Sohn zu reiten pflegte.
— Sie zitterte und verwies ihn mit leiser
Stimme zum Schweigen. Wieder aber nach
einer Weile sagte der Alte: Hörst du, wie s da
oben vom Berge herunterrief: Schwenkt euch!
Haut ein! — Der Nachtsturm nahm mir's halb
vor den Ohren weg. Aber kurz ehe Sigebald
fiel, hat er noch ebenso gerufen, — Wenn du
mich töten willst mit Angst und Schreck, sagte
die Frau, oder mich gar wahnsinnig machen,
so fahre nur in solcher Rede fort; cs bedarf
wohl kaum eines Wortes mehr. — Da schwieg
der alte Mann und drängte seine Gedanken,
deren viele und seltsamliche einander kreuzten, in
die Brust zurück. Das wunderliche Getöse
schwieg auch, oder verlor sich vielmehr in an-
dere Täler, und gegen Morgen schliefen die
beiden alten Leute ein.
Der Helle Tagesschein sah schon wieder über
die Berge, die Hausfrau saß bereits an ihrem
Spinnrocken, der greise Ritter wollte eben zur
Pflege des kleinen Gärtleins mit Hacke und
Spaten hinausgehen, da drehte er sich noch
unter der Türe und sagte: Seltsam ist es doch;
wenn einmal die Nacht mit ihren Rätseln und
Spukhistorien in des Menschen Hirn hinein-
gedrungen ist, will sich's gar nicht wieder zur
Ruhe geben. Da Hab' ich bis an den lichten
Morgen von dem Erntefeste geträumt, wie wir
es in besseren Zeiten auf der Stammburg zu
feiern gewohnt waren. —- Fürwahr seltsam!
unterbrach ihn die Hausfrau. Davon hat mir
gerade auch geträumt. Die Bauern zogen mit
ihren blanken Sensen zum Schloßhofe herein,
ihre Frauen und Töchter mit den bunten Har-
ken, viele Bänder daran. Hoch leuchtete der
Erntekranz in das Blau des Hellen Sommer-
tags empor, und ach! voran schritt mein liebes,
liebes Kind, ein zarter Knabe noch, ganz über
und über in ein Geflecht von blauen Korn-
blumen cingewunden, ein schönes Kränzchen wie
ein Bräutigam auf dem Kopfe und eine große
rote Blume vor der Brust, bind ich kannte die
rote Blume wohl! — Sic senkte wehmütig das
Haupt, und der Ritter, um sie von des einzigen
SohneS Todeswunde abzulenken, sagte: Das
mit dem Singen ist mir doch das Seltsamste.
Ich hörte das geistliche Lied, womit die Schar
hereingezogcn war, noch im Erwachen, und so
ist mir noch in diesem Augenblick zumute, als
klinge es in derselben Weise dort über den Berg
hervor, den waldigen Abhang immer näher
herunter; ja, wie ich jetzt die Türe aufmache,
wird mir's ordentlich, als dringe der Klang
stärker herein. — Die Hausfrau vernahm das
alles auch, und erhob sich im stummen Erstau-
nen, um an der Hand ihres Eheherrn vor die
Tür hinauszutreten und sich nach den wunder-
samen Klängen umzuschauen, dreist gemacht
durch den tröstlichen Morgenstrahl, welcher die
Bäume vergoldete und das tauige Gras unter
ihnen, dreister noch durch die gottesfürchtige
des immer'näher heranwehenden Liedes;
Schallmeien und Rohrflöten klangen in den
Gesang.
Indem die beiden alten Leute in die Hütten-
tür traten, wurde zwischen den Buchenstämmen
Lern